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Merkel trifft Putin wegen Gewalt-Eskalation in der Ukraine

Die Separatisten im Osten der Ukraine haben eine Großoffensive gestartet, die die Handschrift russischer Militärs trägt. Kiew bittet den Westen dringend um Waffen, doch der setzt weiterhin auf Diplomatie. Am Freitag fliegen Bundeskanzlerin Merkel und Frankreichs Präsident Hollande nach Moskau.
von Dmitri Stratievski · 5. Februar 2015
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Seit drei Wochen wird im Osten der Ukraine wieder heftig gekämpft. Die neue Phase der Gewalt ist das Ergebnis mehrerer Verletzungen der Waffenruhe, meistens von der Seite der Separatisten. Der aktuellen Zuspitzung des Konfliktes sind bereits hunderte Menschen zum Opfer gefallen, darunter zahlreiche Zivilisten.

Die Separatistenanführer wollen ihren Einflussbereich ausweiten und sprechen das klar aus. Sie gelten als Hauptprofiteure der aktuellen Konfliktverschärfung. Aber auch andere Parteien entfernen sich von der Friedensrhetorik. Da die ukrainische Armee in der Defensive ist, werden die versöhnlichen Stimmen immer leiser. Mehrere politische Gruppen in Kiew rufen zur endgültigen Wiederherstellung der ukrainischen Souveränität mit militärischen Mitteln auf. Die Hardliner im Kreml hingegen, um Dmitrij Rogosin und Sergej Iwanow, brauchen neue Erfolge in der Ukraine, um ihre Position im komplexen russischen Machtgefüge zu festigen. 

Bis jetzt keine Waffenlieferungen an Kiew

Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko bittet den Westen deshalb dringend um Waffen. Er beteuert, Frieden zu wollen, „aber den Frieden muss man verteidigen, und dazu brauchen wir eine starke Armee mit modernen Waffen“. Die USA haben dieser Idee eine klare Absage erteilt, vorerst. Auch Deutschland wird die Ukraine nicht mit Waffen unterstützen, erklärte Bundeskanzlerin Angela Merkel. Ähnlich äußerten sich außenpolitische Sprecher und führende Experten von SPD und CDU. Auch wenn einige Christdemokraten „Verständnis“ für die Rufe nach Waffenlieferungen aufbringen, im Moment herrscht Konsens in der Bundesregierung: Eine Unterstützung Kiews mit Waffen ist für sie nicht vertretbar. Die Folgen dieser Entscheidung seien nicht absehbar.

Eine friedliche Lösung des Konflikts ist ebenso wenig absehbar. Der Abzug schwerer Waffen aus einer Pufferzone, der im Minsker Abkommen vereinbart worden war, ist keinen Schritt vorangekommen. Die Konfliktparteien setzen nachweislich weiterhin Panzer und Raketensysteme ein.

Internationale Friedensbemühungen stocken

Das lässt die kritischen Stimmen lauter werden. Sogar Außenminister Frank-Walter Steinmeier droht Russland mit neuen Sanktionen, obwohl dieser Begriff nicht zu seinem Standardwortschatz gehört. Der Ernst der Lage wird dadurch unterstrichen, dass sowohl Bundeskanzlerin Merkel als auch der französische Präsident Hollande überraschend ihren Besuch in Moskau für Freitag angekündigt haben. Die Einschaltung der Chef-Etage war offensichtlich nötig.

Zudem verdichten sich Hinweise auf die Suche nach neuen Lösungsideen im Umfeld des ukrainischen Präsidenten. Der Kiewer Politikberater Wladimir Fesenko, dem eine Nähe zu Poroschenko nachgesagt wird, plädiert für die Entsendung von UN-Truppen in die Ostukraine. Fesenko sieht „keine andere Möglichkeit, den Waffenstillstand und den Waffenabzug zu kontrollieren“. Bisher hat Kiew jede internationale Präsenz auf ukrainischen Boden abgelehnt, ausgenommen Beobachter.

Separatisten drohen Oberhand zu gewinnen

Die Lage im Osten der Ukraine ist unübersichtlich. Die Separatisten haben eine breite Offensive entlang der ganzen Frontlinie gestartet und vermelden Landgewinne. Gegenwärtig ist schwer einzuschätzen, ob die separatistische Militärführung sich tatsächlich vorgenommen hat neue Gebiete zu okkupieren, oder ob es sich um ein Täuschungsmanöver handelt. Das Ziel könnten dann beschränkte militärische Erfolge sein, zum Beispiel rund Tausend Regierungssoldaten bei Debalzewo einzukesseln, um bei den künftigen Verhandlungen ,bessere Karten‘ zu haben.

Aus militärstrategischer Sicht enthält der aktuelle Vorstoß der Separatisten sowohl Aspekte spontaner Initiativen vor Ort als auch klare Züge einer professionell geplanten Offensive, mit großer Wahrscheinlichkeit von russischen Experten entworfen.

Kriegsgefangene werden gedemütigt und misshandelt

Gleichzeitig verrohen die Sitten im Kriegsgebiet. Auf mehreren Webseiten veröffentlichten Separatisten Videos von gedemütigten und misshandelten ukrainischen Kriegsgefangenen. Die Webseiten von ukrainischen Freiwilligen-Bataillonen veröffentlichten Aufnahmen der Verhöre von Gefangenen, die unter anderem mit Schlägen und Todesdrohungen geführt wurden.

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Dmitri Stratievski

ist promovierter Historiker, Politologe und Osteuropa-Experte.

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