Menschenrechte weltweit achten: Gesetz soll Unternehmen in die Pflicht nehmen
Vor sieben Jahren brannte die Textilfabrik Ali Enterprises in Pakistan, mehr als 250 Menschen starben. Notausgänge waren versperrt, Fenster vergittert, die Fabrik wurde zu einer tödlichen Falle. Hergestellt wurden dort Textilien für den deutschen Markt, Hauptkunde war die KiK Textilien und Non-Food GmbH.
Lebensgrundlagen werden zerstört
Die Initiative Lieferkettengesetz erinnert am Dienstag in Berlin an diese Einsturzkatastrophe, die „nur die Spitze des Eisbergs“ sei, sagt ihr Sprecher Johannes Heeg in der Bundespressekonferenz. Unter dem Motto „Gegen Gewinne ohne Gewissen“ fordert ein breites Bündnis aus 64 zivilgesellschaftliche Organisationen von der Bundesregierung, deutsche Unternehmen gesetzlich zu verpflichten, weltweit Menschenrechte und Umweltstandards einzuhalten.
Denn dieser Verantwortung kommen sie nicht hinreichend nach, gleichzeitig müssen sie keine Konsequenzen fürchten, so die Kritik. Vielmehr gehörten ausbeuterische Arbeitsbedingungen zum Alltag und für „die Gewinnung von Rohstoffen für unsere Autos oder Elektrogeräte werden Lebensgrundlagen zerstört“, betont Heeg.
Deutsche Firmen tragen Mitverantwortung
Als Beispiel nennt MISEREOR-Geschäftsführer Pirmin Spiegel den Dammbruch der Eisenerzmine im brasilianischen Brumadinho im Januar dieses Jahres. An dieser Katastrophe für Mensch und Natur trugen seiner Meinung nach auch deutsche Unternehmen eine Mitverantwortung. Der Thyssen-Krupp-Konzern, der in der Zeit von 2016 bis 2018 mehr als 40 Millionen Tonnen Eisenerze gekauft hat, ebenso wie der deutsche TÜV-Süd, der nur wenige Monate zuvor die Sicherheit des Damms zertifiziert habe.
Schlechte Noten für deutsche Supermärkte
Marion Lieber von Oxfam Deutschland klagt deutsche Supermarktketten für die unwürdigen Arbeitsbedingungen auf den Weinplantagen Südafrikas an. „Die Listen an Verfehlungen deutscher Supermarktketten lasse sich unendlich fortsetzen“, sagt sie und spricht von Hungerlöhnen in der Garnelenproduktion in Asien oder dem fehlenden Schutz für Arbeiter beim Einsatz von gesundheitsgefährdenden Pestiziden. Das seien keine Ausnahmefälle, sondern die Regel, betont Lieber. „Vier von fünf untersuchten Supermarktketten müssten in Schulnoten ausgedrückt ein ungenügend erhalten und nur eine würde auf ein mangelhaft kommen.“
Und auch zahlreiche Brände im Amazonas haben eine Ursache. Sie würden gelegt, „um Platz für Soja als Tierfutter für die deutsche Massentierhaltung zu schaffen“, so Ernst-Christoph Stolper, Vize-Chef vom BUND. Auch der DGB will dem „vorherrschenden globalen Geschäftsmodell des Umwelt- und Sozialdumpings Einhalt gebieten“, sagt Frank Zach aus dem Bundesvorstand.
Freiwillige Ansätze reichen nicht
„Menschenrechtsverstöße sind Teil eines Systems, in dem Unternehmen unter hohem Wettbewerbs- und Preisdruck stehen, aber für die Auswirkungen ihrer Geschäftstätigkeit im Ausland nicht zur Rechenschaft gezogen werden können“, heißt es dazu in einem Hintergrundpapier der Initiative. Die Probleme seien seit langem bekannt, die „freiwilligen Ansätze der Unternehmen führten oft zu kaum mehr als kosmetischen Korrekturen“. Deshalb brauche es einen gesetzlichen Rahmen, der darüber hinaus Betroffenen die Möglichkeit gibt, ein Unternehmen bei Verstößen zur Rechenschaft zu ziehen.
Der von der Bundesregierung 2016 verabschiedete Nationale Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte bewertet die Initiative als unzureichend. Darin werden Unternehmen aufgefordert, Schritt für Schritt ihre Geschäftstätigkeit und ihre Geschäftsbeziehungen im Hinblick auf menschenrechtliche Risiken zu überprüfen und entsprechende Maßnahmen umzusetzen. Zielvorgabe ist, dass bis 2020 mindestens die Hälfte aller Unternehmen in Deutschland mit mehr als 500 Beschäftigten die im NAP beschriebenen Elemente menschenrechtlicher Sorgfalt in ihre Unternehmensprozesse integriert haben.
SPD unterstützt Initiative
Pirmin Spiegel kritisiert, dass es nicht um Zahlen und Proportionen, sondern um Menschenrechte und Menschenleben gehe. „Es reicht nicht, wenn 50 der Unternehmen die Menschenechte achten, Menschenrechte sind nicht quantifizierbar“, sagt er.
Die SPD im Bundestag unterstützt die Initiative: „Nachdem Wirtschaftsminister Altmaier den #NAP Wirtschaft und Menschenrechte zur Farce machen will, ist klar, dass wir ein #Lieferkettengesetz brauchen. Die@spdbt kämpft dafür“, schreibt Frank Schwabe, Sprecher der Arbeitsgruppe Menschenrechte und humanitäre Hilfe.
Auch für Bärbel Kofler, Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und Humanitäre Hilfe und Mitglied der SPD-Bundestagsfraktion, sind Menschenrechte keine Frage von Freiwilligkeit. „Ich setze mich für gesetzliche Regelungen zur menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht deutscher Unternehmen in Wertschöpfungsketten ein!“, erklärt sie per Nachrichtendienst Twitter. „Wenn 100 Prozent der Unternehmen ihrer menschrechtlichen Sorgfaltspflicht nachkommen, dann bräuchten wir kein Gesetz.“
hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.