Nach der Wahl in Spanien: Wie Pedro Sánchez Ministerpräsident bleiben kann
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Einmal mehr hat die Frage nach der Zukunft Kataloniens polarisiert und die Wahl beeinflusst. Anfang Oktober hatte der Oberste Gerichtshof Spaniens neun katalanische Unabhängigkeitspolitiker und -aktivisten wegen Aufstands und der Veruntreuung öffentlicher Gelder zu langjähriger Haft verurteilt. Schon kurz nach der Verkündung kam es in Katalonien zu anhaltenden, mehr und mehr auch gewaltsamen Demonstrationen.
Die politische Mitte ist geschwächt
Da war einerseits Wasser auf die Mühlen der rechtspopulistischen VOX, die erkennbar gestärkt aus der Wahl vom Wochenende hervorging und gleichzeitig eine Stärkung der separatistischen Regionalparteien Kataloniens auf der anderen Seite. In der Folge ist die Parteienlandschaft noch zersplitterter als zuvor, und mit Blick auf die Mehrheitsverhältnisse im Parlament sind Koalitionen oder parlamentarische Kooperationen noch unvorhersehbarer. Die politische Mitte wurde geschwächt.
Vor der Wahl hatte der amtierende Premier Sánchez noch für vor Weihnachten eine Vertrauensabstimmung und eine neue stabile Regierung versprochen. Davon ist derzeit nicht mehr auszugehen. Denn nach der Neuwahl vom Wochenende ist die Lage noch unübersichtlicher geworden. Aus dieser Gemengelage heraus sind verschiedene Szenarien vorstellbar:
Regionalparteien könnten Zünglein an der Waage sein
Da weder das linke noch das rechte Lager eine Mehrheit hat, bleiben beide auf die Regionalparteien angewiesen. Dabei hätte eine linke politische Kooperation mehr Aussicht auf Erfolg als ein rechtes Bündnis. Denn es ist kaum davon auszugehen, dass eine baskische oder katalanische Partei einem von der rechtspopulistischen VOX gestützten, konservativen Regierungspräsidenten ihre Stimme gibt nach den aggressiven Wahlkampfparolen der Rechtspopulisten.
Das starke Ergebnis von VOX könnte auch als Warnung für das linke Lager dienen und den Druck auf die Parteien dieses Lagers erhöhen, endlich zu einer Einigung zu kommen und alte Rivalitäten und Animositäten beiseite zu lassen. Bleibt ein neues Problem: Hatte die katalanische (separatistische) ERC bei der Vertrauensabstimmung im Juli noch ihre Unterstützung für eine Koalition aus PSOE und Podemos in Aussicht gestellt, könnten die Hürden nach dem Urteil des Obersten Gerichtshofes von Oktober nun ungleich höher ausfallen. Offen bleibt außerdem, ob Premier Sánchez sich darauf einlassen will und kann.
Sozialliberale Regierung ausgeschlossen
Ausgeschlossen ist nach dem Wahldesaster der Liberalen auf jeden Fall eine sozialliberale Koalition. Nach den Wahlen im April hätte es von den Mandaten her gesehen noch gereicht. Hoffen dürfte Regierungschef Sánchez allerdings auf eine Wahlenthaltung der Liberalen wie der Konservativen. Dann könnte er im zweiten Wahlgang mit einfacher Mehrheit gewählt werden. Das könnte dann in einem sozialdemokratischen Minderheitskabinett enden, das sich wie der konservative Rajoy vor ein paar Jahren durchwurstelt, ohne politische Impulse setzen zu können. Eine Neuwahl in ein bis zwei Jahren wäre absehbar.
War Pedro Sánchez doch im Zuge des Misstrauensvotums im Juni 2018 mit politischem Geschick und auch einem Gespür für progressive Symbolik ins Amt gekommen. Das schafft zumindest die Chance, dass der sozialdemokratische Hoffnungsträger nicht im politischen Stilstand endet.