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Panzer in die Ukraine: Warum Deutschland nicht zur Konfliktpartei wird

Deutschland liefert Marder-Schützenpanzer an die Ukraine. Nach dem Völkerrecht wird es dadurch nicht selbst zur Konfliktpartei und dürfte deshalb von Russland nicht militärisch angegriffen werden. Nur ein Umstand könnte das ändern.
von Christian Rath · 2. März 2022
Bundeskanzler Olaf Scholz bei einem Truppenbesuch 2022: Schützenpanzer vom Typ „Marder“ sollen bald an die Ukraine geliefert werden.
Bundeskanzler Olaf Scholz bei einem Truppenbesuch 2022: Schützenpanzer vom Typ „Marder“ sollen bald an die Ukraine geliefert werden.

Warum ist es wichtig, wer Konfliktpartei ist?

Wenn es nicht gelungen ist, den Frieden zu wahren, gilt das internationale Kriegsrecht mit seinen besonderen Regeln. Soldat*innen dürfen Soldat*innen der Gegenseite töten und militärische Ziele vernichten. Wer den Krieg angefangen hat und ob die Gewalt gerechtfertigt ist, spielt hierbei keine Rolle. Umgekehrt sind die Soldat*innen und militärischen Einrichtungen aller Konfliktparteiten legitime Ziele. Wenn die USA Truppen in die Ukraine schicken, würden die gesamte USA zum Kriegsgebiet, das Russland mit Raketen angreifen könnte.

Wer ist Konfliktpartei?

Bis 1945 war der Krieg völkerrechtlich als Mittel der Politik anerkannt und nicht generell geächtet. Damals galt die Regel, dass man entweder neutral ist oder Konfliktpartei. Wer damals Waffen lieferte oder den Durchmarsch von Truppen erlaubte, war deshalb schon Konfliktpartei und durfte angegriffen werden. Mit der UN-Charta von 1945 änderte sich das Völkerrecht fundamental. Jetzt gilt ein generelles Gewaltverbot zwischen den Staaten. Der Einsatz von Gewalt ist nur in wenigen Ausnahmefällen erlaubt, etwa zur Selbstverteidigung gegen einen Angriff. Um Kriege möglichst zu vermeiden, ist die Hürde für die Einstufung eines Staates als Konfliktparteie heute deutlich höher. Im einzelnen ist aber wenig geregelt und viel umstritten.

Machen Waffenlieferungen einen Staat zur Konfliktpartei?

Wer der Ukraine Waffen liefert, wird nach westlicher Ansicht dadurch noch nicht zur Konfliktpartei. Auf die Art der Waffen und die Art des Einsatzes durch die Ukraine komme es dabei nicht an. Konfliktpartei würde Deutschland nur, wenn es zum Beispiel Flugzeuge mit Bundeswehr-Piloten zur Verfügung stellt oder Panzer mit Bundeswehr-Besatzung. 

Machen Wirtschaftssanktionen einen Staat zur Konfliktpartei?

Nein. Die Sanktionen der EU, die sich insbesondere gegen das russische Finanzsystem richten, sind keine militärischen Kampfhandlungen. Die EU verhält sich dabei zwar nicht neutral, aber wird noch nicht zur militärischen Konfliktpartei. Neutralität ist völkerrechtlich kein Wert an sich, vor allem wenn ein Staat wie die Ukraine von Russland völkerrechtswidrig angegriffen wird. Gegen westliche Wirtschaftssanktionen kann sich Russland allerdings mit eigenen Wirtschaftssanktionen wehren. 

Wird Deutschland zur Konfliktpartei, wenn Deutsche in der Ukraine kämpfen?

Nein. Die freiwillige Teilnahme von deutschen Staatsbürger*innen an den Kämpfen in der Ukraine macht Deutschland nicht zur Konfliktpartei. Auch deutsche Söldner*innen, die auf private Rechnung kämpfen, würden daran nichts ändern. Nur wenn Deutsche im Auftrag und unter Befehl der Bundesregierung oder der Bundeswehr an Kämpfen teilnehmen, wird dadurch auch Deutschland in den Krieg hineingezogen. 

Ist Deutschland derzeit also sicher vor militärischer Vergeltung?

Wenn sich Russland an den Theorien von westlichen Völkerrechtler*innen orientieren würde, wären militärische Schläge gegen Deutschland und die EU-Staaten bis auf weiteres ausgeschlossen. Wladimir Putin hat aber gezeigt, dass er im Zweifel das Völkerrecht so interpretiert, wie es ihm nutzt und sich notfalls sogar die Wirklichkeit zurecht biegt.

Der Text wurde am 2. März 2022 veröffentlicht und am 7. Januar 2023 aktualisiert.

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