Krise am Persischen Golf: Ist die Fußball-WM in Katar noch zu retten?
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Seitdem bekannt ist, dass der Weltverband FIFA die Fußball-WM 2022 in Katar ausrichten will, gibt es jede Menge Kritik: In dem Königreich herrsche moderne Sklaverei, heißt es immer wieder, die dortige Menschenrechtslage sei katastrophal. Jetzt sieht sich die katarische Regierung neuen, noch heftigeren Vorwürfen ausgesetzt: Sie wird verdächtigt, islamistische Terror-Organisationen zu unterstützen.
DFB-Präsident Grindel denkt über WM-Boykott nach
Eine Koalition aus Nachbarstaaten hat deshalb am Wochenende die diplomatischen Beziehungen zu Katar eingefroren. Die Regierung in Doha unterstütze wie den „Islamischen Staat“ und die „Muslimbrüder“, lautet die Kritik. Sowohl Saudi-Arabien und Bahrain als auch Ägypten und die Vereinigten Arabischen Emirate kündigten an, ihre Botschafter aus Katar abzuziehen. Seither wollen die USA, Kuwait und die Türkei in der diplomatischen Krise vermitteln.
In Deutschland ruft der Vorfall vor allem ein anstehendes Großereignis ins Gedächtnis: die Fußballweltmeisterschaft 2022. Reinhard Grindel, Präsident des Deutschen Fußballbundes (DFB), ist sich nicht mehr sicher, ob Katar der richtige Ort für den Weltfußball ist: „Ganz grundsätzlich sollte sich die Fußballgemeinschaft weltweit darauf verständigen, dass große Turniere nicht in Ländern gespielt werden können, die aktiv den Terror unterstützen“, sagte er. Selbst einen Boykott der WM 2022 schließe er nicht aus.
SPD-Politiker gegen die FIFA-WM in Katar
Die Äußerungen des DFB-Präsidenten stoßen bei vielen Sozialdemokraten auf offene Ohren. „Ich finde es absolut wichtig, dass die internationalen Verbände die Vorgänge überprüfen“, sagte Manfred Schaub, der sportpolitische Sprecher der SPD. Sollten sich die Terror-Vorwürfe bewahrheiten, könne die WM auf keinen Fall in Katar stattfinden.
Dass die FIFA die Weltmeisterschaft am Persischen Golf austragen will, kann Schaub ohnehin nicht verstehen. „Schon die vorangegangenen Vorwürfe gegenüber Katar waren so gravierend, dass ich die Vergabe der WM nicht für richtig gehalten habe“, sagte er über die jahrelange Kritik an der Menschenrechtslage in dem Land.
Ist ein deutscher WM-Boykott die richtige Antwort?
Auch der SPD-Bundestagsabgeordnete Christoph Strässer, der auch Präsident des Fußball-Klubs SC Preußen 06 aus Münster ist, hat kein Verständnis für die Vergabepraxis des Weltfußballverbands: „Unter Menschenrechtsgesichtspunkten hätte man die WM gar nicht an Katar vergeben dürfen – aber die FIFA hat dafür viel Geld bekommen“, sagte er.
„Seit Jahren weisen wir im Sportausschuss des Bundestags darauf hin, dass in Katar Menschenrechte mit Füßen getreten werden“, erklärte die SPD-Politikerin Jeannine Pflugradt im Gespräch mit vorwärts.de. Ob allerdings ein Boykott des Turniers der richtige Weg ist, sei fraglich, findet sie: „Boykott ist das schlimmste Mittel, weil darunter die Sportler am meisten leiden“, betonte die Bundestagsabgeordnete. „Ein Verlegen dieses Events wäre sinnvoller als ein Boykott.“
„Wir sollten die WM dort abpfeifen!“
Der SPD-Bundestagsabgeordnete Jürgen Coße will die WM in Katar ebenfalls absagen: „Wir sollten die WM dort abpfeifen. Es war von vornherein falsch, die WM nach Katar zu vergeben.“ Ob es allerdings soweit kommt, bleibt fraglich. Dagmar Freitag, die Vorsitzende des Sportausschusses im Bundestag, ist skeptisch, dass sich die FIFA umstimmen lässt: „Ich denke, die aktuellen diplomatischen Entwicklungen werden die Entscheidung der FIFA, die Fußball-WM 2022 in Katar durchzuführen, nicht in Frage stellen“, sagte die SPD-Politikerin. „Auch andere Krisen haben in der Vergangenheit nicht zu Neuvergaben geführt – Russland wird trotz der eindeutig völkerrechtswidrigen Annexion der Krim und des nach wie vor schwelenden Ukraine-Konflikts im kommenden Jahr die WM ausrichten.“
Die internationalen Sportverbände müssten darüber diskutieren, „welche Staaten man mit der Organisation sportlicher Topevents betrauen möchte,“ so Freitag. „Geld und millionenschwere Sponsorenverträge als alleinige Kriterien reichen jedenfalls als Qualifikation dazu nicht aus.“
ist promovierter Sprachwissenschaftler und war bis Mai 2018 Redakteur beim vorwärts.