Präsidentschaftswahl in Brasilien: „Lula gibt den Menschen Hoffnung“
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Im August haben Sie Chile und Brasilien besucht. Was war der Grund für diese Reise?
Südamerika stand lange nicht im Fokus deutscher Politik. Mir war es wichtig, als SPD-Vorsitzender einen Antrittsbesuch in beiden Ländern zu machen. Deutschland und auch die SPD genießen in beiden Ländern ein sehr hohes Ansehen. Wir wollen künftig noch stärker zusammenarbeiten. Lula, der Präsidentschaftskandidat unserer Schwesterpartei in Brasilien, hatte auch darum gebeten, dass die SPD ihn im Wahlkampf gegen den Rechten Bolsonaro unterstützt. Das habe ich sehr gerne getan. In Chile ist mit Gabriel Boric im Frühjahr ein sehr junger progressiver Präsident an die Macht gekommen, zum ersten Mal nach dem Ende der Militärdiktatur. Auch da war ich neugierig.
Wie haben Sie die beiden Länder erlebt?
In Chile herrscht eine wahnsinnige Aufbruchsstimmung. Die Wahl von Gabriel Boric zum Präsidenten hat in der Gesellschaft Kräfte freigesetzt. Das merkt man. Sein Kabinett ist sehr jung, eine neue Generation Politikerinnen und Politiker stehen jetzt an der Spitze des Landes.
In Brasilien sieht das noch ganz anders aus. Da hat die Armut unter der rechtsradikalen Führung von Bolsonaro deutlich zugenommen. Mir ist die extreme Polarisierung der Gesellschaft aufgefallen. Das sind wirklich zwei Lager, die sich unversöhnlich gegenüberstehen. Das war erschreckend. Das ganze Land ist in gespannter Erwartung der Präsidentschaftswahl. Sie wird darüber entscheiden, in welche Richtung sich Brasilien bewegt. Was mich sowohl in Brasilien als auch in Chile schockiert hat, ist, wie vernetzt die internationale Rechte in beiden Ländern ist.
Inwiefern?
Sowohl in Chile als auch in Brasilien ist mir berichtet worden, dass die AfD schon da war. Steve Bannon, der ehemalige Chef-Ideologe von Donald Trump, ist ebenfalls aktiv vor Ort. Dann gibt es Verbindungen zu Putin, der mit seinen Troll-Armeen dem Anschein nach Einfluss auf den Präsidentschaftswahlkampf in Brasilien nehmen will. Das ist schon alles sehr erschreckend. Mein Anspruch ist, dass wir eine Vernetzung auch unter linken Kräften weltweit hinbekommen, um unsere Ziele durchzusetzen.
Welche Rolle spielen Chile und Brasilien für Deutschland?
Eine große. In beiden Ländern habe ich sehr intensiv über eine Energiepartnerschaft gesprochen. Bei der Produktion von grünem Wasserstoff und Erneuerbaren Energien sind Chile und Brasilien sehr weit. Eine Partnerschaft würde beiden Seiten nutzen. Lula hat zudem angekündigt, als brasilianischer Präsident seine Pläne zur Reform der Vereinten Nationen wiederaufzunehmen. Deutschland war da immer ein enger Partner. In beiden Ländern schauen die progressiven Kräfte auf uns und sagen: Wir wollen euch gern als festen Partner.
Welche Erwartungen hat Lula an die SPD?
Lula setzt große Stücke auf die SPD, hat mit einigen aus unseren Reihen, wie etwa Martin Schulz, auch sehr engen Kontakt. Wenn er hoffentlich im Oktober zum Präsidenten gewählt wird, würde er sich sehr freuen, wenn deutsche Politiker zur Amtseinführung nach Brasilien reisen. Für die Wahl selbst hat Lula darum gebeten, dass die SPD Abgeordnete schickt, die die Rechtmäßigkeit beobachten. Dem werden wir gerne nachkommen.
Bolsonaro pflegt enge Beziehungen zu Russland und Putin. Wie will Lula sich da positionieren?
Lula ist Demokrat. Er verurteilt den Krieg in der Ukraine und das Vorgehen von Putin, auch wenn er die Sanktionen gegen Russland selbst kritisch sieht auf Grund der Sorge vor Lebensmittelknappheit. Aber es ist klar, auf welcher Seite er in dieser Frage steht. Lula will Brasilien international wieder stark aufstellen und vernetzen, sollte er die Wahl gewinnen. Unter Bolsonaro hat sich Brasilien international isoliert. Auch beim Klimaschutz soll das Land künftig wieder eine viel stärkere Rolle spielen.
Lulas wichtigste Aufgabe als Präsident wird vermutlich sein, das tief gespaltene Brasilien wieder zu einen. Hat er da bereits Ideen?
Ich habe während meiner gesamten Reise gemerkt, wieviel Hoffnung Lula den Menschen gibt. Das war bei allen Treffen, die ich hatte, präsent. In Brasilien herrscht aktuell eine große Angst, dass man mit Repressionen rechnen muss, wenn man sich politisch „falsch“ äußert, oder sogar mit dem Tod bedroht wird. Lula will das Land zusammenführen, nicht spalten.
Auf der anderen Seite hat Bolsonaro bereits erklärt, dass er das Wahlergebnis nicht anerkennen wird, wenn er verliert. Steht Brasilien dann ein Bürgerkrieg bevor?
Das hoffe ich nicht! Die Angst ist aber groß, dass es gerade zwischen dem ersten und dem zweiten Wahlgang zu gewaltsamen Auseinandersetzungen kommen könnte. Ich hoffe, dass Lula bereits im ersten Wahlgang genug Stimmen auf sich vereinen kann, damit ein zweiter Wahlgang nicht mehr nötig wird.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.