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Libyen: Die Ära nach Gaddafi

von Ramon Schack · 21. Oktober 2011
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vorwärts.de: Robert Baer, Gaddafi ist tot, was bedeutet das für die Zukunft Lybiens?

Robert Baer: Es gibt eine nicht unbegründete Furcht, dass die Ära nach Gaddafi zu weiteren Unruhen führen könnte. In Libyen gibt es nach Jahrzehnten der Diktatur keine etablierte politische Kultur, es handelt sich ja um eine Stammesgesellschaft. Am Ende wird sich alles an den Rivalitäten der ca. 140 Stämme und deren Clans entscheiden, die der gestürzte Diktator geschickt gegeneinander auszuspielen verstand.

Gaddafi selbst warnte vor einer islamistischen Machtübernahme in Tripolis, stilisierte sich am Ende seiner Diktatur als Vorkämpfer gegen Al-Quaida.

Richtig. Schon in den 1980er Jahren bekämpfte Gaddafi Strömungen, die wir heute als salafistisch bezeichnen würden, die sich auf ehemalige Afghanistan-Kämpfer stützten. Obwohl er den internationalen Terrorismus weltweit unterstützte, stand er in Feindschaft zu Organisationen, die wir unter dem Sammelbegriff Al-Quaida kennen. Die Möglichkeit einer islamistischen Machtübernahme ist durchaus gegeben. Wahrscheinlich wird es zu Bildung eines moderaten islamischen Regimes kommen.

Sehen Sie immer noch die Gefahr, dass die Anti-Gaddafi-Koalition bald zusammenbrechen wird, wie Sie es vor einiger Zeit prognostiziert haben?

Diese Gefahr ist immer noch real aufgrund der schon erwähnten Struktur der dortigen Gesellschaft. Die Fehler, die im Irak mit der Auflösung der Baath-Partei, bzw. der Entfernung ihrer Mitglieder aus allen öffentlichen Ämtern gemacht wurden und ein Zusammenbruch jeglicher administrativer Kompetenz zur Folge hatten, sollten in Libyen nicht wiederholt werden.

Im Westen galt Gaddafi ja wahlweise als Schurke und als Partner.

Daran lässt sich die Absurdität der westlichen Politik erkennen.Die Nachgebigkeit des Westens gegenüber Gaddafi, der in Wirklichkeit eine Verurteilung verdient hätte, gehört - neben den Beziehungen der USA zu Saudi-Arabien-zu den schändlichsten Kapiteln dieser Politik. Washington hatte diesen Kurs vorgegeben, die Beziehungen zwischen den USA und Libyen wurden trotz der terroristischen Vergangenheit Gaddafis und der prekären Menschenrechtssituation in Libyen normalisiert. Amerikanische Ölkonzerne nahmen ihre Arbeit vor Ort auf. Tony Blair sprach von einem verlässlichen Partner.

Der Sturz des Gaddafi Regimes kam aber auch nur durch westliche Hilfe zustande.

Eine genaue Analyse des Einsatzes in Libyen steht noch aus. Die militärische Entscheidung kam nicht aus dem Osten Libyens, sondern aus dem Westen, der Gegend entlang der tunesischen Grenze. Die dortigen Berber bekämpften mit Hilfe ausländischer Experten die Truppe Gaddafis erfolgreich.

Wie stark war eingentlich der CIA an dem Sturz Gaddafis beteiligt?

Der CIA spielte in Libyen nur eine zweitklassige Rolle. Hier handelt es sich um eine libysche Revolution, flankiert von konventionellem militärischem Beistand des Westens.

Autor*in
Ramon Schack

ist Politologe und Journalist.

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