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Nach neuer Provokation Erdoğans verlangt die SPD „Merkel muss liefern“

Kurz vor der Abreise einer Bundestagsdelegation in die Türkei hat Ankara den Besuch als unerwünscht gestoppt. Der SPD-Außenpolitiker Niels Annen sieht nun die Kanzlerin am Zug: Entweder sie schaffe auf dem NATO-Gipfel eine Lösung für die Besuchsrechte oder der Bundestag werde den Abzug der Bundeswehr aus Incirlik fordern.
von Lars Haferkamp · 24. Mai 2017
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Man sieht Niels Annen, dem außenpolitischen Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, bei seinem Auftritt in der Bundespressekonferenz die Sorgen an, die ihm die neue Provokation Ankaras gegenüber Berlin macht. Unmittelbar vor der Abreise einer hochrangigen Bundestagsdelegation in die Türkei hatte der stellvertretende türkische Außenminister die Reise als nicht erwünscht erklärt. Am Mittwoch nun stellte sich Annen zusammen mit Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth der Hauptstadtpresse.

Annen: Ohne Besuchsrecht keine Bundeswehr in der Türkei

Dabei macht er schnell klar: Entweder die Türkei lenke jetzt ein und sichere dem Bundestag ein dauerhaftes Besuchsrecht für seine Soldaten zu oder die Bundeswehrsoldaten müssen den türkischen Luftwaffenstützpunkt Incirlik verlassen.

Annen verweist dabei auf die vom Bundestag bereits beschlossene Protokollnotiz, nach der von der Bundesregierung gefordert wird, eine grundsätzliche Regelung für Besuchsmöglichkeiten des Bundestages zu schaffen, also nicht für jeden Besuch einzeln wie in den letzten Monaten. „Frau Merkel muss liefern“, verlangt Annen, und zwar jetzt, auf dem Nato-Gipfel in Brüssel.

„Unter Nato-Partnern unwürdiges Verhalten“

Auch Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg müsse einen Beitrag zur Klärung der Situation leisten und dürfe nicht weiter den Eindruck erwecken, als hätte er mit dem ganzen Problem nichts zu tun. Das Verhalten Ankaras sei ein „unter Nato-Partnern unwürdiges Verhalten“.

Ohne Klärung auf dem Nato-Gipfel werde der Bundestag in der nächsten Woche den formalen Beschluss für einen Abzug der Bundeswehrsoldaten aus Incirlik fassen, kündigt Annen an. Die SPD-Bundestagsfraktion habe mit der Unionsfraktion über eine solche gemeinsame Entschließung nach dem Nato-Gipfel gesprochen. Das Thema sei in der großen Koalition „ausverhandelt“, so Annen. Er habe keinen Anlass, daran zu zweifeln, dass „wenn Merkel mit leeren Händen kommt“, eine gemeinsame Entschließung der großen Koalition verabschiedet wird.

Jetzt entscheiden – keine weiteren Verzögerungen

Wie bereits Außenminister Sigmar Gabriel bezieht auch Niels Annen die deutschen Soldaten in Konya in die Debatte mit ein. Er macht jedoch einen Unterschied: Im Falle von Incirlik, einem türkischen Stützpunkt, den die Nato mitnutzt, sei man „an einem Punkt angelangt, wo wir entscheiden müssen“. Die Frage sei „diplomatisch ausgereizt“, hier sei „kein Raum mehr für weitere Verzögerungen“.

Der Nato-Stützpunkt im türkischen Konya „kann grundsätzlich nicht anders behandelt werden als Incirlik“, es dürfe „keine grundsätzliche Zwei-Klassen-Behandlung deutscher Soldaten in der Türkei“ geben. Aber: Wenn Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg signalisiere, es gebe hier noch Spielräume für Verhandlungen mit Ankara, müsse der Bundestags noch nicht in der nächsten Woche entscheiden, wie im Fall Incirliks.

Besuch sollte sich um gemeinsame Interessen drehen

Annen unterstreicht, das geplante Programm der Bundespolitik habe sich vor allem um gemeinsame Interessen in der Außenpolitik gedreht. Es sei „ein schlechtes Zeichen“, dass man mit Ankara noch nicht einmal mehr über Syrien oder den Terror des sogenannten „Islamischen Staates“ (IS) diskutieren könne. Es sei somit unklar, wie sich die türkische Regierung den weiteren Kampf gegen den IS vorstelle.

In der Bundespressekonferenz dankt Annen Außenminister Sigmar Gabriel für seine Anstrengungen, den Besuch der Bundestagsdelegation doch noch möglich zu machen. Wenn sich die Bedingungen änderten, sei der Bundestag bereit, die Reise nachzuholen.

„Erdoğan hat viel Kapital mutwillig zerstört“

Die deutsch-türkischen Beziehungen sieht Annen zur Zeit „in einer Phase, die von einseitiger Gegnerschaft geprägt ist“, und zwar seitens der Türkei gegenüber Deutschland. „Wir waren enge Partner und Freunde auch in schwierigen Situationen“, so der SPD-Außenpolitiker. „Erdoğan hat viel Kapital mutwillig zerstört, das hat Folgen.“

Zugleich betont Annen, „wir können kein Interesse haben, dass sich die Türkei von der Nato abwendet“ und sich Erdoğan mit Moskau oder Peking verbünde. „Dieses Land bleibt für Deutschland wichtig, auch wenn es eine Diktatur werden sollte.“ Im Moment gebe es nicht viel Anlass für Optimismus. Hoffnungen auf eine Beruhigung in den Beziehungen nach dem Erdoğan-Wahlsieg hätten sich leider nicht erfüllt.

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