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Portugal: Drei Gründe für den großen Wahlsieg der Sozialist*innen

Bei der Parlamentswahl in Portugal am Sonntag hat Ministerpräsident António Costa die absolute Mehrheit geholt. Für den Erfolg der sozialistischen Partei gibt es drei wesentliche Gründe.
von Fabian Schmiedel · 3. Februar 2022
Portugals Ministerpräsident António Costa ist beliebt und erfolgreich, wie das Ergebnis der Parlamentswahl zeigte.
Portugals Ministerpräsident António Costa ist beliebt und erfolgreich, wie das Ergebnis der Parlamentswahl zeigte.

Die Genoss*innen der Sozialistischen Partei (Partido Socialista, PS) rieben sich am vergangenen Sonntag selbst die Augen, als sie das fulminante Wahlergebnis im Fernsehen sahen: 41,6 Prozent und damit die absolute Mehrheit von 117 Sitzen im portugiesischen Parlament! Was für eine Überraschung! Was haben António Costa und seine Sozialist*innen also richtig gemacht?

In den Umfragen, nur wenige Tage vor der Wahl lag António Costa nur knapp vor seinem Herausforderer Rui Rio von der PSD (Partido Socialista Demócrata, PSD; die Sozialdemokratische Partei Portugals ist im Kontrast zu ihrem Namen die liberal-konservative Volkspartei). Sicherlich haben die knappen Vorhersagen einige Wähler*innen mobilisiert – die Wahlbeteiligung stieg immerhin um 10 Prozentpunkte! Diese Erklärung reicht jedoch nicht aus. Drei Gründe können den Erfolg Costas besser erklären:

Grund 1: Costas sozialpolitische Wahlversprechen waren glaubwürdig.

António Costa hat nicht nur im Wahlkampf, sondern auch in den Jahren zuvor konsequent und glaubwürdig auf soziale Themen gesetzt. Im Jahr 2015, als er mit einer Minderheitsregierung ins Amt gekommen ist, beschloss Costa beispielsweise, den Mindestlohn zu erhöhen. Und das ausgerechnet inmitten der Finanzkrise, als internationale Analyst*innen danach schrien, die Stückkosten in Portugal zu senken, um wettbewerbsfähig zu bleiben! Doch siehe da: Geschadet hat dies der portugiesischen Wirtschaft nicht. Die Arbeitslosigkeit hat sich zwischen 2015 und 2019 halbiert, das Wirtschaftswachstum war stabil und den Haushalt konnten die Sozialist*innen auch konsolidieren.

Unter Costas Regierung wurde der Mindestlohn regelmäßig erhöht. Lag er bei Costas Amtsantritt im Jahr 2015 noch bei 485 Euro, beträgt er seit diesem Januar stolze 705 Euro. Als Costa im Wahlkampf immer wieder versprach, an einer stufenweise Erhöhung des Mindestlohns bis auf 900 Euro im Jahr 2026 festzuhalten, klang er schlicht und ergreifend glaubwürdig – ganz im Gegensatz zu seinen Gegenspieler*innen. Rui Rio, Parteichef der PSD beispielsweise, hatte sich im Jahr 2020 noch gegen eine Erhöhung des Mindestlohns ausgesprochen. Da Costa im Wahlkampf Druck machte, änderten die Liberal-Konservativen ihre Position: „Erhöhung des Mindestlohns ja, aber Portugal sollte ihn besser an die wirtschaftliche Entwicklung anpassen“, sagte Rio sinngemäß in einem der TV-Duelle. Costa trieb die PSD vor sich her.

Auch bei weiteren Themen wie der Gesundheits- und Bildungspolitik hat Costa immer wieder betont: Der Staat und die öffentliche Hand müssen Bildung und Gesundheit für alle sicherstellen – diese Forderung der PS stand im Kontrast zu den Forderungen der konservativen und liberalen Parteien, die ausgerechnet in der Pandemie mehr private Initiativen in diesen Bereichen forderten. Costa trieb den Herausforderer Rio (PSD) auch bei diesen Themen vor sich her, indem er in der letzten TV-Debatte zwischen den beiden an einen gewagten PSD-Vorschlag zur Verfassungsänderung erinnerte. Anstatt des Satzes „Die Gesundheitsversorgung sollte tendenziell kostenlos sein“ sollte laut Rio (PSD) dort nämlich stehen: „Niemand darf aus finanziellen Gründen von der Gesundheitsversorgung ausgeschlossen werden“. Wie auch schon bei der Frage nach dem Mindestlohn, mussten sich Rio und die PSD hier öffentlichkeitswirksam mehrmals erklären.

Grund 2: Die Schwäche der anderen Linksparteien

Die Neuwahlen fanden statt, weil der Linksblock (Bloco Esquerdo, BE) und die Kommunistische Partei (Partido Communista Português, PCP) im vergangenen Herbst gegen Costas Minderheitsregierung revoltierten. Als im Parlament der Haushalt verabschiedet werden sollte, entzogen sie der Minderheitsregierung Costas überraschend das Vertrauen und stimmten mit „Não“. Deshalb kam es überhaupt zur Ausrufung dieser Neuwahlen. Dieses Drama im Parlament haben sich die Portugies*innen gemerkt: Linksblock und Kommunistische Partei wurden abgestraft und verloren mehr als die Hälfte ihrer Sitze, zugunsten der Sozialistischen Partei.

Grund 3: Die Genoss*innen standen geschlossen hinter Costa.

Costa hat intern nur sehr weniger Kritiker*innen seines Kurses, und die haben im Wahlkampf geschwiegen und sich hinter Costa gestellt. Das tat der PS gut: In Krisenzeiten gibt man einem vertrauensvollen Ministerpräsidenten einer in sich harmonischen Partei doch gerne mal eine Stimme!

Wenngleich der Erfolg der Sozialist*innen hocherfreulich ist, hat die Wahl doch einen faden Beigeschmack: Die rechtsnationale Partei CHEGA (auf Deutsch: Es reicht!) konnte absolut die meisten Sitze dazugewinnen. Anstatt wie bisher mit nur einem Abgeordneten, ist sie nun mit einer 12-köpfigen Fraktion im Parlament vertreten.

Fader Beigeschmack: Zugewinn der Rechten

Das Erschreckende: Diee Rechtsnationalist*innen haben in ganz Portugal Stimmen geholt, also auch in Städten wie Lissabon oder Coimbra. Um CHEGA die Stirn zu bieten, muss António Costa also das sehr gute Wahlergebnis nutzen, um seine erfolgreiche Sozialpolitik voranzutreiben, den Lebensstandard weiterhin zu verbessern und gleichzeitig trotz absoluter Mehrheit im Parlament bürger*innenah bleiben.

Sein Optimismus stimmt Portugal positiv. Frei nach dem PS-Wahlkampfmotto: Juntos seguimos e conseguimos – Gemeinsam machen wir weiter und schaffen das!

Autor*in
Fabian Schmiedel

ist Projektkoordinator im Büro der Friedrich-Ebert-Stiftung in Lissabon.

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