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Präsidentschaftswahl in der Ukraine: Das wollen die Kandidatinnen und Kandidaten

In drei Wochen findet in der Ukraine die Präsidentschaftswahl statt. Das Feld der Kandidaten ist groß wie nie. Die größten Chancen, Staatsoberhaupt zu werden, haben allerdings zwei alte Bekannte.
von Dmitri Stratievski · 11. März 2019
Präsident Petro Poroschenko möchte Staatsoberhaupt der Ukraine bleiben, doch das Feld der Konkurrenten ist groß.
Präsident Petro Poroschenko möchte Staatsoberhaupt der Ukraine bleiben, doch das Feld der Konkurrenten ist groß.

Am 31. Marz wählen die Ukrainer ihr Staatsoberhaupt. Als Kandidaten sind mehr als 40 Politiker registriert, doppelt so viele wie bei der vergangenen Wahl 2014. Diese Wahl hat für die eher personen- als institutionenorientierte Bürger der Ukraine eine große Bedeutung. Obwohl der Präsident im neuen gemischten ukrainischen Regierungssystem zugunsten des Parlaments teilweise entmachtet wurde, bestimmt er laut Verfassung unter anderem die Grundlagen der Außenpolitik und bleibt weiterhin ein wichtiger Akteur in formellen und informellen Netzwerken des Landes. Wer hat die besten Chancen, die Ukraine weitere fünf Jahre zu führen?

Petro Poroschenko hofft auf eine zweite Amtszeit

Der amtierende Präsident Petro Poroschenko kandidiert für seine zweite Amtszeit. Als Mitbegründer der „Partei der Regionen“, des Machtfundaments des damaligen Präsidenten Viktor Janukowitsch, Außenminister unter Viktor Juschtschenko und Wirtschaftsminister unter Janukowitsch, gilt Poroschenko als Urgestein der Politik und bester Kenner deren Hintergründe.

Poroschenko versucht, seine Wähler mit einer bunten Palette von Botschaften zu locken: Er zeigt sich als starker Mann, der das Land in der Krisenzeit vor Russland schützt, eine ukrainische Streitkraft aufgebaut und die Unabhängigkeit der ukrainischen Kirche von Moskau durchgesetzt hat sowie mit dem Westen erfolgreich kooperierte, was die Abschaffung der Visumpflicht für die EU bescheinigen soll. Sein Nachteil in den Augen der Wähler besteht darin, dass die versprochenen Reformen nur schleppend vorankommen oder gar ins Stocken geraten sind. Zudem zeigt sich der Milliardär Poroschenko alles andere als volksnah.

Julia Timoschenko setzt auf soziale Themen

Julia Timoschenko, die ehemalige Ministerpräsidentin und Poroschenkos Erzrivalin, setzt im Wahlkampf konsequent auf Soziales. Sie legt dem amtierenden Präsidenten die Verschlechterung des Lebensstandards der Ukrainer, eine drastische Erhöhung der Miet- und Heizkosten sowie mangelhafte Korruptionsbekämpfung zur Last.

Timoschenko verfügt seit Jahren über ihre bewährte Stammwählerschaft und kann als gute Rhetorikerin punkten. Negativ sieht man ihre Neigung zum Populismus (sie fordert etwa die Abschaffung der Mehrwertsteuer und eine Halbierung der Gaspreise und verspricht den Ukrainern, ein Einkommen wie in Polen mittels fünf Jahren) und ihre Verquickungen aus der Vergangenheit mit Gazprom und damit vermutlich mit den Machthabern in Moskau.

Zwei weitere Kandidaten der „alten Riege“

Die „alte Riege“ repräsentieren außerdem zwei weitere Kandidaten, die ebenfalls zum Kreis der Favoriten gehören: Jurij Bojko, früherer Energieminister und bis 2018 Vorsitzender des „Oppositionellen Bündnisses“, der Neuformierung der Janukowitsch-Partei im Parlament, und Anatolij Grizenko, ehemaliger Verteidigungsminister und überzeugter NATO-Anhänger.

Ihre Gesichter sind den meisten politisch interessierten Ukrainern zwar bekannt, jedoch fehlen ihnen die nötigen personellen und finanziellen Ressourcen für einen landesweiten offensiven Wahlkampf. Bojko, vor kurzem relativ hoch in der Wählergunst, verlor den Fraktionsvorsitz und kann gegenwärtig seine „ostukrainsiche Karte“ nur beschränkt spielen, da die Bevölkerung im Osten des Landes auch von weiteren Kandidaten mit Regionalparolen gezielt ins Visier genommen wird.

Gelingt einem Fernseh-Star die Überraschung?

Als größte Überraschung des Wahlrennens in der Ukraine ist der Schauspieler und Fernsehmoderator Wolodimir Selenskij zu nennen. Selenskij, der in einer TV-Serie einen aus „einfachen Verhältnissen“ stammenden, nicht korrupten und reformfähigen Staatschef spielte, verkörpert den ukrainischen Traum über einen „Politiker aus dem Volk“ und hofft auf die Zustimmung der Protestwähler. Momentan führt er sogar unangefochten in den Umfragen. Die größte Gefahr für Selenskij, über dessen enge Verbindungen zum Strippenzieher der ukrainischen Politik Igor Kolomojskij viele Gerüchte kursieren, ist die bekannte Hemmung der „Proteslter“: Politikverdrossene und Frustrierte gehören in ihrer Mehrheit zu Nicht-Wähler. Das kann Selenskij den Platz in der möglichen Stichwahl kosten. 

An diesem Wahlkampf nehmen keine rein „prorussischen“ Kandidaten teil. Das Verhältnis zu Russland wird entweder ausgesprochen negativ oder aus der Versöhnungsperspektive sehr zurückhaltend definiert. Eine Bereitschaft, die außenpolitische Strategie Kiews zu überdenken und die Beziehungen zu Moskau zu verbessern, kommt nur indirekt zur Sprache, etwa in Form der Ablehnung der NATO-Mitgliedschaft der Ukraine. Das West-Ost-Gefälle, eine wichtige Eigenschaft der ukrainischen Wahlkämpfe in den vergangenen drei Jahrzehnten, spielt diesmal kaum eine Rolle, nicht zuletzt wegen der Teil-Konsolidierung der Gesellschaft nach 2014 und der Unfähigkeit aller Kandidaten, den Krieg im Donbass zu beenden. Die Idee der EU-Annäherung dominiert fast alternativlos.  

Die ukrainischen Umfragen sind keine zuverlässigen Quellen. Sie liefern widersprüchliche Momentaufnahmen und sind manchmal manipuliert. Trotz neuer Gesichter bleibt das wahrscheinlichste Szenario eine Stichwahl zwischen Poroschenko und Timoschenko. 

Autor*in
Dmitri Stratievski

ist promovierter Historiker, Politologe und Osteuropa-Experte.

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