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Krise der Globalisierung

von Susanne Dohrn · 19. März 2009
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Die Krise hat eine Länge von mindestens 120 Kilometern. Das sind die Güterwaggons der Bahn, die derzeit still stehen, weil es weniger zu transportieren gibt. Deshalb hat die Bahn, wie viele andere Unternehmen in Deutschland auch, beschlossen ab März Kurzarbeit einzuführen. Der Bundesagentur für Arbeit liegen Anträge für 1,5 Millionen Beschäftige vor, Joachim Möller, Leiter des Forschungsinstituts des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung in Nürnberg. Der richtige Boom bei der Kurzarbeit werde wohl erst noch kommen, prognostiziert er. Kein Wunder, denn die Zahlen in manchen Branchen sind erschreckend.

Weniger Bestellungen im Maschinenbau

Um 42 Prozent sind die Aufträge im deutschen Maschinenbau im Januar im Vergleich zum Vorjahr zurückgegangen. Zwar werde das Minus überzeichnet, weil sich die Bestellungen im Maschinenbau bis weit ins Frühjahr 2008 auf Rekordhöhe bewegten. Aber ein Licht am Ende des Tunnels sei derzeit eher nicht in Sicht, so Ralph Wiechers, Chefvolkswirt des Maschinenbauverbands. Der Export, sonst ein relativ krisenfestes Rückgrad der deutschen Wirtschaft, ist diesmal besonders betroffen. Denn wir haben es nicht nur mit einer Finanzkrise zu tun. "Wir haben es mit einem Zusammenbruch des Systems der Globalisierung zu tun, nicht nur mit einer Immobilienkrise", so Prof. Karlheinz Schmidt, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Güterkraftverkehr im Interview mit vorwärts.de " Kein Aufschwung 2010". Denn wenn der Export einbricht, trifft es auch die Transportbranche - von den Häfen, über die Bahn, bis zu den Transportunternehmen.

Zwei Drittel nicht oder kaum betroffen

Niemand vermag derzeit zu sagen, wie sich die Krise weiter entwickelt. Kündigungen in Deutschland halten sich derzeit in Grenzen. Entlassen werden erst einmal die Zeitarbeiter, die Stammbelegschaften werden in Kurzarbeit oder Kurzarbeit mit Qualifizierung geschickt. "Wer die schlechte Auftragslage für die Weiterbildung der Belegschaft nutzt, bereitet sich optimal auf die Zeit nach der Krise vor", so die Bundesagentur für Arbeit in Rheinland-Pfalz. Aus diesem Grund hat die Bundesregierung die Bezugsdauer von Kurzarbeitergeld von 12 auf 18 Monate erhöht.

Noch gilt: Wer nicht in den von der Krise betroffenen Branchen arbeitet, ist nicht oder kaum betroffen, zeigt das Interview " Wichtig ist der Konsum" mit Michael Alber, Leiter der Abteilung Volkswirtschaft und Finanzen vom Bundesverband Groß- und Außenhandel. Das sind immerhin für zwei Drittel der Deutschen - weil sie Rente oder Pension beziehen, Beamte sind oder Angestellte im Öffentlichen Dienst, für private Versorger arbeiten, die von öffentlichen Aufträgen abhängen, wie die Müllabfuhr, oder weil sie - auch wenn es zynisch klingt - schon jetzt Hartz IV bekommen. Hinzu kommt: Die Lohn-, Gehalts- und Rentenerhöhungen dieses Jahres sowie die Steuererleichterungen, wie die Rücknahme der Pendlerpauschale, schaffen Kaufkraft. All das stützt - noch - den privaten Konsum.

Was kommt nach der Krise?

Natürlich wird auch kräftig über die Zeit nach der Krise nachgedacht. Ein Beispiel ist die Autoindustrie. Die profitiert derzeit zwar kräftig von der Abwrackprämie. Sie muss sich aber gleichzeitig auf einen völlig gewandelten Markt einstellen. Zukünftig gilt Spritsparen statt SUV fahren. Und ob die Autofahrer noch bereit und in der Lage sein werden, soviel wie bisher für einen Wagen auszugeben, ist zumindest zu bezweifeln. Der Preis für einen Neuwagen stieg in den industrialisierten Ländern in vergangenen 20 Jahren um 100 Prozent, das Durchschnittseinkommen dagegen nur um 50 Prozent, so die Studie "Car innvation 2015".

Die Hersteller beginnen, sich darauf einzustellen. Mercedes will noch in diesem Jahr lokal emissionsfreie Fahrzeuge mit Brennstoffzellen- und batterie-elektrischem Antrieb in Kleinserien auf die Straße bringen, so Herbert Kohler, Leiter Fahrzeugbau und Antrieb, Forschung und Vorentwicklung bei der Daimler AG im Interview " Maßgeschneiderte Angebote". Zusammen mit BMW arbeitet der Konzern an der Weiterentwicklung der Hybid-Technik. Volkswagen setzt vor allem auf die Optimierung von Verbrennungsmotoren. Auf dem Genfer Autosalon stellte das Unternehmen einen Polo vor, der 3,3 Liter Diesel auf 100 Kilometer braucht. Der Wagen ist allerdings derzeit noch eine Studie.

Zum Schluss ein kleiner Hoffnungsschimmer: Der Baltic Dry Index, Spiegelbild der Kapazitätsauslastung von Schiffen und damit Frühindikator für die wirtschaftliche Entwicklung, scheint wieder leicht zu steigen.

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Susanne Dohrn

ist freie Autorin und ehemalige Chefredakteurin des vorwärts.

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