International

Manchester: Warum sich junge Briten nicht vom Terror einschüchtern lassen

Der Anschlag auf ein Pop-Konzert in Manchester sollte die Jugend Großbritanniens treffen. Doch die jungen Menschen lassen sich nicht einschüchtern: Sie feiern das Leben und stellen sich denen in den Weg, die den Terror politisch ausschlachten wollen.
von Paul Starzmann · 24. Mai 2017

„Ihr werdet scheitern!“ So lautet die Botschaft, die der SPD-Chef und Kanzlerkandidat Martin Schulz an die Terroristen dieser Welt aussendet. Nachdem am Montagabend ein mutmaßlich islamistisch motivierter Attentäter im englischen Manchester 22 Menschen mit in den Tod gerissen und rund 60 verletzt hat, trat Schulz am Dienstag vor die Mikrofone im Willy-Brandt-Haus: „Was auch immer ihr versucht – unsere Gesellschaft ist stärker als euer Hass und euer Wahn.“

Die Briten rücken in Krisenzeiten zusammen

Nach einem Nachtclub in Paris im November 2015 oder einem Weihnachtsmarkt in Berlin im Dezember 2016 hat der Terror nun eine Konzerthalle in England getroffen. Wieder war es ein „weiches Ziel“, also ein Bereich des öffentlichen Lebens, der sich kaum gegen fanatische Einzeltäter absichern lässt. Und wieder sind die Opfer feiernde Menschen. Im Pariser Club Bataclan, auf dem Berliner Breitscheidplatz, und jetzt in der Konzert-Arena von Manchester – überall gerieten junge Menschen in Partlylaune ins Visier der Terroristen.

Nach dem Anschlag in Berlin reagierten die Bewohner der Hauptstadt besonnen. Das gleiche lässt sich jetzt auch für die „Mancunians“ sagen – für die Einwohner Manchesters. Nach dem Attentat auf ihre Stadt bewahren sie Ruhe und wollen jetzt vor allem eins zeigen: Zusammenhalt. Den stellvertretenden Vorsitzenden der deutsch-britischen Parlamentariergruppe, den SPD-Bundestagsabgeordneten Jens Zimmermann, überrascht das nicht. Es sei „tief in der britischen Seele verankert, in Zeiten der Krise enger zusammenzurücken“, sagte er.

600.000 Pfund für die Opfer des Anschlags

Schon Minuten nachdem der Attentäter die Bombe gezündet hatte, zeigten viele Menschen ihre Solidarität. Wie britische Medien berichten, eilten sofort Taxifahrer in die Innenstadt, um die Opfer des Anschlags kostenlos vom Tatort wegzubringen. Viele Anwohner öffneten ihre Wohnungen und Häuser als Schutzraum für die jungen Menschen, die aus der Konzerthalle geflohen waren. Kurz nach dem Anschlag startete die lokale Zeitung „Manchester Evening News“ eine Spendenaktion für die Opfer des Attentats. Bis Dienstag seien rund 600.000 Pfund (fast 700.000 Euro) zusammengekommen, berichtet der „Telegraph“.

Am Tag nach dem Anschlag strömten zehntausende Menschen in ganz Großbritannien auf die Straßen, um gegen den Terror zu demonstrieren. Unter dem Hashtag #Standtogether verbreiten sich seither Nachrichten, die Mut machen: Zum Beispiel seien in Manchester inzwischen so viele Blutspenden eingegangen, dass die örtlichen Krankenhäuser keine weiteren Spender aufnehmen können. Wie Spiegel Online berichtet, organisierten einige junge Leute nach dem Anschlag in der Studenten-Stadt sogar Partys – nicht nur um sich gemeinsam von der Trauer abzulenken, sondern auch um den Terroristen zu zeigen, dass sie sich trotz der Gewalt nicht die Lebensfreude nehmen lassen. Die Schüler der Chetham Music School aus Manchester sendeten im Internet ihre eigene Botschaft aus: Sie sangen zusammen das Lied „Don’t look back in anger“ („Schau nicht im Ärger zurück“), ein Hit der Band Oasis, die in den 1990ern von Manchester aus die Pop-Welt eroberte. Der Appell: Nach vorne schauen, das Leben geht weiter.

Rechtsradikale versuchen, das Attentat auszuschlachten

Trotzdem bleibt eine gewisse Nervosität zurück. Nicht nur fürchten sich viele in Großbritannien vor weiteren Anschlägen, da vermutlich ein ganzes Terrornetzwerk hinter der Tat von Montag steckt. Der Kaplan der Universität von Manchester sagte dem Sender BBC, er habe Sorge, dass sich die Wut der Bürger nun pauschal gegen alle Muslime im Land richten könnte: „Ich habe Angst davor, was als nächstes passiert.“ In der Tat haben Sympathisanten der islamfeindlichen „English Defence League“ – so etwas wie die britische Version von „Hooligans gegen Salafisten“ – offenbar schon versucht, politisches Kapital aus dem Attentat zu schlagen. Ihrer kleinen Demo in Manchester stellten sich allerdings engagierte Bürger entgegen, wie britische Medien übereinstimmend berichten. „Die Menschen in Manchester unterstützen euren Rassismus und eure Xenophobie nicht“, rief ein Gegendemonstrant.

„Es gibt stramme Rechtsradikale, die versuchen werden, das auszuschlachten“, sagt der SPD-Politiker Jens Zimmermann im Gespräch mit vorwärts.de. „Aber im Großen und Ganzen wird sich der Zusammenhalt durchsetzen.“

Autor*in
Paul Starzmann

ist promovierter Sprachwissenschaftler und war bis Mai 2018 Redakteur beim vorwärts.

0 Kommentare
Noch keine Kommentare