Niels Annen: „Ein Rückschlag für Trump, keine Niederlage"
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Staatsminister Annen, wie würden Sie das außenpolitische Verhältnis zwischen den USA und der Bundesrepublik beschreiben, und welchen Anteil daran hat Donald Trump als Person?
Niels Annen: Das Verhältnis ist derzeit strapaziert. Der Politikstil von Donald Trump ist persönlich, sehr konfrontativ und disruptiv. Es werden bestimmte Parameter der Partnerschaft offen infrage gestellt.
Die größte Herausforderung besteht für uns darin, dass wir diese Partnerschaft aus eigenem Interesse erhalten wollen, gleichzeitig aber sehen, dass sich die Vereinigten Staaten erstmals auch gegen deutsche Interessen stellen – etwa wenn es um die Frage von Strafzöllen geht, oder beim Iran-Abkommen, das unsere Sicherheitsinteressen betrifft. Die Situation ist angespannt, aber wir können damit umgehen.
In den Midterms haben die Demokraten das Repräsentantenhaus erobert. Was bedeutet das politisch?
Das ist – mit einigen Abstrichen – ein großer Erfolg für die Demokraten. Die Hoffnungen auf eine Mehrheit im Senat haben sich nicht erfüllt. Auch bei einigen Gouverneursposten sind die Bäume nicht in den Himmel gewachsen. Trotzdem verändert es das politische Leben in Washington. Es gibt keine Möglichkeit mehr für den Präsidenten, durchzuregieren. Die klassischen Kontrollmechanismen, die Checks-and-Balances – eine Stärke des amerikanischen Systems, der US-Demokratie – werden deutlicher zutage treten.
Ich wäre aber zurückhaltend, ob sich das auf die Außenpolitik auswirkt. Das Repräsentantenhaus, das jetzt von Demokraten geführt wird, ist in innenpolitischen Fragen bedeutsamer. Der Senat ist außenpolitisch wichtiger. Es könnte sein, dass sich der Präsident, nachdem er durch dieses Wahlergebnis innenpolitisch zu mehr Rücksichtnahme gezwungen wird, sogar noch mehr auf den außenpolitischen Bereich konzentrieren könnte.
Warum ist es den Demokraten gelungen, 23 Sitze im Repräsentantenhaus zu holen, aber nicht im Senat?
Im US-Wahlsystem wird alle zwei Jahre ein Drittel des Senats gewählt. Bei dieser Wahl mussten sich vor allem demokratische Amtsinhaber verteidigen, die zum Teil mit der großen Obama-Welle auch in eher konservativen Staaten Senatssitze gewinnen konnten. Das ist nicht überall gelungen. Im Repräsentantenhaus ist es etwas anders. Doch auch dort bevorzugt das Wahlsystem – durch den Zuschnitt der Wahlkreise – eindeutig die Republikaner. Deshalb war bis zum Schluss nicht klar, ob das Ergebnis ausreichen würde, um die tatsächlichen Mehrheitsverhältnisse zu verändern. Das ist den Demokraten gelungen.
Wurde Donald Trump durch diesen Erfolg abgestraft?
Ich werte das als Rückschlag für die republikanische Partei und für den Präsidenten, aber nicht als krachende Niederlage. Die US-Demokratie hat sich insoweit bewährt, als sie nun mit einer oppositionellen Kontrolle des Repräsentantenhauses eine wichtige Veränderung vorgenommen hat. Aber das Land ist auch hochgradig polarisiert. Es ist Donald Trump durch eine weitere Zuspitzung der Auseinandersetzung gelungen, den Kern seiner Basis erneut zu mobilisieren. Das hat in einigen Bundesstaaten dazu geführt, dass er seine Position verteidigen konnte. Insgesamt ist also heute ein guter Tag für die Demokraten – aber keine eindeutige Niederlage für den Präsidenten.
Ist mit einer Neuausrichtung der US-Außenpolitik zu rechnen?
Ich rechne damit, dass sich die neuen Mehrheitsverhältnisse im Repräsentantenhaus vor allem auf die Innenpolitik auswirken. Die Russlandfrage, die sehr stark in die Innenpolitik hineinspielt, wird vermutlich eine gößere Rolle spielen.
Möglicherweise kann man auch bei internationalen Verträgen auf mäßigende Stimmen hoffen. Aber im Kern war die Wahl innenpolitisch – insofern können wir in Hinblick auf eine außenpolitische Neuorientierung nicht zu viel erwarten.