Am Freitag beginnt die Fußball-Europameisterschaft. Gastgeber Polen ist im Fußballfieber und hofft auf einen Wirtschaftsboom. Das Projekt Heim-EM hat aber auch Schattenseiten: Den Bau des Warschauer EM-Stadions haben zwei Menschen mit ihrem Leben bezahlt.
Unsere Nachbarn in Polen fiebern dem Fußballfest in ihrem Land entgegen. Mit Robert Lewandowski, Jakub Błaszczykowski und Łukasz Piszczek stehen gleich drei Dortmunder Meister-Spieler in der Startelf der polnischen Nationalmannschaft. Am Freitag werden sie im neuen Warschauer Nationalstadion zum Eröffnungsspiel gegen Griechenland antreten. Die Chancen für das Team der Gastgeber stehen dabei gar nicht schlecht. Das schürt die Fußballfreude weiter: „Langsam kommen wir auf Betriebstemperatur. Alle machen sich Gedanken über die Nationalmannschaft: Wer wird spielen? Wie werden sie sich unsere Jungs schlagen? Fußball ist derzeit das Thema hier in Polen,“ sagt Andrzej Szarmach, ehemaliger polnischer Nationalspieler.
900 Millionen Euro für Fußballarenen
Wie sollte es auch anders sein? Schließlich bereiten sich die Ukraine und Polen bereits seit der Vergabe der EM 2008 intensiv auf dieses sportliche Großereignis vor. Allein in Polen wurden für insgesamt rund 900 Millionen Euro innerhalb von nur vier Jahren drei Stadien in Warschau, Danzig und Breslau neu gebaut und das Stadium in Posen komplett renoviert. Trotz etlicher Verzögerungen ist es schließlich gelungen, alle Spielstätten rechtzeitig fertig zu stellen. Über 200.000 Fußballfans finden in diesen Arenen jetzt Platz. Auch in Verkehr- und Infrastruktur haben die Polen kräftig investiert, was sich langfristig wahrscheinlich sehr positiv auf die polnische Wirtschaft auswirken wird. Der polnische Sport- und Tourismusminister Adam Giersz geht sogar davon aus, dass die polnische Wirtschaft durch das Großereignis bis zu 7 Milliarden Euro einnehmen wird.
Schlechte Arbeitsbedingungen
Doch der Boom hat auch seine Schattenseiten. Oft berichtet die polnische Presse in den letzten Jahren über schlechte Arbeitssituation im Zusammenhang mit dem Stadienbau. Bereits vor Baubeginn riefen die beiden großen polnischen Gewerkschaften, die Gewerkschaft der Beschäftigten am Bau (ZZ „Budowlani“ ) und die Solidarność , eine internationale Kampagne für gerechte Arbeitsbedingungen ins Leben. Und trotzdem: Immer wieder kam es zu ausbleibenden oder verspäteten Gehaltszahlungen. Beim Stadien-Bau in Warschau ereigneten sich zwei tödliche Unfälle, die die Gewerkschaften auf mangelnde technische Ausrüstung aber auch auf Zeitdruck und ungenügende Schulungen der Bauarbeiter zurückführten.
Großunternehmen ohne Verantwortung
Als Hauptproblem entpuppt sich die lange Kette der beauftragten Subunternehmer. Verantwortlich für den Bau der drei Stadien in Danzig, Breslau und Pozen waren österreichische und deutsche Großfirmen. Lediglich das neue Stadium in Warschau war ein polnisch-österreichisches Gemeinschaftsprojekt. Diese Großunternehmen wiederum lagerten viele Arbeitsschritte auf kleinere Subunternehmen aus. Sie verschoben damit die Verantwortung für ausbleibende Gehälter und mangelnde Sicherheit so weit, dass am Ende kein Verantwortlicher mehr auszumachen war. Die Gewerkschaften fordern deshalb zu Recht eine stärkere internationale Zusammenarbeit in der Bauindustrie. Dabei setzen sie auch die Politik unter Druck, sich für standardisierte Vorschriften für Arbeitssicherheit und –organisation in Europa einzusetzen.
Heute wollen die Polen nicht mehr an all die Widrigkeiten der vergangenen Jahre denken: Die Hotels in den Spielstätten sind gut belegt. In allen großen Städten wurden Fanzonen eingerichtet, auf denen die Fußballbegeisterten auch außerhalb der Stadien die Spiele verfolgen können. Polen ist bereit für einen Sommer voll Fußballzauber.