Manchmal links, manchmal rechts - das Profil der ersten Präsidentin Costa Ricas lässt sich am besten in der Mitte verorten. Genau das hat ihr den Sieg gebracht, schon im ersten Wahlgang
erreichte die 50-Jährige Spitzenkandidatin der liberal-sozialdemokratischen Partei Nationale Befreiung (PLN) die notwendige Mehrheit von 47 Prozent der Stimmen.
Ihre beiden Konkurrenten erhielten jeweils nicht einmal halb so viele Stimmen, so Ottón Solis von der Partei Bürgeraktion (PAC) nur etwa 24,4 Prozent und Otto Guevara von der Partei
Liberale Bewegung (PML) nur knapp 21 Prozent. Sie hatten sich zum dritten Mal um das Amt beworben, wieder ohne Erfolg, während Chinchilla zum ersten Mal ins Rennen ging und gewann.
"Costa Rica ist frei von ideologischen Grabenkämpfen," sagt Kevin Casas-Zamora, ehemaliger Vize-Präsident und Wissenschaftler am Brookings Institut in Washington, "die Politik ist nicht
durch das Links-Rechts-Schema zu erklären."
Ehrgeizige Ziele für das kommende Jahrzehnt
Die studierte Politikwissenschaftlerin stammt aus der regierenden Partei von Óscar Arias, die einerseits auf die Liberalisierung der Wirtschaft, eine Freihandelszone mit den Vereinigten
Staaten von Amerika und der Europäischen Union sowie die Verschärfung des Kampfes gegen den Handel mit Kokain setzt, andererseits die Ausgaben für Bildung konstant erhöht, den Mittelstand fördert
und bis 2021 danach strebt, der erste Staat der Welt zu sein, der das aktuelle globale CO2-Gleichgewicht nicht belastet.
"Weder nach rechts, noch nach links, Costa Rica muss nach vorne gehen," lautete der Slogan Chinchillas im Wahlkampf. Seit 1990 arbeitete sie in verschiedenen internationalen Organisationen,
darunter der Weltbank und den Vereinten Nationen. Als Ministerin für öffentliche Sicherheit (1996-1998) setzte sie die wichtigste Polizeireform in Costa Rica durch und ließ so viel Kokain
beschlagnahmen wie noch nie in der Geschichte des Landes zuvor. Zuletzt war sie Vize-Präsidentin und leitete das Justizressort.
Freier und fairer Urnengang nach langweiligem Wahlkampf
"Sie ist sehr gut vorbereitet," sagt Constantino Urcuyo von der Universität Costa Rica, "zu Hause regieren bei uns zwar meist noch die Männer, in der Politik allerdings sind die Frauen
angekommen."
Während im benachbarten Honduras der umstrittene Porfirio Lobo nach einem umstrittenen Putsch und noch umstritteneren Wahlen zum neuen Präsidenten vereidigt wurde, verliefen die Wahlen in
Costa Rica frei und fair. Rund 200 internationale Beobachter überwachten die Abstimmung und hatten keine Einwände. Und auch die Regionalmacht Venezuela konnte das Land mit ihrem "Sozialismus des
21. Jahrhunderts" nicht polarisieren, Costa Ricas Wahlkampf verlief eher langweilig.
Zwar lebt jeder fünfte Einwohner noch in Armut, im lateinamerikanischen Durchschnitt ist es jedoch jeder zweite. In dem knapp fünf Millionen Einwohner zählenden Land gehen Jugendliche im
Schnitt zehn Jahre zur Schule, während es im Rest Lateinamerikas nur sechs Jahre sind. Das hohe Bildungsniveau und die politische Stabilität haben zahlreiche Unternehmen angezogen und für eine
breite Mittelschicht gesorgt
Leichter Rechtsruck im Parlament
Die Wahlbeteiligung lag mit etwa 70 Prozent höher als vor vier Jahren. Während sie bei den Präsidentschaftswahlen klar gewann, blieb Chinchillas Partei im Parlament die Mehrheit verwehrt.
Sie wird nur 23 der 57 Abgeordneten stellen können und einen Koalitionspartner suchen müssen. Insgesamt ist die costaricanische Legislative dabei ein wenig mehr nach rechts gerückt. Otto Guevaras
Partei Befreiungsbewegung kann drei Sitze mehr verbuchen, die ehemalige Regierungspartei Christosoziale Union (PUSC) einen Abgeordneten mehr als in der vergangenen Legislaturperiode stellen. Die
Partei Bürgeraktion von Ottón Solis hingegen schrumpft von 17 auf 12 Sitze.
"Die Menschen wählen zunehmende pragmatisch," sagt Kevin Casas-Zamora vom Brookings Institut in Washington, "da geht es nicht mehr darum, wer Traditionen pflegt."
Die größten Herausforderungen der neuen Präsidentin werden weiterhin die Schaffung von qualitativ hochwertigen Arbeitsplätzen, die Bekämpfung des Drogentransits aus Kolumbien in die
Vereinigten Staaten von Amerika und die Folgen der globalen Finanzkrise sein. Im vergangenen Jahr stieg die Erwerbslosenquote von 4,6 auf 6,4 Prozent, in den Bereichen Textil, Bau und Tourismus
gab es massive Entlassungen.
Chinchilla ist die fünfte Frau an der Spitze eines lateinamerikanischen Landes. Ihre beiden Mitbewerber um das höchste Amt im Staate haben ihre Niederlage eingeräumt und versprochen,
konstruktive Oppositionsarbeit leisten zu wollen. Costa-Rica kann den anderen zentralamerikanischen Staaten ein gutes Beispiel sein. Am 8. Mai wird Chinchilla in ihr Amt eingeführt.
arbeitet als freier Autor mit Schwerpunkt Afrika, Lateinamerika und Naher Osten.