International

Militärschlag gegen Assad

von Jörg Armbruster · 21. September 2014

Es ist wohl kaum noch eine Frage, ob, sondern nur noch wann, wie und wie lange. Dass die USA Militärschläge gegen Syrien vorbereiten, daran gibt es kaum mehr Zweifel. Offen ist noch, mit welchen Waffen sie angreifen wollen, und wie lange die Angriffe dauern werden. Von zwei Tagen ist die Rede. Das scheint derzeit der Stand der Dinge. 

US-Außenminister John Kerry und Vize-Präsident Joe Biden sind sich sicher, genügend Beweise zu haben, dass Chemiewaffen eingesetzt worden sind, vor allem aber auch zu wissen, wer sie eingesetzt hat. Baschar al-Assad. Auch für den britischen Premier David Cameron und seinen Außenminister William Hague gibt es keinen Zweifel, dass Assad verantwortlich ist. Vieles spricht dafür. Großbritannien bereitet sich daher auch auf einen Militärschlag vor. Ein Zurück scheint es weder für die USA noch für Großbritannien und auch nicht für Frankreich zu geben.

US-Militärschlag ohne UNO-Mandat

So weit geht die UNO nicht. Sie spricht lediglich von „sehr ernsten Konsequenzen“, sollte sich der Verdacht erhärten. Ihre Inspektoren prüfen derzeit noch vor Ort unter großen Schwierigkeiten und Gefahren. Selbst wenn sie zu dem Ergebnis kommen, es ist Giftgas eingesetzt worden, gibt es immer noch keine eindeutigen Informationen darüber, wer es war. Barack Obama eröffnet also einen neuen Kriegsschauplatz der USA auf rechtlich schwankender Grundlage. Eine Zustimmung des Sicherheitsrats der UN wird er kaum bekommen, das Veto von Russland und das von China sind ihm sicher. Beide Länder werden bei der Behauptung bleiben: Die Rebellen waren es.

Aber wem nützen diese Angriffe tatsächlich? Der Bevölkerung? Werden sie Assad abschrecken, noch einmal Giftgas gegen die eigene Bevölkerung einzusetzen? Wird sie also sicherer leben, geschützter vor der Zerstörungswut Assads? Vor Chemiewaffen ist sie möglicherweise besser geschützt, vor anderen Waffen nicht.

Assad verfügt nämlich hinreichend über nicht-chemische Waffen, mit denen er seine Gegner angreifen kann. Auf der Rebellenseite sehen Journalisten in Städten wie Azaz oder Aleppo die Zerstörungen, die Scudraketen in Wohngebiete gerissen haben. 

Nützen Angriffe der Bevölkerung?

Sprengstoff und die Druckwelle einer einzigen Rakete lassen dutzende Wohnhäuser zu weißem Staub zerbröseln, aus den Trümmern ragen ein paar Ruinen wie eingeschlagene Zahnstümpfe. Die Gewalt der Explosion hat noch auf eine Entfernung von mehreren hundert Metern die Fassaden von Häusern abgerissen, Zimmerdecken eingedrückt, Stockwerke ausgebrannt. Noch Tage nach der gewaltigen Explosion irren Menschen durch diese Trümmerlandschaft und suchen nach Angehörigen. Weit und breit keine militärische Einrichtung. Krankenhäuser, E-Werke, Wasserwerke und andere überlebenswichtigen öffentlichen Einrichtungen werden ebenfalls systematisch zerstört. Terror pur gegen die eigene Bevölkerung.

Die Raketen schlagen fast immer nach Mitternacht ein, wenn sich möglichst viele Menschen in den Häusern aufhalten. Die Zahl der Opfer ist dann am höchsten. Die Logik von Terroristen. Auch die Chemiebomben waren vorige Woche zwei Stunden nach Mitternacht in den beiden von den Rebellen gehaltenen Vororten bei Damaskus eingeschlagen.

Und selbst wenn bei  einem zeitlich begrenzten Angriff die Marschflugkörper der US-Marine Waffenlager, Munitionsdepots, Raketenstellungen und Flugplätze zerstörten, hätte Assad zuverlässige Unterstützer, die die Depots schnell auffüllen können: Russland und der Iran haben ein Interesse daran, dass Assad im Damaszener Präsidentenpalast bleibt.

Militärschlag wird Assad-Regime nicht dauerhaft schwächen

Den Rebellen würden die Angriffe nur dann nützen, wenn viele Kampfflugzeuge, Raketenstellungen und Hubschrauber zerstört werden - die gefährlichsten Waffen Assads gegen Stellungen der Aufständischen. Das verschafft den Rebellen eine Atempause – mehr aber auch nicht. Denn, auch Hubschrauber und Flugzeuge können ersetzt werden, genauso Raketen. Das Assad-Regime aber wird durch solche begrenzten Angriffe nicht dauerhaft geschwächt. Es ist kaum vorstellbar, dass diese zunächst einmaligen Angriffe kriegsentscheidend sein werden.

Außerdem müssen sich Barack Obama, David Cameron und Francois Hollande fragen: Wenn das Assad-Regime wegbombt wird, was kommt dann? Wer soll in Damaskus regieren? Die Djihadisten, die eine immer wichtigere Rolle bei den Aufständischen spielen, wollen sie sicher nicht.

So nützen die geplanten Angriffe vor allem Obama selber. Er drohte, über seine eigene "Rote Linie" zu stolpern und als unglaubwürdiger Zauderer dazustehen. Jetzt hat er sich gefangen und klare Entscheidungen getroffen, wenn auch Entscheidungen von begrenzter Reichweite.

Hoffnung auf Waffenstillstand gleicht Traumtänzerei

Aber vielleicht – auch wenn das ein wenig nach politischer Traumtänzerei klingt – hätte die schon seit langem von den USA und Russland geplante und immer wieder verschobene Syrienkonferenz endlich eine größere Chance nach einem solchen Militäreinsatz: Assad wäre deutlich geschwächt, könne sich aber immer noch auf Russland und den Iran stützen. Die Opposition könne sich gestärkt fühlen, müsste aber endgültig einsehen, dass sie auf den Westen angewiesen ist. Und der Westen hätte kurz aber heftig gezeigt, dass er es ernst meint mit seinen Drohungen. Für Russland und den Iran, die natürlich beide mit am Verhandlungstisch sitzen müssten, eine klare Botschaft.

Ein Waffenstillstand wäre dann das Ziel.

Autor*in
Jörg Armbruster am Stand des vorwärts-Verlags auf der Frankfurter Buchmesse.
Jörg Armbruster

war langjähriger ARD-Korrespondent für den Nahen Osten.

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