Nach Taiwan-Besuch: Wie Deutschlands China-Politik aussehen sollte
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Sie waren kürzlich mit einer Delegation des Bundestagsausschusses für Menschenrechte in Taiwan. Kurz darauf ist Bundeskanzler Olaf Scholz nach China gereist. Gab es da einen Zusammenhang?
Es gab natürlich keinen Zusammenhang. Diesen Termin haben wir schon im Mai oder Juni beschlossen. Durch den geplanten Besuch des Bundeskanzlers in China stand unsere Reise stärker in der Öffentlichkeit. Wir haben uns trotzdem dazu entschieden, sie wie geplant durchzuziehen.
Noch während Ihrer Reise gab es deutliche Kritik seitens der chinesischen Staatsführung, verbunden mit der Aufforderung, Taiwan zu verlassen. Wie sind Sie damit umgegangen?
Das war zu erwarten. Da steht man drüber. Ich sehe es nicht ein, plötzlich einen demokratischen Staat zu verlassen, nur weil es den Chinesen nicht passt. Wo kämen wir denn da hin? Sie können sich gerne aufregen, aber dabei muss es bleiben.
Mit der Ein-China-Politik versucht die Volksrepublik, ihren Einfluss in Taiwan geltend zu machen, notfalls auch mit militärischer Gewalt, wie Staatschef Xi Jinping kürzlich bekräftigt hat. Inwieweit haben Sie das vor Ort gespürt?
Gerade als wir in Taiwan waren, lief der Kongress der Kommunistischen Partei Chinas. Dort gab es einige Äußerungen Xi Jinpings, die die Taiwanesen haben aufhorchen lassen. In den Gesprächen mit hochrangigen Regierungsvertretern war die Anspannung daher deutlich zu spüren. Auch in den Medien wird das, was in China passiert, sehr wachsam verfolgt. Trotz der Anspannung hatte ich nicht den Eindruck, dass Taiwan Angst hat. Von einem militärischen Einmarsch in nächster Zeit geht niemand aus. Sie bereiten sich auf andere Formen der Angriffe vor, durch Fake News oder Bots, durch die China jetzt schon versucht, die Stimmung zu beeinflussen.
Im Zweifel würde auch schon eine Seeblockade reichen, um Taiwan abzuschneiden. Sie sind vom Festland abhängig. Ein Großteil ihres Stroms kommt von außen, ebenso die Lebensmittelversorgung. Eine solche Abriegelung hätte selbst ohne militärische Gewalt fatale Folgen.
Wie kann Deutschland angesichts dieser Bedrohungslage Taiwan unterstützen?
Taiwan sieht in Deutschland einen sehr starken und verlässlichen Partner. Es war gut, dass Olaf Scholz nach China gereist ist und auch dort auf demokratische Werte hingewiesen hat. Taiwan weiß die USA sowie Japan an seiner Seite und ist zuversichtlich, dass auch Deutschland Position beziehen würde. Ich bin davon auch überzeugt.
Ist das aktuell eine diplomatische Gratwanderung, China in Bezug auf den Konflikt mit Russland ins Boot zu holen und sie gleichzeitig mit Blick auf Taiwan in die Schranken zu weisen?
Das ist ein Gebiet, auf dem man sehr achtsam unterwegs sein muss. Wir müssen klar machen, dass jede Veränderung mit Blick auf den Status von Taiwan nur einvernehmlich geschehen kann. Gleichzeitig brauchen wir China als Unterstützung, damit Putin endlich aufhört zu bomben. Diese Gratwanderung gut hinzubekommen ist eine sehr wichtige und große Aufgabe, aber ich habe da großes Vertrauen in den Bundeskanzler.
Wie eng sollte eine Handelspartnerschaft mit China sein? Und wäre es nicht sinnvoller, die Partnerschaft mit Taiwan auszubauen?
Handelspartnerschaften sind so wichtig. Ich als Menschenrechtspolitikerin sehe jedoch beispielsweise die geplante Beteiligung eines chinesischen Staatskonzerns am Hamburger Hafen kritisch. Wir ermahnen unsere Partner im Globalen Süden, dass China keinen zu großen Einfluss auf deren Wirtschaft bekommen sollte. Den gleichen Anspruch müssen wir auch für Deutschland haben. Wir haben gesehen, wohin unsere Abhängigkeit zu Russland geführt hat und dürfen diesen Fehler auf keinen Fall ein weiteres Mal machen. Deswegen ist es wichtig, eine China-Strategie zu entwickeln. Eine kritische Haltung ist unbedingt nötig.
Was nehmen Sie mit Blick auf Menschenrechtsfragen von Ihrer Reise nach Taiwan mit?
Ich finde es bewundernswert, wie viele Kräfte dort gewirkt haben. Denn auch Taiwan hat eine sehr dunkle Vergangenheit, was Menschenrechtsverletzungen angeht. Sie gehen offen damit um und versuchen diese aufzuarbeiten. Problematisch finde ich, dass Taiwan weiter die Todesstrafe in der Verfassung hat und diese nach wie vor verhängt. Demokratinnen und Demokraten sollten auf keinen Fall auf dieses Mittel zurückgreifen. Die Regierung scheint zwar gewillt, die Todesstrafe abzuschaffen. Doch 80 Prozent der Bevölkerung sprechen sich weiter vehement dafür aus. Man will harte, drakonische Strafen zur Abschreckung. Dass das nicht funktioniert, werden sie hoffentlich in einem Prozess noch lernen. Dafür braucht es einen gesellschaftlichen Wandel.
ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo