Olaf Scholz in Paris: Wie steht Frankreich zur Ampel?
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Da ist zunächst einmal das enorme Tempo der Regierungsbildung. Zwar sind Koalitionen unterschiedlicher Parteien im französischen System schlicht nicht vorgesehen und von daher schwer nachvollziehbar, aber dass eine Regierungsbildung in nur acht Wochen richtig schnell ist – und noch dazu völlig geräuschlos abläuft – das hat man in Frankreich wahrgenommen. Erleichterung und Respekt sind der vorherrschende Eindruck, nicht nur in der politischen Klasse.
Das gilt im Übrigen auch für die Art und Weise der Amtsübergabe. Zivilisiert und demokratisch, und ohne dass irgendwo der Eindruck aufkäme, in Hinterzimmern würden eilig Akten geschreddert, um mehr oder weniger dunkle Geheimnisse zu wahren. Ordentlich deutsch – denkt man in Frankreich – aber in dieser Welt eben beileibe nicht selbstverständlich.
Zemmour, Le Pen und Mélenchon schüren antideutsche Ressentiments
Selbstverständlicher findet die große Mehrheit dagegen, dass der erste Weg des neuen Kanzlers und der Außenministerin nach Paris führte. Wohin auch sonst, denken die Menschen hierzulande. Einerseits. Denn andererseits bedarf es der dauernden Bestätigung des besonderen Verhältnisses der beiden Staaten. Europa, das ist in Frankreich zuallererst und vor allen Dingen enge Abstimmung und gute Zusammenarbeit mit Deutschland.
Olaf Scholz tut gut daran, diese Einstellung nach Kräften zu stärken. Denn die rechtsradikalen Nationalisten von Marine Le Pen bis Eric Zemmour schüren in trauter Gemeinsamkeit mit der Pseudolinken um Jean-Luc Mélenchon antieuropäische und antideutsche Ressentiments. Zemmour erklärt seinen Anhänger*innen und der Nation landauf landab, dass die NATO nur dem einen Zweck diene, die US-amerikanische Vorherrschaft in der Welt zu sichern, während die EU ausschließlich die wirtschaftliche Übermacht Deutschlands über Europa absichere.
Scholz ist für Macron der richtige Mann zur richtigen Zeit
Und bei einem Teil der Bevölkerung verfangen solche Polemiken durchaus, so wie andererseits in Deutschland der Mythos nicht auszurotten ist, das Gros der Europäer*innen wolle nur ans deutsche Geld.
Und damit zu wirklichen Inhalten: Es ist gut und angemessen, dass im Koalitionsertrag der Ampel das Kapitel Europapolitik das mit Abstand umfangreichste ist. Das entspricht der objektiven Bedeutung und das deckt sich mit der strategischen Ansicht von Präsident Macron, dessen Politik auf der festen Erkenntnis aufbaut, dass kein europäisches Land für sich allein genommen auch nur entfernt die Kraft hätte, im Konzert der Weltmächte eine entscheidende Rolle einzunehmen.
Das genau aber will Macron wieder erreichen: Er will die Rolle der EU in der Weltpolitik stärken und sich selbst dabei als Führungsfigur und entschlossener Erneuerer präsentieren. Und dafür braucht es Deutschland und eine tunlichst gute Zusammenarbeit der beiden Regierungen östlich und westlich des Rheins. Olaf Scholz ist deshalb in den Augen des Elysée Palastes und auch der breiten Öffentlichkeit der richtige Mann zur richtigen Zeit.
Scholz sollte auf Frankreich zugehen
Niemand hat vergessen, wie lange Macron nach seinem Amtsantritt auf eine Antwort Merkels auf seine programmatische Rede zu Europa in der Sorbonne hat warten müssen. Um genau zu sein, steht diese Antwort bis heute aus, wartet Macron – um im Bild zu bleiben – noch immer mit ausgestreckter Hand darauf. Wobei, er wartet eigentlich nicht mehr, sondern versucht statt dessen selbst voranzugehen.
Und geradeweil es zurzeit sowohl in der Bewertung der Atomtechnologie als auch bei der europäischen Finanzpolitik grundsätzliche Differenzen gibt, sind enger und freundschaftlicher Austausch umso wichtiger.
Scholz tut auch deshalb gut daran, auf Frankreich zuzugehen, weil sich das politische Klima deutlich nach rechts verschiebt und auch Macron um seiner Wiederwahl im kommenden Jahr willen erkennbar offener für nationalistische Töne wird. Stichworte sind europäische Grenzsicherung, Migrationspolitik oder die Konflikte mit Großbritannien in Folge des Brexit. Und weil an nationalistischen Quertreibern derzeit in Europa kein Mangel besteht, ist es im deutschen Interesse, die Gemeinsamkeiten zu betonen und voranzutreiben.
Soll auch keiner befürchten, ein deutscher Kanzler müsse sich französischen Hegemonie-Ansprüchen unterordnen – wie das in konservativen Kreisen so gerne mal formuliert wird. Da ist zum einen die Kraft der deutschen Wirtschaft und zum zweiten muss niemand Olaf Scholz erklären, wie das Geschäft funktioniert.