Mehr als 30.000 neue Truppen will der amerikanische Präsident Barack Obama ab Januar kommenden Jahres nach Afghanistan entsenden. Von seinen NATO-Partnern erwartet er weitere 10.000 Mann. Sein Ziel ist es, endlich eine Wende im Kampf gegen al-Quaida und die Taliban herbeizuführen und den Afghanen ein stabiles Land übergeben zu können.
Taliban erstarken, afghanische Bevölkerung verliert Vertrauen
Vor Kadetten der Westpoint-Militärakademie erörterte Obama in einer halbstündigen Rede seine Ziele, Strategien und Pläne. Dabei betonte er, dass die USA "nicht um diesen Krieg gebeten haben."
Repräsentantenhaus und Senat, Amerikaner aller politischen Parteien, NATO und UNO hätten jedoch geschlossen für einen Kampf gegen die Urheber des 11. September gestimmt. "Unter dem Banner innerer
Geschlossenheit und internationaler Legitimität - und als die Taliban sich weigerten, Osama bin Laden auszuliefern - entsandten wir unsere Truppen nach Afghanistan," so der Präsident.
Lange hatten die kriegsmüden Amerikaner, der Kommandeur der Streitkräfte in Afghanistan, General Stanley McChrystal, und seine Truppen aber auch die Bündnis-Partner und die Afghanen selbst
auf eine Stellungnahme Obamas gewartet. Denn die Lage in dem zentralasiatischen Land hat sich zuletzt stets verschlechtert. Die Taliban erstarken, die afghanische Bevölkerung verliert zunehmend
an Vertrauen in die internationalen Bemühungen aber auch den eigenen - wegen massiver Wahlmanipulation - unbeliebten Präsidenten. Nun endlich übernahm Obama den von seinem Vorgänger George W.
Bush vor acht Jahren begonnenen Krieg und stellte seine Strategie vor.
Letzter Kraftakt: 30000 neue Truppen
"Ich habe beschlossen, dass es in unserem vitalen nationalen Interesse ist, weitere 30.000 Truppen nach Afghanistan zu schicken," so Obama, "diese Ressourcen brauchen wir, um wieder die
Initiative zu übernehmen und die afghanischen Kapazitäten so auszubauen, dass der allmählichen Abzug unserer Kräfte möglich wird."
Gegen einen letzten großen Kraftakt verspricht Obama seiner Bevölkerung bereits in achtzehn Monaten mit dem Abzug der Truppen beginnen zu wollen. Die Ausbildung afghanischer
Sicherheitskräfte, also Armee und Polizei, soll ausgebaut und beschleunigt werden, um dies zu ermöglichen. Nach dem Vorbild des Abzugs aus dem Irak verkündete Obama einen klaren Zeitrahmen für
das amerikanische Afghanistan-Engagement und die Festlegung von überprüfbaren Zwischenzielen für die afghanische Regierung fest.
Dabei wandte er sich auch an seine Gegner. "Viele sind gegen einen klaren Zeitrahmen für die Übergabe der Verantwortung an die Afghanen," sagte Obama, "ich aber bin dafür, denn wir müssen uns klare Ziele stecken, die erreichbar und deren Kosten tragbar sind. Des Weiteren würden uns ohne einen klaren Übergabeplan die Druckmittel gegenüber der afghanischen Regierung fehlen." Von den hehren Zielen seines Vorgängers George W. Bush verabschiedete sich Obama, der den Sieg gegen die Taliban und die Übergabe eines stabilen Landes als wichtigstes Ziel hervorhob.
