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Mehr Rechte: Wie die EU Plattform-Beschäftigte besser schützen will

Das EU-Parlament möchte Mitarbeiter*innen von Plattformen wie Bolt, Uber, Gorillas besser absichern. Wie genau, erklärt Gaby Bischoff, arbeits- und sozialpolitischen Sprecherin der Europa-SPD, im Interview.
von Vera Rosigkeit · 10. Februar 2023
Plattform-Beschäftigte Gorillas
Plattform-Beschäftigte Gorillas

Was macht Beschäftigte auf digitalen Plattformen wie Uber, Bolt oder Gorillas zu „Sklaven des Algorithmus“, wie es die SPE-Abgeordnete Elisabetta Gualmini beschreibt?

Der Algorithmus regelt nahezu alles, was Plattformbeschäftigte betrifft, zum Beispiel wie viel Lohn sie erhalten, wann sie ihren nächsten Auftrag bekommen oder ob sie gut oder schlecht bewertet werden. Gleichzeitig ist dieser Algorithmus wie eine Blackbox, denn niemand weiß, wie er programmiert ist und zu seinen Wertungen kommt. Deshalb wollen wir – und das auch über die Beschäftigten auf digitalen Plattformen hinaus – mehr Transparenz beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz einführen.

Wie will die EU Plattform-Beschäftigte besser absichern?

Zunächst wollen wir vor allem die Beweislast umkehren. Denn viele Beschäftigten sind irrtümlicherweise als Selbstständige beschäftigt. Unser Ziel ist es, eine Scheinselbstständigkeit zu erschweren. Künftig müssen Plattforminhaber*innen nachweisen, dass es sich nicht um Beschäftigte handelt. Wir haben in vielen Ländern Europas eine Reihe erfolgreicher Klagen von Plattformbeschäftigten gehabt, die nachweisen konnten, dass sie Arbeitnehmer*innen sind. Bislang ist dieser Prozess für viele Beschäftigte nicht nur schwer, sondern dauert auch sehr lange. Beschäftigte, die Arbeitnehmer*innen sind, sollen auch alle Rechte haben, die ein Arbeitnehmerstatus mit sich bringt. Denn dann sind sie sozial besser abgesichert, wenn sie beispielswiese einen Arbeitsunfall haben oder krank werden.

Welche Hinweise deuten an, dass es sich bei einer Plattform um einen Arbeitgeber handelt?

Die EU-Richtlinie erhält eine Reihe Kontrollkriterien, mit deren Hilfe festgestellt werden kann, ob es sich bei einer Plattform um einen Arbeitgeber handelt. Wenn Beschäftigte beispielsweise direkt dem Unternehmen unterstellt sind, weisungsgebunden arbeiten und keinerlei eigenen Spielräume haben, sowohl was die Zeitgestaltung angeht oder Aufgaben anzunehmen, sind sie nicht selbstständig tätig, sondern als Arbeitsnehmer*in zu definieren. Wichtig ist uns hierfür einheitliche europaweite Mindeststandards zu erstellen, denn wir haben bereits Länder, die wie Spanien eine fortgeschrittene Gesetzgebung haben. Diese Länder haben ein großes Interesse, dass die Verhandlungen auf europäischer Ebene gelingen.

Wie weit sind die Verhandlungen?

Im Parlament haben wir uns auf ein Verhandlungsmandat verständigt und müssen nun mit dem Rat verhandeln. Wir hoffen, dass sich der Rat im März ebenfalls auf ein Mandat einigen kann, damit sich beide Seiten noch in diesem Jahr auf einen Gesetzentwurf verständigen können. Nur so können wir das Gesetz noch in dieser Legislatur abschließen. Es gab einen enormen Lobbydruck, wie ich ihn das letzte Mal bei den Verhandlungen zur Arbeitszeitrichtlinie erlebt habe.

Warum ist der Lobbydruck so stark?

Wir regeln unter anderem auch den Zugang von Gewerkschaften in die Betriebe. Dazu müssen Plattformen auch Informationen bereitstellen, was einige Unternehmen lieber nicht tun möchten. Wir wollen mit dieser Richtlinie auch Haltelinien gegen „Union Busting“ europaweit einführen. Einige dieser Plattformen wenden radikale Methoden an, um Arbeitnehmerrechte zu verhindern und das selbst in Ländern wie Deutschland, wo es ein gutes Arbeitsrecht gibt.

Wie viele Beschäftigte werden profitieren?

Wir reden im Moment von ungefähr 30 Millionen Beschäftigten, die europaweit über digitale Plattformen beschäftigt sind, Tendenz steigend. Die Kommission rechnet in den kommenden drei Jahren mit einem Zuwachs auf 43 Millionen Beschäftigten. Dieses Gesetz soll gute Arbeit für eine große Anzahl von Menschen in Europa garantieren.

Wie schätzen Sie den Erfolg ein?

Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir eine gute Richtlinie hinkriegen, weil es inzwischen eine breite Unterstützung in der Bevölkerung für klare Regeln gibt. Gerade in der vergangenen Woche ist ein Fahrradkurier in Brüssel tödlich verunglückt. Daran nehmen die Menschen Anteil und setzen sich für bessere Arbeitsbedingungen ein.

Worauf legt die SPE besonderen Wert?

Für uns ist die Umkehr der Beweislast besonders von Bedeutung, um Rechtssicherheit für die Plattformarbeiter*innen zu schaffen und vorhandene Rechte leichter durchsetzen können. Wichtig ist auch, dass Beschäftigte damit alle grundlegenden Arbeitnehmerrechte erhalten. Aber auch die Transparenz bei den Algorithmen ist ein enorm wichtiger Punkt, denn diese Regel wird für die Zukunft der Arbeit Standards setzen. Unsere Gesetze dürfen nicht hinter den Veränderungen der Arbeitswelt zurückbleiben. Mit Elisabetta Gualmini haben wir eine tolle Chef-Verhandlerin, Expertin und Vize-Präsidentin unserer Fraktion. Sie ist sehr engagiert und wird alles geben, damit das in diesem Jahr noch klappt.

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Vera Rosigkeit

hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.

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