Polis Paper: Wie junge Menschen die OSZE reformieren wollen
2015 feierte die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) ihren 40. Geburtstag – die große Party für die 1975 als Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa geborene Institution blieb aber aus. Irgendwann zwischen Ende des Kalten Krieges und dem letzten ergebnislosen Gipfeltreffen 2010 ist die OSZE in der Bedeutungslosigkeit versunken.
Die OSZE nutzt ihr Potential nicht
Polis180, ein junger Think Tank für Außen- und Sicherheitspolitik, will das ändern. Gegründet im Sommer 2015 in Berlin, hat Polis180 nun sein erstes Paper veröffentlicht: „Dialogue, Consensus, Comprehensive Security, Field Action – Why the OSCE Needs a New Impetus Now“. Anlass ist der deutsche OSZE-Vorsitz 2016, der zweite Vorsitz nach 1991. Die weltpolitische Lage hat sich seitdem nicht entspannt, neue und alte Konfliktherde in Osteuropa und im Kaukasus sind entflammt. Und die OSZE? Die nutzt ihr Potential nicht, sagen vier junge Expertinnen und Experten im Polis Paper. Sie haben eine umfangreiche Liste mit Reformvorschlägen erarbeitet, die sich nicht nur an den deutschen OSZE-Vorsitz richten, sondern an alle zukünftigen Vorsitz-Länder. Unterstützt wurde das Ganze vom Auswärtigen Amt – dort freute man sich über das Interesse junger Menschen an einer ehrwürdigen Organisation wie der OSZE.
Diana Klie, OSZE-Projektleiterin von Polis180, sagt über das Paper: „Uns alle hat der Gedanke vereint, dass wir die OSZE immer noch wichtig finden.“ Tatsächlich hat die OSZE im Gefüge der internationalen Organisationen eine Sonderstellung, denn sie bietet ihren 57 Teilnehmer-Ländern eine Plattform für konstruktiven Dialog zu verschiedenen Themen, agiert als Mediator. In den letzten Jahren allerdings, so schreiben die Autorinnen und Autoren im Polis Paper, sei gerade der Sicherheitsdialog der OSZE durch die größere Rolle von EU und NATO in den Hintergrund gerückt. Die OSZE sei geschwächt, ihr Handlungspotential eingeschränkt.
Handlungsbedarf auf vier Feldern
Die Polis-Expertinnen und Experten Nadja Douglas, Anastasia Rybachenko, Martin Schmid sowie Raphaël Bez vom Schweizer Forum Außenpolitik (foraus) sehen deshalb Handlungsbedarf auf vier Feldern:
- Verbesserte Kooperation zwischen der OSZE und anderen Organisationen
- Vertrauensbildende Maßnahmen konkret machen
- Dialog zu reaktivieren
- Die Anwesenheit der OSZE in Osteuropa und im Süd-Kaukasus stärken
Zu den konkreten Vorschlägen gehört u.a. die Verlängerung des Vorsitz-Turnus auf zwei Jahre sowie die stärkere Einbindung der Zivilgesellschaft. Ihre Handlungsempfehlungen haben die Polis-Autorinnen und Autoren bereits dem OSZE-Arbeitsstabs des Auswärtigen Amts präsentiert. „Die Reaktionen waren recht positiv“, stellt Diana Klie fest. Sie lacht: „Aber natürlich hatte man da auch das Bedürfnis, uns ein bisschen auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen.“ Dass manche der Polis-Vorschläge schwierig umzusetzen sein dürften, ist Klie durchaus bewusst: „Uns war wichtig, eine Vision zu haben. Wir wollten uns nicht nur auf die aktuelle Situation konzentrieren oder uns nach politischen Trends richten.“
OSZE: Mittler zwischen Ost und West
Polis Paper-Autorin Nadja Douglas ist momentan auf OSZE-Mission in Moldawien und beschäftigt sich in ihrem Artikel mit vertrauensbildenden Maßnahmen. Sie fasst zusammen: „Für uns ist klar, dass die OSZE wieder stärker wahrgenommen werden und ein Mittler zwischen Ost und West sein muss. Gerade in Zeiten, in denen höchstes Misstrauen herrscht.“
Ein verspätetes Geburtstagsgeschenk gab es für die OSZE übrigens auch noch: Polis180 hat einen Clip gedreht, Titel „Why should you care about the OSCE?“ Die ganz große Party ist das nicht – aber dafür hätte die OSZE jetzt wahrscheinlich sowieso keine Zeit. Schließlich gibt es da eine Liste mit Maßnahmen, die es anzuschauen und umzusetzen gilt.
Das Polis Paper „Dialogue, Consensus, Comprehensive Security, Field Action – Why the OSCE Needs a New Impetus Now“ kann hier heruntergeladen werden.
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