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Neuauflage der Neuen Ostpolitik?

Das Verhältnis zwischen Russland und der Europäischen Union (EU) ist auf einem Tiefstand, schlimmer war es nur im Kalten Krieg. Damals sorgte Willy Brandt mit seiner Neuen Ostpolitik für eine Sicherung des Friedens. Was würde er heute tun?
von Peter Schraeder · 19. September 2016
Willy Brandt in Moskau
Willy Brandt in Moskau

Diese Frage stellt die Berliner Willy-Brandt-Stiftung in ihrer neuen Veranstaltungsreihe „brand(t)aktuell" – immer jeweils einem Journalisten und einem Politiker. Bei der Auftaktveranstaltung waren Thomas Kröter von der DuMont Hauptstadtredaktion und der SPD-Politiker Karsten Voigt zu Gast. Voigt koordinierte für die Bundesregierung über zehn Jahre lang die deutsch-amerikanische Zusammenarbeit.

Willy Brandts Neue Ostpolitik

Willy Brandt gelang es in den 70er Jahren, die angespannte Situation zwischen der Bundesrepublik und der Sowjetunion allmählich zu lösen. Stets betonte er, dass dies nur gemeinsam und mit kleinen Schritten gelänge. Seine Politik mündete in einer Reihe von Verträgen.

„Entscheidend war damals die Erkenntnis, dass die alte Politik gescheitert war“, sagte Voigt in der Gesprächsrunde. Heute sei die Situation eine andere. „Willy Brandt wollte etwas von Russland, die Anerkennung der gegenseitigen Souveränität.“ Gegenwärtig sei Deutschland nicht mehr so stark auf Russland angewiesen wie damals.

Russlands Streben nach Größe

Thomas Kröter plädierte gerade deshalb dafür,  „die Interessen der anderen Seite wieder stärker zu berücksichtigen“. In der Berliner Zeitung hatte der Journalist die "Wiederbelebung einer Entspannungspolitik" gegenüber Russland nach dem Vorbild Willy Brandts gefordert. Voigt bestätigte diese Forderung, wies aber darauf hin, dass eine solche Einigung Jahrzehnte dauern könne. Dennoch gebe es keine andere Möglichkeit.

„Russland“, erkärte Voigt, „ist mit seinem Status unzufrieden – so wie Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg“. Kröter entgegnete, Russland handele zumindest nicht irrational: Wohl habe es dem Baltikum damit gedroht, die dortigen russischen Minderheiten zu schützen. Aber dabei sei es auch geblieben. „Ich würde sagen, Russland folgt einer anderen Rationalität“, ergänzte Voigt. „Es akzeptiert als Verhandlungspartner nur die großen Staaten in Europa an, also vor allem Deutschland und Frankreich.“ Auf die Souveränität der kleineren Länder nehme die russische Seite nur bedingt Rücksicht.

Rolle der USA

In einem Punkt waren sich die beiden Diskussionsteilnehmer uneinig: der Rolle der USA. „Brandt gelang sein Vorhaben damals auch deshalb, weil er die Unterstützung der Amerikaner hatte“, meinte Kröter. Barack Obama aber halte sich sehr zurück. „Wir werden den jetzigen Präsidenten noch vermissen“, warf Voigt ein. Trump sei als Präsident natürlich verheerend, aber auch Clinton scheine in Bezug auf Russland einer „Mission“ zu folgen.

Die Sanktionspolitik der EU gegenüber Russland, die nach der Annexion der Krim verhängt wurde, sieht Voigt gespalten. Einerseits sei er gegen die Wirtschaftssanktionen, denn diese würden weder die russische Außen- noch die Innenpolitik ändern. „Aber alles andere wäre gefährlicher gewesen“, so Voigt. Wäre Europa der Ukraine militärisch zu Hilfe gekommen, hätte das einen großen Krieg auslösen können. Hätte Europa jedoch gar nichts getan, wäre das für Russland das Signal gewesen: „Weiter so!“.

Eine Chance auf Entspannung der Situation sahen die beiden Gesprächsteilnehmer vor allem in der Zukunft und hofften auf die junge Generation. Künftig müsse Deutschland sich dafür einsetzen, den Jugendaustausch mit Russland deutlich zu fördern.

Autor*in
Peter Schraeder

studiert Public History an der Fu Berlin.

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