Martin Schulz bei Emmanuel Macron: Alles auf Europa
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Es gab keinen langen Händedruck wie mit Donald Trump, dafür aber ein umarmendes Schulterklopfen. Das zeigt das einzige Foto, das von der Begegnung zwischen Martin Schulz und Emmanuel Macron am Donnerstagabend im Elysée-Palast zeugt. Der SPD-Kanzlerkandidat twitterte es nach dem Gespräch für die herzliche Begrüßung, die der französische Präsident ihm bereitete. „Aus der gemeinsamen Zeit, die wir zusammen gearbeitet haben, ergab sich, dass die Atmosphäre so war wie immer zwischen ihm und mir, nämlich voller Vertrauen“, sagte Schulz hinterher. Die beiden Männer kennen sich seit dem Wahlkampf 2011, als der SPD-Politiker damals als Vorsitzender der sozialistischen Fraktion im Europaparlament an einer Wahlkampfveranstaltung des Kandidaten François Hollande teilnahm. Nun traf Macron den SPD-Kanzlerkandidaten im Elysée, wo er eine Woche zuvor auch die Kanzlerin empfing.
Seit ihrer ersten Begegnung haben sich die Zeiten geändert und Macron ist nicht mehr im Wahlkampfteam Hollandes, sondern selbst Präsident. Gewählt mit einer gezielt pro-europäischen Kampagne, wie sie Martin Schulz auch im Bundestagswahlkampf führen will. Um den Wahlkampf ging es auch bei dem Treffen im Elysée, das statt der angesetzten 45 Minuten mit knapp anderthalb Stunden deutlich länger dauerte. Einig waren sich die beiden gerade und vor allem beim Thema Europa. „Bei den Reformschritten, die in Europa nötig sind, ist zwischen seinem Programm und meinem Programm eine enorme Übereinstimmung“, sagte Schulz nach dem Treffen vor Journalisten mit der Kulisse des Eiffelturms im Rücken. Das Treffen im Elysée-Palast fand unter Ausschluss der Presse statt.
Macron kann sich als französischer Staatschef nicht offiziell in den deutschen Wahlkampf einmischen. „Ich habe noch keinen Präsidenten erlebt, der in den Wahlkampf eines anderen Landes eingreift. Das würde ich auch nicht wünschen“, sagte der Kandidat. Allerdings kenne er Macron schon lange: „Wir sind befreundet und haben ein großes Maß an Übereinstimmung.“ Dass es zwischen den Duz-Freunden in manchen Punkten auch haken könnte, wollte der 61-Jährige hinterher nicht ausschließen. Schließlich sei Macron „kein Sozialist alter französischer Prägung“. Vielmehr verfolgt der linksliberale Staatschef eine bei den französischen Sozialisten umstrittene Arbeitsrechtsreform, die den Unternehmen mehr Mitsprache einräumen und so die Macht der Gewerkschaften beschneiden soll.
Martin Schulz „Deutschland muss mehr investieren“
Macron weiß, dass seine Projekte vor allem in Deutschland genau angeschaut werden. „Wenn es Emmanuel Macron nicht schafft, sich hier durchzusetzen, dann gerät Europa in Gefahr“, warnte Schulz. Schließlich habe der Präsident mit seiner Wahl die Anti-Europäerin Marine Le Pen verhindert. „Deshalb braucht er nicht warme Worte, sondern konkrete Kooperation. Die kriegt er mit mir mehr als mit Angela Merkel.“ Er sei sich mit Emmanuel Macron einig gewesen, dass Deutschland mehr leisten könne.
„Deutschland muss mehr investieren“, hatte Schulz kurz vor der Begegnung mit Macron auch in einem Vortrag vor Studentinnen und Studenten der renommierten Politik-Elitehochschule „Sciences Po“ gefordert. „Das Ungleichgewicht in der Eurozone muss verringert werden“, sagte er in seiner auf Französisch gehaltenen Rede. Der frühere Präsident des Europaparlaments war beim Thema Europa ganz in seinem Element. Mehrfach zitierte er während seines Paris-Besuchs eine Umfrage, wonach die Zustimmung zu einer Stärkung der EU in Deutschland innerhalb weniger Monate von 32 auf 64 Prozent gestiegen war. Ein Grund mehr, im Wahlkampf auf Europa zu setzen. Auf die Frage eines Studenten, ob seine Kanzlerkandidatur keine Herabstufung nach seinem EU-Spitzenposten sei, lachte Schulz. „Es wird mir Spaß machen, Angela Merkel zu erzählen, dass die Studenten in Paris ihren Job als Downgrading ansehen.“
Christine Longin begann ihre journalistische Laufbahn bei der Nachrichtenagentur AFP, wo sie neun Jahre lang die Auslandsredaktion leitete. Seit vier Jahren ist sie Korrespondentin in Frankreich, zuerst für AFP und seit Juli für mehrere Zeitungen, darunter die Rheinische Post.