Neuwahl: Warum Pedro Sánchez in Spanien gewinnen und doch nicht weiter regieren könnte
Getragen von einer bunten Anti-PP-Koalition löste der Chef der sozialdemokratischen PSOE, Pedro Sánchez, Anfang Juni 2018 in einem überraschenden Misstrauensvotum den seit 2011 regierenden konservativen Premier Manuel Rajoy ab. Im Zeichen nicht abreißender Korruptionsskandale seiner Partido Popular (PP), politischem Stillstand und Versagen in der Katalonienfrage versammelten sich Podemos und die meisten Regionalparteien unterschiedlicher Couleur hinter den Sozialdemokraten und beschertem dem Land die Chance auf einen politischen Neuanfang.
Regionalwahlen in Andalusien – Beginn eines Rechtsrucks?
Die Sozialisten hatten nur knapp ein Viertel der Sitze im Parlament und konnten dementsprechend allein keine grundlegenden Initiativen durch das Parlament bringen. Um eine gerechtere Verteilung des Wohlstands einzuleiten, hob Sánchez den Mindestlohn um rund 22 Prozent – auf 900 Euro netto – Anfang 2019 per Dekret an. Ohne klare Mehrheitsverhältnisse ließen sich auch andere zentrale gesellschaftspolitische Herausforderungen nicht angehen: Neben der Rentenfrage und der Jugendarbeitslosigkeit zählen dazu die wachsenden regionalen Disparitäten.
Der Ausgang der vorgezogenen Regionalwahlen in Andalusien am 2. Dezember 2018 war leider nicht der erhoffte positive Aufbruch. Erreichte PSOE im Jahr 2008 dort noch mit 48 Prozent der Stimmen die absolute Mehrheit im 109-köpfigen Regionalparlament, reichte es schon 2015 nur noch für 35 Prozent der Wahlstimmen. Diesmal erzielten die Sozialdemokraten mit knapp 28 Prozent der Stimmen das schlechteste Ergebnis im südlichen Landesteil für die PSOE nach dem Neustart der Demokratie.
Sánchez' Glaubwürdigkeit beginnt zu leiden
Die andalusische Regionalwahl könnte auch wegweisend für die vorgezogene nationale Parlamentswahl am 28. April und die Regional-, Kommunal- und Europawahlen am 26. Mai sein. Neusten Prognosen zur Folge könnte sich der Rechtsruck ebenfalls hier abzeichnen. Die rechtspopulistische Partei Vox sorgt für neue Stimmen- und Koalitionsarithmetik.
Derweil beginnen zudem Glaubwürdigkeit und Symbolkraft des sozialdemokratischen Premiers etwas zu leiden: Gegen Pedro Sánchez wurden nun mit Blick auf seine universitäre Abschlussarbeit Plagiatsvorwürfe erhoben, die er strikt von sich wies. Deutlicher könnte ihm die Verlegung der Gebeine von Franco auf die Füße fallen. Die Familie des ehemaligen Alleinherrschers wehrt sich gegen eine Verlegung an einen Ort in der Provinz. Sie pochen auf ihr Recht ihn in der Familiengruft in der Madrider Kathedrale „La Almudena“ beisetzen zu dürfen. Peinlich, wenn dieser historische Symbolakt nun mit dem Resultat endet, dass der Ex-Diktator nun im Zentrum von Madrid seine letzte Ruhestätte findet.
Perfides Kalkül der katalonischen Regionalparteien
Mit dem Versprechen einen neuen Dialoganfang zu machen, hatte Pedro Sánchez die Katalanen auf seine Seite gezogen. Jedoch betonte er, dass eine Abspaltung nicht infrage komme. Nachdem die separatistischen Parteien, PDeCAT und ERC, einen Änderungsantrag gegen den Haushaltsplan 2019 von Sánchez eingelegt hatten, verkündete die Vizepräsidentin der PSOE, Carmen Calvo, dass die bilateralen Verhandlungen zwischen der spanischen Regierung und der katalanischen Separatisten abgebrochen sind.
Zudem stellte Pedro Sánchez an die PDeCAT und der ERC ein Ultimatum, in dem er nochmals bekräftigte, seine Regierung würde nie ein Unabhängigkeitsreferendum akzeptieren, jedoch würde er weiterhin den Dialog anbieten, wenn sich die katalanischen Parteien für eine Bewilligung des Haushalts 2019 aussprächen. Die beiden separatistischen Regionalparteien entschieden sich in der Parlamentsabstimmung am 13. Februar gegen den Etatentwurf und damit auch gegen das Dialogangebot. Ihr perfides Kalkül: Neuwahlen bringen wahrscheinlich national eine Regierung rechts der Mitte an die Macht, was wiederum Wasser auf ihre regionalen, separatistischen Ambitionen ist. Der Premier verkündete nach einer Kabinettssitzung schon für den 15. April Neuwahlen für den 28. April, auch um einen Superwahlsonntag am 26. Mai zu vermeiden.
Harte Attacken der Konservativen
Die konservative Partido Popular (PP) und Ciudadanos hatten mit Argusaugen darauf geachtet, dass die neue Linksregierung der separatistischen Regionalregierung in Barcelona nicht zu sehr entgegenkommt. Beide Parteien lehnen grundsätzlich Gespräche mit den separatistischen Fraktionen ab und verlangen eine Reaktivierung des Artikels 155 der spanischen Verfassung, um die autonome Region Kataloniens unter Madrider Zwangsverwaltung zu stellen.
Die progressive Herangehensweise der Sánchez-Regierung, die eher die Antwort der Katalonienfrage im Miteinander statt im Gegeneinander sucht, wird von PP und Ciudadanos als „Demütigung für Spanien“ sowie als Attacke gegen „das geeinte Spanien“ angesehen. Außerdem wird Sánchez auf persönlicher Ebene von Pablo Casado, dem Vorsitzende der PP, angegriffen indem er ihn als „illoyal“, „größten Verräter“ und als „Chauvinist“ bezeichnet.
Zwei Möglichkeiten nach der Wahl
Tatsächlich scheint es für ihn, seiner PP und den C nicht von Belang zu sein, Hand in Hand mit der rechtspopulistischen VOX in der Öffentlichkeit gegen Pedro Sánchez zu demonstrieren und obendrein für ein gemeinsames Foto zu posieren. Getreu dem Motto: „Der Feind meines Feindes ist mein Freund“. Dadurch wurde der rechtspopulistischen VOX nicht nur eine größere politische Bühne geboten, sondern es ließ sich ein klarer und immer weiter wachsender Rechtsdruck der spanischen Opposition erkennen. Die Annahme, der PP und der C, das rechtsextreme Lager kontrollieren zu können muss bezweifelt werden.
Nach der Wahl am 28. April gibt es also zwei Möglichkeiten:
Szenario eins: Die PSOE wird stärkste Partei und es kommt zu einer ähnlichen regenbogenartigen parlamentarischen Unterstützung für eine neue sozialdemokratische Minderheitsregierung.
Szenario zwei: Die PSOE wird zwar stärkste Partei, aber ein Bündnis rechts der Mitte unter Einschluss der rechtspopulistischen VOX übernimmt die Regierungsverantwortung