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Krieg ist keine Lösung gegen Terror

von ohne Autor · 12. September 2011
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"9/11 war der stärkste Angriff in der Geschichte der USA. Es ist schwierig, es als etwas anderes zu sehen als einen Krieg." Die US-amerikanische Sichtweise, die am Donnerstagabend in der Berliner Friedrich-Ebert-Stiftung der ehemalige US-Minister für Innere Sicherheit, Michael Chertoff, vertritt, wird in Europa eher kritisch gesehen. Doch Chertoff ist sich sicher: "Wären wir damals nicht so tatkräftig vorgegangen, hätte es weitere Angriffe geben können."

Ziel der Veranstaltung " 10 Jahre nach 9/11 : Bekämpfung und Prävention des internationalen Terrorismus - Lehren und Prävention" war aber nicht die Rechtfertigung der vergangenen Maßnahmen, sondern die Diskussion um zukunftsweisende Erkenntnisse für die Welt von morgen. Neben Chertoff war auf deutscher Seite Frank-Walter Steinmeier eingeladen, zum Zeitpunkt der Anschläge Leiter des Bundeskanzleramtes und Mitglied des anschließend eingeführten Krisenstabs der Bundesregierung.

"Keine Musterdemokratie, sondern realistische Hilfestellung"

Steinmeier bereut das deutsche Engagement in Afghanistan nicht. Für ihn waren die Anschläge nicht bloß ein Angriff auf die USA, sondern gegen die gesamte westliche Welt gerichtet. Nach zehn Jahren steht für Steinmeier jedoch die Erkenntnis im Vordergrund, "dass es genügend gemeinsame Aufgaben außerhalb des Krieges gegen den Terror gibt". Vor allem sei die damalige Annahme, in Afghanistan eine Musterdemokratie einführen zu können, eine Fehleinschätzung gewesen. Stattdessen sei es inzwischen gelungen, realistische Hilfestellungen zu leisten, zum Beispiel die Aufnahme der Menschenrechte in die Verfassung.

"Der Kampf gegen Terror ist durch Krieg nicht zu gewinnen"

"Eine Tragödie" nennt Gernot Erler, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag, nicht nur die Ereignisse am 11. September 2001, sondern auch die anschließende Beschränkung auf den Angriffskrieg. Dabei seien andere denkbare Reaktionen wie die Einbeziehung des Internationalen Strafgerichtshofes in den Hintergrund gedrängt worden. Schon damals war klar, "dass der Kampf gegen Terrorismus durch Krieg nicht zu gewinnen ist".

Alternative Vorgehensweisen diskutierten anschließend eine Runde deutscher und internationaler Experten. Der US-Amerikaner William Burke-White, Professor an der University of Pennsylvania Law School und Experte für internationales Recht, ist der Überzeugung, dass der Einsatz von Militär manchmal unumgänglich sei, in anderen Fällen dagegen zivile Mittel ausreichend seien. Finanzielle Hilfe vor Ort sei in jedem Fall unverzichtbar zur Bekämpfung von Terrorismus.

"Dem Terrorismus die Unterstützung entziehen"

Das Bewusstsein für die Bedeutung ziviler Krisenpräventionsmaßnahmen sei auf beiden Seiten des transatlantischen Bündnisses deutlich stärker geworden, beobachtet Edelgard Bulmahn, Mitglied des Deutschen Bundestages und Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion für den Unterausschuss "Zivile Krisenprävention und vernetzte Sicherheit". Wichtig im Kampf gegen den Terrorismus sei es, ihm die Unterstützung zu entziehen und gegen die "unerträgliche Armut-Reichtum-Verteilung" vorzugehen, so Buhlmann. Dies gelinge nur, wenn Projekte der zivilen Unterstützung langfristig durchgehalten würden.

Kampf gegen Korruption

Die zivile Komponente bewertet auch Eva Gross, Senior Research Fellow am Institute for European Studies, Vrije Universiteit Brüssel, höher, schließt die gelegentliche Notwendigkeit militärischer Intervention aber nicht aus. Sie kritisiert am Engagement in Afghanistan, dass einige entscheidende Institutionen wie zum Beispiel der Justizaufbau bislang nicht beachtet worden seien, dabei handele es sich gerade hierbei um einen entscheidenden Faktor im Kampf gegen Korruption und Terrorismus.

"Glaubwürdigkeit in die Politik stärken"

Almut Wieland-Karimi, Direktorin des Zentrums für Internationale Friedenseinsätze in Berlin, sieht in der vergangenen Afghanistanpolitik einen entscheidenden Fehler: "Wir haben den Menschen vor Ort suggeriert, dass sie einen besseren Staat bekommen würden, eine bessere Bildung, bessere Verhältnisse. Das war aber nicht der Fall, deshalb kippte 2005 die Stimmung." Die Erwartungshaltung sei zu hoch gewesen. Für sie steht deshalb der Aufbau einer zivilen Macht im Vordergrund: "Wir müssen die Glaubwürdigkeit in die Politik stärken, durch Aufbau von Institutionen, damit gute Leute wieder in die Politik wollen."

Zehn Jahre Afghanistan-Engagement zeigen, da sind sich die Experten einig, dass islamistischer Terror mit Krieg nicht zu besiegen ist. Genauso wenig lässt sich in Afghanistan eine Musterdemokratie nach westlichem Vorbild installieren. Stattdessen lauten die präventiven Maßnahmen der internationalen Anti-Terror-Strategie: Stabilität schaffen und Vertrauen aufbauen in Rechtstaatlichkeit und Demokratie. Und sie gelten auch für die neue arabische Welt in Nordafrika. Denn sollten "diese Länder zusammenbrechen, dann ist das ein guter Nährboden für Terroristen", warnt Chertoff.

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