Putin nennt Machtwechsel in Kiew „verfassungswidrigen Putsch“
In dem Konflikt um die Krim hat sich am Dienstag Russlands Präsident Putin zu Wort gemeldet. Er sagte, er werde sich alle Mittel zum Schutz russischer Bürger in der Ukraine vorbehalten. Unterdessen droht der Westen mit Sanktionen.
Es wird ununterbrochen telefoniert, konferiert und gereist, ununterbrochen gedroht und dementiert in der ukrainischen Krise. Es scheint dennoch so, als ob das einzige, das sich bewegt, die russischen Truppen auf der Krim sind. In Moskau äußerte sich Wladimir Putin zum ersten Mal öffentlich, verteidigte das russische Vorgehen auf der Krim als völkerrechtlich legitim und sagte: „der Machtwechsel in der Ukraine ist ein bewaffneter Umsturz und ein verfassungswidriger Putsch.“ Das finden nun die Regierungen der EU-Staaten und die in Washington sowie in Ottawa überhaupt nicht, was den russischen Präsidenten nicht zu stören scheint. Russland behalte sich alle Mittel zum Schutz russischer Bürger in dem Nachbarland vor, sagte Putin während des Fernsehinterviews in Moskau.
Nun hat es seit dem Ausbruch der Krise in der Ukraine und der schleichenden russischen Invasion auf der Krim weder Übergriffe auf Russen oder pro-russische Ukrainer auf der Schwarzmeerhalbinsel gegeben, noch Angriffe auf Gebäude oder Einheiten der russischen Schwarzmeerflotte. Das behaupten weder die Russen auf der Krim, noch die mit ihnen sympathisierende Bevölkerung, noch die pro-russische, durch einen Putsch an die Macht gekommene Regionalregierung. Auch der russische Außenminister Sergej Lawrow sagte nach dem Treffen mit seinem Amtskollegen Frank-Walter Steinmeier in Genf, die Militäraktion auf der Krim diene lediglich dem Schutz der dort lebenden Russen. Der deutsche Chefdiplomat bezeichnete das Gespräch mit Lawrow als lang, schwierig und ernst. Russland müsse die Regierung in Kiew anerkennen: „Wir brauchen eine schnelle, politische Lösung“, sagte er. Bis Donnerstag soll die gefunden werden. Danach wird es voraussichtlich die ersten westlichen Sanktionen gegen Russland geben.
Putin leugnet Einmarsch auf der Krim
Dann kann die Sache sehr kompliziert werden, ist aus Brüssel zu hören. Der russische Präsident sieht sich im Recht und bezeichnete in Moskau die militärischen Aktivitäten auf der Krim als eine „humanitäre Aktion“, um „die Schwarzmeerflotte zu schützen“. Einen Einmarsch habe es nicht gegeben. Niemand hat die Schwarzmeerflotte angegriffen und es ist auch in der gesamten nördlichen Region des Schwarzen Meer in den Anrainerstaaten weder eine Flotte noch eine Luftwaffe oder eine Armee zu sehen, die einen solchen Angriff bewerkstelligen könnte. Weder in Georgien noch in Rumänien.
Die militärischen Informationen, die von beiden Konfliktparteien kommen, sind mit großer Zurückhaltung zu betrachten. Sehr zuverlässig sind sie meistens nicht. Sicher sind bisher nur wenige, aber wichtige Dinge: Es gibt auf der Krim weder einen Krieg noch einen Aufstand. Es hat bisher keine gewaltsamen Auseinandersetzungen mit Verletzten oder gar Toten gegeben. Der deutsche Chefdiplomat ist dennoch besorgt. Es ist weder ein Freund von Sanktionen noch von Drohungen, aber es kann sein, dass ihm und seinem polnischen Kollegen die Zeit davon läuft. Steinmeier will unbedingt die diplomatischen Kanäle ins russische Außenministerium am Rande des Moskauer Bezirks Arbat offen halten, gerade weil er die Gefahr einer erneuten Spaltung in Europa für real hält. „Europa befindet sich in der schärfsten Krise seit dem Mauerfall,“ sagte Steinmeier in Genf nach dem Treffen mit seinem russischen Kollegen.
Deutschland setzt auf Diplomatie, die USA auf Isolation
Die Deutsche Bundesregierung will unbedingt direkte Kontakte zwischen Kiew und Moskau herstellen und hält „Diplomatie für kein Zeichen von Schwäche“. Die USA dagegen wollen Russland eher isolieren. Sie haben bereits die militärische Zusammenarbeit unterbrochen. Außenminister John Kerry ist in Kiew und soll eine Ersthilfe von einer Milliarde US-Dollar für die klamme ukrainische Regierung im Gepäck haben. Die wird von Sergej Lawrow massiv kritisiert: Sie sei keine Regierung die alle Regionen des Landes vertrete. An seinen US-Kollegen wandte sich Lawrow mit den Worten: „Sanktionen bringen gar nichts.“ Immerhin wird es doch noch Gespräche zwischen Russland und der NATO geben. Der NATO-Russland-Rat wird sich am Mittwoch treffen.
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ist Journalist, Gast-Dozent für Fernsehdokumentation und -reportagen an der Berliner Journalistenschule und an der Evangelischen Journalistenschule in Berlin sowie Honorarprofessor im Studiengang Kulturjournalismus an der Berliner Universität der Künste (UdK).