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Krieg in der Ukraine: Wie der Weg zum Frieden aussehen könnte

Das Friedensgutachten 2022 ist gekennzeichnet von Russlands Krieg in der Ukraine. Die Forscher*innen geben aber auch einen Ausblick, wie ein Weg zum Frieden aussehen könnte. Den Kurs von Bundeskanzler Olaf Scholz unterstützen sie.
von Jonas Jordan · 21. Juni 2022
Bundeskanzler Olaf Scholz und Ukraine Präsident Wolodymyr Selenskyj in Kiew im Gespräch: Die Friedensforscher*innen loben den Kurs der Bundesregierung.
Bundeskanzler Olaf Scholz und Ukraine Präsident Wolodymyr Selenskyj in Kiew im Gespräch: Die Friedensforscher*innen loben den Kurs der Bundesregierung.

Jedes Jahr veröffentlichen führende deutsche Forscher*innen ein Friedensgutachten. Doch in diesem Jahr ist die Aufmerksamkeit dafür deutlich höher als in den Vorjahren. Denn der russische Angriffskrieg in der Ukraine hat dazu geführt, dass „wir mit Blick auf eine europäische Friedensordnung wieder ganz am Anfang stehen“, wie Christopher Daase vom Leibniz-Institut Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK) etwas ernüchtert bei der Vorstellung des aktuellen Gutachtens am Dienstagvormittag in der Bundespressekonferenz anmerkt. 

Seine Kollegin Ursula Schröder vom Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg (IFSH) betont daher, dass eine europäische Sicherheitsordnung kurzfristig ohne Russland möglich sei. Es gelte aber, langfristig eine europäische Friedensordnung nicht aus dem Blick zu verlieren. Daher mahnt die Wissenschaftlerin: „Wir müssen aufpassen, dass jetzt nicht die Weichen in die falsche Richtung gestellt werden.“ Schröder weist darauf hin, dass Sanktionsregime auch als Anreizsysteme verstanden werden müssten und immer in einem bestimmten Kontext zu sehen seien. „Sonst sind sie wirkungslos“, so die Einschätzung der Professorin.

Sanktionen an Verhandlungslösung koppeln

Es sei daher sinnvoll, Sanktionen direkt an eine Verhandlungslösung zu koppeln. Schröder merkt an, dass Kriegsverläufe bereits Teil von Verhandlungsprozessen seien. Aus der Kriegsverlaufsforschung sei bekannt, dass Verhandlungen eher möglich seien, wenn es eine militärische Pattsituation gebe, „in der beide Kriegsparteien davon ausgehen müssen, dass sie ihre Ziele militärisch nicht mehr erreichen können. In diesem sogenannten reifen Moment kann es die Möglichkeit geben, Verhandlungen auf den Weg zu bringen“, sagt Schröder. Deswegen müsse es darum gehen, diesen „reifen Moment“ zu erkennen und zu ergreifen.

Die Friedensforscher*innen sprechen sich in einem gewissen Umfang für die Lieferung von Waffen an die Ukraine aus. So betont Ursula Schröder: „Waffenlieferungen müssen zusammengehen mit Sanktionen, die die Ukraine aus einer Position der Stärke heraus verhandeln lassen.“ Insofern beurteilen die Wissenschaftler*innen die aktuelle Strategie der Ampelregierung unter Führung von Bundeskanzler Olaf Scholz positiv. „Wir sehen die Bundesregierung auf einem sehr gutem Weg und halten das, was oft als Zögern kritisiert wird, nicht für verkehrt“, sagt Christopher Daase. Die Versuche, mit Waffenlieferungen den Druck zu erhöhen, und gleichzeitig im Gespräch zu bleiben, seien der richtige Weg.

NATO sollte Verzicht auf nuklearen Erstschlag erklären

Tobias Debiel vom Institut für Entwicklung und Frieden (INEF) erläutert, dass Waffenlieferungen den Druck, den Krieg zu beenden, erhöhten. Dennoch gelte es, auf Sicht zu fahren und Schritt für Schritt zu prüfen, welche Wirkung die Lieferung welcher Waffensysteme habe. Deutschland solle in der Hinsicht nicht vorreiten. Zudem weist der Professor darauf hin, dass Waffenlieferungen an die Ukraine mit dem Selbstverteidigungsrecht des Landes gut begründet seien. Diese dürften jedoch nicht zu einem generellen Aufweichen der Kriterien für Waffenlieferungen, sprich auch in andere Kriegsgebiete, führen. Debiel betont zudem, dass alles dafür getan werden müsse, die Gefahr einer nuklearen Eskalation so gering wie möglich zu halten. Dazu könne nach Meinung der Friedensforscher*innen auch ein öffentlich erklärter Verzicht der NATO auf einen nuklearen Erstschlag zählen.

„Die Zeitenwende bedeutet nicht, dass wir in einer komplett anderen Welt aufgewacht wären“, sagt Debiel außerdem. Bisherige Forschungserkenntnisse gehörten daher zwar auf den Prüfstand, aber es gebe keinen Grund, alle Erkenntnisse über Bord zu werfen. Er betont außerem: „Unser Denken darf sich nicht alleine durch die Logik des Krieges beherrschen lassen.“ Es gebe Zweifel, dass sich alleine durch Aufrüstung der Krieg beenden lasse. Daher müsse die Außen- und Sicherheitspolitik einer Doppelstrategie folgen, wovon die eine Wehrhaftigkeit , die andere jedoch Friedensfähigkeit bedeuten müsse.

Sanktionen gegen Russland zeigen Wirkung

Der Wissenschaftler weist zudem auf die Wirkung der Sanktionen gegen Russland hin. „Diese führen nicht unmittelbar zu Verhaltensänderungen, aber mittelfristig entfalten sie ihre Wirkung und andere Staaten werden dadurch abgehalten, ebenfalls die Regeln zu brechen.“

Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

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