Macrons Dreiklang für Europa: Freiheit, Schutz und Fortschritt
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Es muss dringend gehandelt werden, schreibt Frankreichs Präsident Emmanuel Macron in einem Brief an die Bürger Europas. Noch nie seit dem Zweiten Weltkrieg sei Europa so wichtig gewesen. Gleichzeitig sei Europa noch nie in so großer Gefahr gewesen. Deswegen fordert Macron einen Neubeginn „als Maßnahme gegen Abschottung und Spaltung“. Dieser soll auf dem Dreiklang Freiheit, Schutz und Fortschritt basieren.
Gegen Hacker und Hasskommentare
Konkret schlägt der französische Präsident die Gründung einer „europäischen Agentur für den Schutz der Demokratie“ vor. Diese solle in jeden Mitgliedsstaat der EU Experten entsenden, um Wahlen vor Hackerangriffen und Manipulationen zu schützen. Zudem müsse es EU-weite Regelungen geben, um „Hass- und Gewaltkommentare aus dem Internet zu verbannen“.
Macron möchte nicht nur das Internet schützen, sondern auch Europas Grenzen. Dafür fordert er, den Schengenraum neu zu überdenken. Alle Staaten, die ihm angehören wollten, müssten für strenge Grenzkontrollen und eine gemeinsame Asylpolitik mit einheitlichen Regeln für Anerkennung und Ablehnung sorgen. Eine gemeinsame Grenzpolizei und eine europäische Asylbehörde unter Aufsicht eines „Europäischen Rats für innere Sicherheit“ solle die Einhaltung dieser Regelungen gewährleisten. Auch spricht sich der französische Staatschef für eine Erhöhung der Militärausgaben aus, was in einem Vertrag über Verteidigung und Sicherheit festgeschrieben werden soll. Zugleich solle die europäische Handelspolitik so reformiert werden, dass künftig Unternehmen bestraft werden, „die unsere strategischen Interessen und unsere wesentlichen Werte untergraben“.
Für soziale Grundsicherung und Mindestlohn
Im Sinne des Fortschritts schlägt Macron eine soziale Grundsicherung vor, die für gleiche Bezahlung am Arbeitsplatz sorgen soll. Ebenfalls solle ein an jedes Land angepasster europäischer Mindestlohn eingeführt werden. Einen deutlichen Appell richtet der französische Präsident in Sachen Klimaschutz an die Bürger der EU. Macron fordert, innerhalb der EU die CO2-Emissionen bis 2050 auf null zu reduzieren und bis zum Jahr 2025 50 Prozent weniger Pestizide zu verwenden. Eine „Europäische Klimabank“ solle den ökologischen Wandel finanzieren, eine Kontrolleinrichtung für wirksamen Schutz der Lebensmittel sorgen und eine von Lobbyisten unabhängige Bewertung den Schutz von Umwelt und Gesundheit sichern.
Um all diese Vorschläge umzusetzen, will Macron noch bis Ende des Jahres eine Europakonferenz ins Leben rufen, auf der die erforderlichen Änderungen mit Vertretern der Mitgliedsstaaten und der EU-Institutionen diskutiert werden sollen. Im Hinblick auf die Europawahl im Mai solle der Brexit eine Lehre sein, künftig wieder mehr auf progressive und proeuropäische Kräfte zu vertrauen.
Lob von Maas und Barley
Außenminister Heiko Maas sagt im Gespräch mit dem Tagesspiegel: „Eine engagierte Debatte darüber, wie wir uns Europas Zukunft vorstellen, tut der europäischen Demokratie gut, gerade vor den Europawahlen. Dazu gibt Emmanuel Macron sehr wertvolle Impulse. Einige seiner Vorschläge greifen Ideen auf, an denen Deutschland und Frankreich bereits arbeiten.“ Maas könne sich darüber hinaus weitere Akzente vorstellen, etwa bei der Wahrung des europäischen Zusammenhalts und bei der Rechtsstaatlichkeit. Entscheidend sei, das Feld nicht denen zu überlassen, „die den Menschen Angst vor Europa machen wollen, sondern darüber zu sprechen, mit welchen Reformideen wir die Europäische Union stärken können“.
Die SPD-Spitzenkandidatin zur Europawahl Katarina Barley begrüßt Macrons Vorstoß. „Wir Europäerinnen und Europäer müssen jetzt zusammenkommen und Europa gemeinsam stark machen“, schreibt die Bundesjustizministerin auf Twitter. Die Worte von Emmanuel Macron seien ein Angebot an die Bürger Europas und seine Regierungen. Die SPD-Vorschläge für ein soziales Europa, wie die Einführung europäischer Mindestlöhne, finden sich auch im Text des französischen Präsidenten wieder. „Jetzt ist die Stunde der überzeugten Europäer, gemeinsam für eine Antwort zu sorgen“, ist Barley überzeugt.
Ähnlich äußert sich Achim Post, der Generalsekretär der Sozialdemokratischen Partei Europas und Vize-Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion: „Als Sozialdemokraten stimmen wir mit Macron darin überein, dass Europa eine mutige Reform und Erneuerung braucht.“ Auch wenn Post nicht alle Ansichten des französischen Staatspräsidenten teile, gebe Macron einen Anstoß, der in die richtige Richtung weise: „Die Antwort auf Trump, Orbán, Salvini und Co. kann nur ein starkes und noch gerechteres Europa sein.“
„Leider hat Frau Merkel in der Vergangenheit zu sehr als europapolitische Zauderkönigin agiert und die Initiativen des französischen Präsidenten ins Leere laufen lassen“, kommentiert Post. Für die Sozialdemokraten stehe dagegen außer Zweifel, dass Deutschland und Frankreich an einem Strang ziehen müssten, wenn es darum gehe, die Europäische Union gemeinsam zu reformieren.
ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo