Nach dem Griechenland-Referendum: Grexit oder nicht?
Nein, haben die griechischen Wähler zum Sparplan gesagt und damit die Europartner vor ein Dilemma gestellt: Mit Griechenland reden oder die Pleite des Landes und notfalls den Zerfall der Eurozone in Kauf nehmen? Am Montagabend will Frankreichs sozialistischer Präsident Francois Hollande mit Kanzlerin Angela Merkel in Paris beraten, am Dienstag folgt ein Sondergipfel der Staats- und Regierungschefs der Eurozone. Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras erklärte, er sei bereit zu Verhandlungen. Es ist eine Frage der Alternativen.
Gabriel nach Griechenland-Referendum: „letzte Brücken eingerissen“
Verhandeln oder nicht?: „Wir haben bewiesen, dass die Demokratie nicht erpresst werden kann“, sagte der griechische Regierungschef Tsipras. Er will schon „morgen zurück an den Verhandlungstisch“. Auch ein Sieg verpflichtet. Aber so einfach ist es nicht. Die griechische Regierung habe „letzte Brücken eingerissen", sagte der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel dem Berliner „Tagesspiegel“.
Das Problem: Tsipras und sein mittlerweile Ex-Finanzminister Gianis Varoufakis haben durch ihre konfrontative Politik selbst letzte Vertraute in Brüssel verprellt, wie Parlamentspräsident Martin Schulz und Kommissionschef Jean-Claude Juncker. Das Dilemma: Die Europäische Union hat die Kür des neuen Kommissionspräsidenten Juncker im Vorjahr durch das Europaparlament als Erfolg der Demokratie gefeiert. Sie kann das Votum der Wähler in Griechenland und die Absage an den von Kanzlerin Angela Merkel verordneten Sparkurs nicht einfach übergehen. „Wenn sie der Meinung sind, dass sie uns neue Vorschläge unterbreiten können, über die man reden kann, würde ich darüber reden“, sagte Parlamentspräsident Schulz der ARD. Italiens sozialdemokratische Regierung und Frankreichs Präsident signalisieren ebenfalls Redebereitschaft.
Gianis Varoufakis wirft hin
Es wird also verhandelt werden. Ohne den griechischen Finanzminister Varoufakis. Sein Rücktritt könnte einen Neuanfang erleichtern. Schuldenerleichterung oder nicht? Das nächste Dilemma: „Es gibt keine leichten Lösungen, aber umfassende Lösungen“, sagte Tsipras. In seiner Rhetorik meint das, einen Schuldenschnitt. Den gab es schon einmal, im November 2012 für private Gläubiger. Europartner und Währungsfonds IWF stellten weitere Nachlässe in Aussicht, bei einem erfolgreichen Abschluss des zweiten Hilfsprogramms. Das war aber in der Vorwoche ausgelaufen, ergebnislos. In der Vorwoche hatte sich der IWF über den Wachstumseinbruch in Griechenland unter Tsipras‘ Linksregierung beklagt, im selben Papier aber auch über die fehlende Schuldentragfähigkeit gesprochen, also: Schuldenerleichterungen angemahnt.
Verdeckte Staatsfinanzierung ist untersagt
Technisch und rechtlich freilich ist das schwierig. Die griechischen Rettungskredite haben bereits einen niedrigen Zinssatz und müssen teilweise erst ab 2022 zurückgezahlt werden. Rechtlich ist der Rahmen der Europäischen Zentralbank (EZB) begrenzt, ihr ist eine verdeckte Staatsfinanzierung untersagt.
Der nächste entscheidende Termin ist nun der 20. Juli. An diesem Tag muss Griechenland 3,5 Milliarden Euro an die EZB zahlen. Zahlt Athen nicht, haben beide ein Problem: die EZB wegen unerlaubter Staatsfinanzierung, Griechenland wegen der drohenden Pleite.
Kommt der Grexit?
Grexit oder nicht? Die Alternative eines Scheiterns wäre dramatisch für die EU. Ein Ausscheiden aus der Währungszone wäre ein fatales Signal. Auch vor den Gesprächen über die britische Zukunft in der EU und dem nächsten Referendum über Europas Zukunft, das schon nächstes Jahr ansteht. Europa liefe Gefahr zu einem Club zu verkommen, bei dem man kommen und gehen kann, wie man will. Europa wird also viel unternehmen, dass zu verhindern. Doch kommt Widerstand, aus ehemaligen Programmländern wie Spanien und Portugal. Aber auch aus den osteuropäischen Mitgliedstaaten. Niemand will einen Grexit. Aber die Lage ist gefährlich. Griechenland ist de facto Pleite, die Banken des Landes hängen ab von Notkrediten der EZB. Einer Illusion aber sollte sich Europa nicht hingeben. Auch im Fall eines Grexits, muss die EU beistehen. Es droht eine humanitäre Notlage.
Es ist alles eine Frage der Alternativen. Parlamentspräsident Martin Schulz erinnerte deshalb die griechischen Wahlsieger an eine alte europäische Fähigkeit: den Kompromiss. Von einer „geteilten Souveränität“ sprach Schulz und erinnerte daran, dass es in der Eurozone nicht nur eine Demokratie gebe. „Europa funktioniert in einer geteilten Souveränität nur über den Kompromiss“, sagte Schulz. Der verpflichtet beide Seiten – Brüssel und Athen.
ist Europa-Korrespondent. Bereits seit 2012 berichtet er aus Brüssel für die „Berliner Zeitung“ und die „Frankfurter Rundschau“.