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"Matteo Renzi ist ein Menschenfänger"

von Kai Doering · 23. Februar 2014

Am Samstag hat Matteo Renzi die Regierungsgeschäfte in Italien übernommen. Im Interview mit vorwärts.de sagt die Abgeordnete der Partito Democratico Laura Garavini, welche Aufgaben der neue Ministerpräsident als erstes angehen muss - und warum er der Richtige für den Posten ist.

vorwärts.de: Seit Samstag ist die neue italienische Regierung unter Matteo Renzi im Amt. Welchen Aufgaben muss sie sich als erstes widmen?

Laura Garavini: Eine Aufgabe steht ganz oben: Die neue Regierung muss für Wachstum sorgen und Arbeitsplätze schaffen. Ich hoffe, dass Renzi möglichst viel von seinem "Job Act" realisieren kann, mit dem er im innerparteilichen Vorwahlkampf geworben hat.

Was ist mit dem "Job Act" gemeint?

Matteo Renzis Job Act will einen Teil des deutschen Arbeitsmarktmodells übernehmen. Es soll beispielsweise eine effektive Arbeitsvermittlung - ähnlich der Bundesagentur für Arbeit in Deutschland - aufgebaut werden. Es soll eine verlässliche Arbeitslosenunterstützung für alle geben - bislang ist diese nur für Mitarbeiter großer Betriebe vorgesehen. Und es sollen Arbeitsverträge auf Zeit begrenzt und Kettenarbeitsverträge verboten werden. Außerdem sieht Renzis Job Act vor, dass Unternehmen, die finanzielle Unterstützung für Ausbildung bekommen, online nachweisen müssen, wie sie diese Unterstützung verwenden. Sie können sogar ihre Betriebserlaubnis verlieren, wenn sie die Standards der Ausbildung nicht beachten. Alle Unternehmen sollen im Zuge der Bekämpfung von Steuerhinterziehung zu einer elektronischen Buchführung verpflichtet werden und es soll künftig möglich sein, unbürokratisch und schneller kleine Firmen zu gründen, ohne sich bei der Handelskammer einschreiben zu müssen. Dieser Job Act ist der Hauptgrund, warum ich Renzi im Vorwahlkampf unterstützt haben - hier muss Renzi den Ankündigungen jetzt Tagen folgen lassen. Leider hat der Koalitionspartner, die neue Partei der rechten Mitte, bereits angekündigt, dass sie nicht alle Punkte von Renzis Job Act mittragen will.

Renzi ist der jüngste Ministerpräsident, den Italien je hatte. Viele setzen große Hoffnungen in ihn. Woran liegt das?


Matteo Renzi ist ein Menschenfänger. Er ist rhetorisch stark und kann sich auch in den Medien gut verkaufen. Viele aus der Demokratischen Partei sehen in ihm den Siegertypen, der uns als italienischen Sozialdemokraten lange gefehlt hat. Generell gilt Renzi als Macher, als einer, der für einen neuen Anfang in der italienischen Politik steht. Ich habe Renzi im Vorwahlkampf unterstützt. Ich halte ihn für durchsetzungsstark - aber ich warne auch vor übertriebenen Erwartungen. Denn der Glaube, dass ein Einziger in der Politik alles verändern kann, ist mir etwas suspekt. Renzi muss jetzt zeigen, dass er auch ein Teamplayer ist - denn letztendlich braucht er für die großen Reformen, die er anpacken will, die Unterstützung vieler in der Partei und in der Gesellschaft.

Wie wird sich das deutsch-italienische Verhältnis durch den neuen Ministerpräsidenten verändern?

In der Außenpolitik ist Matteo Renzi noch ein völlig unbeschriebenes Blatt. Daher wage ich hier keine Prognosen. Ich hoffe, dass er nicht versucht, die anti-europäische Stimmung, die es in Italien gibt, zu befriedigen. Sicherlich wird Renzi auf europäischer Ebene selbstbewusster auftreten, als dies andere italienische Regierungschefs gemacht haben. Dies entspricht seiner Persönlichkeit, aber auch der Erwartung vieler Italiener, auch vieler Sozialdemokraten in Italien. Man will sich von Europa und speziell von Angela Merkel keine Vorschriften machen lassen. Gut finde ich, dass sich Matteo Renzi klar zur Vollmitgliedschaft der italienischen Demokraten in der Sozialdemokratischen Partei Europas bekannt hat. Bei diesem Thema haben viele andere in der Partei gezögert, weil es auch einen starken links-katholischen Flügel bei uns gibt. Matteo Renzi dagegen hat sich klar zur SPE bekannt. Auch das macht in mir sympathisch - und es lässt mich hoffen, dass er den klar pro-europäischen Kurs der SPE hundertprozentig mittragen wird.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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