Die Opposition des westafrikanischen Landes - darunter die früheren Premierminister Cellou Dalein Diallo und Sidya Toure - hatte zu einer Protestveranstaltung im Stadion der Hauptstadt aufgerufen, der mehr als 50.000 Menschen gefolgt waren. Anlass war die Kandidatur des derzeitigen Staatsoberhauptes Oberst Moussa Dadis Camara bei den Wahlen im kommenden Januar.
Uneingelöstes Versprechen auf freie Wahlen löst Proteste aus
Oberst Camara hatte im Dezember vergangenen Jahres mit Hilfe des Militärs die Macht in Guinea übernommen. Zwar verlief sein Staatsstreich unblutig, verstieß jedoch gegen die Verfassung. Um
Bevölkerung, Opposition und internationale Gemeinschaft zu beschwichtigen versprach der Oberst daher alsbaldige Neuwahlen und einen Verzicht auf die eigene Kandidatur. Zuletzt erwog Camara jedoch
seine Teilnahme an der Wahl, die für den 31. Januar 2010 geplant ist, und zerstörte damit Hoffnungen auf eine zivile Regierung.
Die Protestkundgebung der "Union Republikanischer Kräfte" im Stadion des 28. September eskalierte in Minuten. Sicherheitskräfte aus Armee, Polizei und Präsidentengarde hatten bereits zu
Beginn der Veranstaltung das Stadion umstellt und begannen plötzlich Tränengas einzusetzen. Schließlich schossen sie in die Menschenmenge und lösten damit Panik aus. "Sie begannen plötzlich auf
uns zu zielen," berichtet Oppositionsführer Sidya Toure. Bei der Flucht aus dem Stadion soll es zu zahlreichen Toten, Verletzten und Festnahmen gekommen sein. Zudem sollen sich Sicherheitskräfte
an flüchtenden Frauen vergangen haben. Menschenrechtsorganisationen sprechen von 157 Toten, die Regierung hat etwa die Hälfte bestätigt. Zudem sollen laut Human Rights Watch 1.250 Menschen
verletzt worden sein.
Demonstrationsverbot folgt
UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon zeigte sich schockiert, der Sicherheitsrat verurteilte die Vorfälle. Die ehemalige Kolonialmacht Frankreich kündigte an, ihre Zusammenarbeit mit Guinea
einzufrieren. Die Europäische Union lässt neue Sanktionen gegen die Regierung prüfen.
Camara wies die Verantwortung für die Vorfälle jedoch von sich. "Ich bin erschüttert, ich bedaure das Geschehene zutiefst. Ich kontrolliere nicht alle Aktivitäten der Armee," sagte er im
französischen Radio und bezeichnete den Zustand der Sicherheitskräfte als höchst problematisch, "die Autoritäten werden jedoch das Notwendige tun, um Licht in die tragischen Ereignisse zu
bringen."
Als erstes verbot Camara jedoch alle weiteren Demonstrationen. "Jegliche subversive Versammlung, egal von welcher Seite und welcher Natur ist bis auf Weiteres untersagt," so der Junta-Chef,
"ich rufe religiöse Autoritäten, Meinungsführer, politische Parteien, Zivilgesellschaft und die Medien dazu auf, von Aussagen und Aktivitäten Abstand zu nehmen, die die Öffentliche Ordnung stören
könnten."
Opposition will demokratisch gewählte Regierung
Die Opposition zeigte sich jedoch doppelt veranlasst, wieder auf die Straße zu gehen. "Wir können nicht mehr zurück," sagt Alpha Conde, einer der führenden Oppositionspolitiker, der sich
derzeit jedoch in New York befindet, "wir wollen freie und demokratische Wahlen und angesichts dessen, was gestern passiert ist, den Rücktritt der Regierung."
Aufgrund des unblutigen Putsches vergangenen Jahres, der ein Machtvakuum verhindert hatte, aber auch wegen seines gemäßigten Kurses hatte Camara zunächst viel Vertrauen bei politischen
Parteien, Zivilgesellschaft und auch der internationalen Staatengemeinschaft erworben. So ernannte er einen zivilen Premierminister, stellte er sich kritischen Journalisten und beschwichtigte
mit der Aussicht auf die ersten fairen und freien Wahlen in Guinea. Wie weit er nun für das Massaker verantwortlich ist, bleibt unklar. Gestern verkündete Camara jedoch die Einberufung einer
internationalen Untersuchungskommission.
Guinea liegt nicht nur in einer äußerst instabilen Region, sondern gilt auch als einer der wichtigsten Drogenumschlagsplätze in Westafrika. Die internationale Gemeinschaft ist aufgerufen,
den fragilen Staat nicht pauschal zu isolieren. Denn mit Somalia verfügt Afrika bereits über genügend gescheiterte Staaten.
arbeitet als freier Autor mit Schwerpunkt Afrika, Lateinamerika und Naher Osten.