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Neue Weltordnung: Warum sich die USA aus der Welt zurückziehen

Der Westen hat weiterhin eine große Anziehungskraft auf Menschen weltweit. Nichtsdestotrotz befindet er sich in einer tiefen Krise, die nach dem Ende des Kalten Krieges begonnen hat. Die Präsidentschaft von Donald Trump könnte ein Ausdruck davon sein.
von Fabian Schweyher · 14. November 2017
Trump
Trump

Die Welt scheint aus den Fugen. Die Europäische Union droht auseinanderzufallen. Mit Präsident Donald Trump sind die USA unberechenbar und selbstbezogen geworden. Gleichzeitig entwickelt sich China zu einer Supermacht und stößt in die Lücke, die Washington hinterlässt. Dasselbe gilt für Russland mit seiner aggressiven Außenpolitik. Ist der Westen also am Ende? Mit dieser Frage hat sich die Konferenz „NATO Talk around the Brandenburger Tor“ in Berlin beschäftigt.

Attraktive Werte

„Ich habe schon zu oft vom Ende des Westens gelesen, als dass ich noch daran glauben würde“, sagt Thomas Kleine-Brockhoff von der Stiftung German Marshall Fund of the United States. Er verweist auf das Ziel von Flüchtlingen und Migranten weltweit. „Sie gehen nicht nach Singapur oder Saudi-Arabien, sondern nach Nordamerika.“ Der Westen sei attraktiv aufgrund seiner Werte, die das Resultat der Aufklärung seien. Kleine-Brockhoff warnt deswegen davor, den Begriff des „Westens“ nur als eine Struktur aus Ländern zu definieren.

Einen Niedergang der westlichen Welt erwartet auch Richard D. Hooker vom Nationalen Sicherheitsrat in Washington nicht. Die Wirtschaft der Länder sei beständig und stark. Dasselbe gelte für das Militär. Natürlich werde es Herausforderungen geben, doch in der Vergangenheit habe der Westen gezeigt, dass es solche bewältigen kann.

Krise des Selbstvertrauens

Allerdings ist nicht alles in bester Verfassung: Kleine-Brockhoff sieht den Westen gespalten. Das Problem komme nicht von außen, sondern von innen, aus der Zeit nach dem Kalten Krieg. Die westliche Welt habe sich damals selbst überschätzt und habe deswegen „Abkürzungen genommen“. Sprich: Sie handelte nicht durchdacht.

Kleine-Brockhoff nennt mehrere Beispiele: das globale Finanzsystem ohne entsprechende Regulierung, der freie Handel ohne dabei an die Verlierer zu denken, die Euro-Währungszone ohne das nötige politische Zentrum oder auch Verteidigung ohne Verteidigungsbudget sowie offene Grenzen in Europa, ohne an die Folgen für das Schengener Abkommen zu denken. „Selbstüberschätzung und Doppelmoral haben zu einer Vertrauenskrise geführt“, schlussfolgert Kleine-Brockhoff. Dazu käme eine schwere Krise des Selbstvertrauens in Bevölkerung und Eliten.

Begrenzte Fähigkeiten

Einen anderen Grund für die gegenwärtigen Zerwürfnisse in der westlichen Welt benennt Fyodor Lukyanov. Nach Angaben des Chefredakteurs der Zeitschrift „Russia in Global Affairs“ haben sich die USA und andere Länder seit dem Jahr 2000 überdehnt („imperial overstretch“). „Der Westen wollte die Aufklärung in die ganze Welt bringen, was unmöglich war“, sagt Lukyanov und spielt damit auf den Irak-Krieg 2003 an. Schließlich seien auch die Fähigkeiten der USA begrenzt. Nun sei zu beobachten, wie sich die Amerikaner aus der Überdehnung zurückziehen. „Trump macht das auf eine seltsame Weise“, gibt Lukyanov zu, doch nach seiner Ära werde sich das Verhalten der USA wieder normalisiert haben.

„Das Vorgehen des Präsidenten unterscheidet sich sehr, aber er stammt auch nicht aus dem politischen System“, erklärt Richard D. Hooker vom Nationalen Sicherheitsrat. Unter Donald Trump sieht er die USA allerdings nicht in Gefahr. Das Wertesystem sei stark, die Grundrechte würden nicht infrage gestellt. Ähnlich äußert sich Thomas Kleine-Brockhoff: „Die USA sind viel größer als ihr Präsident.“ Er habe Vertrauen in Demokratie und das System der checks and balances, das auch den Präsidenten kontrolliere.

Bündnis mit Peking?

Eine immer stärkere Rolle in der Weltordnung spielt China. Wird es für die USA zu einer Gefahr? Das hänge von der Volksrepublik ab, sagt Richard D. Hooker. „Wir wollen China sehen, wie es sich wirtschaftlich entwickelt. Wir wollen aber kein China, das seine Nachbarn bedroht.“ Noch sei China für die USA keine Bedrohung, aber in 10 bis 15 Jahren sei dies möglich. „Wir wissen nicht, was die Absichten der Chinesen sind“, erklärt Hooker.

Ein strategisches Bündnis zwischen China und dem Westen schließt Thomas Kleine-Brockhoff aus. Zu groß sei der Unterschied zwischen demokratischem und autoritärem Kapitalismus. China eigne sich allerdings als Adhoc-Partner in einzelnen Angelegenheiten. Mit undemokratischen Ländern wie der Volksrepublik und Russland, so Kleine-Brockhoff, müsse der Westen Kooperationen eingehen, die auf Regeln basieren und damit verlässlich sind.

Katastrophe für die Welt

Neigt sich die Ära des Westens dem Ende entgegen? Vermutlich nicht. Chefredakteur Fyodor Lukyanov gibt zu bedenken: „Wenn es den Westen nicht mehr geben würde, wäre das eine Katastrophe für die gesamte Welt.“ Die westliche Welt werde dringend benötigt, um die internationale Ordnung aufrechtzuerhalten.

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