Obama: Wollen nicht das Land besetzen, sondern ein Ende des Krieges
Auf die umstrittene Wiederwahl des afghanischen Präsidenten Harmid Karzai ging er dabei ebenso wenig ein wie auf dessen schlechte Amtsführung, Korruptionsprobleme und die Zusammenarbeit mit
ehemaligen Warlords. Statt dessen knüpfte er an die Rede Karzais bei seinem zweiten Amtsantritt an. "Präsident Karzais Vereidigungsrede sendet die richtigen Signale aus, weil sie einen neuen Kurs
verspricht," sagte Obama und betonte, "wir werden ganz klar sagen, was wir von denjenigen erwarten, denen wir helfen." Dazu zählte er den Kampf gegen die Korruption und die Verbesserung der Lage
für die Einwohner des Landes. "Ich möchte dem afghanischen Volk sagen, dass wir ein Ende dieses Krieges und des Elends wollen," sagte er, "und dass wir kein Interesse daran haben, ihr Land zu
besetzen."
Auch die Zusammenarbeit mit Pakistan, das an seiner Grenze zu Afghanistan zu einem Rückzugsort für al-Quaida geworden ist und über Atomwaffen verfügt, soll verbessert werden. Dabei betonte
Obama, dass es sich bei dem Krieg in Afghanistan nicht um ein ausschließlich amerikanisches Problem handelt und auch die Lasten nicht allein von Amerika getragen werden könne. Er führte die
Anschläge in London, Amman und Bali an und dass Streben von "al-Quaida und anderen Extremisten nach Atomwaffen."
Den Kosten für das Engagement bezifferte der amerikanische Präsident auf etwa 30 Milliarden US-Dollar in diesem Jahr. Dabei ging er auch auf das hohe Haushaltsdefizit der Vereinigten Staaten von Amerika, die Finanz- und Wirtschaftskrise sowie die zunehmende Arbeitslosigkeit ein. "Nach der schlimmsten Krise seit der Großen Depression weiß ich, dass das amerikanische Volk vor allem damit beschäftigt ist, die Wirtschaft daheim wieder aufzubauen und bei uns Arbeit zu schaffen.," so Obama, "würden die Sicherheit der Vereinigten Staaten von Amerika und des amerikanischen Volkes nicht auf dem Spiel stehen, ich würde jeden einzelnen Soldaten gern morgen schon abziehen."
30 Milliarden US-Dollar in 2009
Insgesamt richtete sich die Rede Obamas vor allem an die eigene Bevölkerung, bei der er noch einmal an die Gründe für den Afghanistankrieg erinnerte, der er eingestand, dass Afghanistan auf
der Kippe stünde und der er seine Position, keine Sicherheit in den USA ohne Sicherheit in Afghanistan, noch einmal verdeutlichte. Dabei ging er auf die Opfer unter den Soldaten ein, die hohen
Kosten in Zeiten leerer Kassen und versuchte mit der Aussicht auf ein Ende, auf die Übergabe der Verantwortung an die Afghanen, für einen letzten Kraftakt zu werben.
Die afghanische Regierung packte er bei dem Versprechen eines Neuanfangs und wies auf ganz klare Zwischenziele bei der Korruptionsbekämpfung, bei der Versorgung der Bevölkerung und dem
Aufbau der Sicherheitskräfte hin. Die Bevölkerung des zentralasiatischen Landes versicherte er, nicht als Besatzer gekommen zu sein und das Land auch nicht ohne erfüllte Mission im Stich lassen
zu wollen.
Die amerikanischen Bündnis-Partner nahm Obama in die Pflicht, ihr Engagement für einen Sieg der NATO noch einmal zu intensivieren. Die "Leipziger Volkszeitung" berichtete unter Berufung auf
Regierungsvertreter in Berlin, Obama habe um die zusätzliche Entsendung von 2.000 Bundeswehrsoldaten gebeten. Rainer Arnold, verteidigungspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, warb
jedoch bis zur Afghanistan-Konferenz im Januar um Aufschub. "Wir sind gut beraten, wenn wir nicht immer von Zahlen reden, sondern von einer klaren Strategie," sagte er, die Vorschläge Obamas
lobend.
arbeitet als freier Autor mit Schwerpunkt Afrika, Lateinamerika und Naher Osten.