Konflikt mit Iran: Warum sich Israel in einer Zwickmühle befindet
Es war kein Zufall, dass Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu nach dem Abschuss eines israelischen Kampfjets durch die syrische Luftabwehr zum Hörer griff und zuerst im Kreml anrief. Im Luftraum des Bürgerkriegsland geschieht schließlich kaum etwas ohne Billigung Russlands, der Schutzmacht des Assad-Regimes.
An Einfluss gewonnen
Mit dem Absturz am Samstag wurde offensichtlich, was sich bislang im Stillen vollzogen hatte. Seit Jahren bombardiert die israelische Luftwaffe Ziele im Nachbarland. Im Visier: iranische Waffenlieferungen an die Schiitenmiliz Hisbollah im Libanon. Russland, in Syrien auf derselben Seite wie der Iran, lässt die Israelis bislang gewähren. Dabei besitzt die russische Armee mit ihrem S-400-Flugabwehrsystem die Lufthoheit in dem Bürgerkriegsland.
Die israelischen Angriffe kommen nicht von ungefähr. Das Land fühlt sich bedroht. Dabei hat die Gefahr zuletzt durch das hochgerüstete Hisbollah-Raketenarsenal im Libanon zugenommen. Dies hängt mit der Entwicklung in den vergangenen Jahren zusammen. Seitdem Präsident Assad mithilfe Russlands in Syrien wieder zur dominierenden Kraft geworden ist, hat sich die Situation im gesamten Nahen Osten verändert, zum Nachteil der Israelis. Ihr traditioneller Verbündeter, die USA, haben an Einfluss verloren und konzentrieren sich auf den Kampf gegen den Islamischen Staat. Dafür hat der Iran – das erklärte Ziel der Mullahs ist die Auslöschung des jüdischen Staats – deutlich an Gewicht gewonnen.
Schnelle Eskalation
Die Führung in Teheran hat es in ihrem Expansionsstreben in den vergangenen Jahren geschafft, einen Landkorridor von Iran über Irak und Syrien bis in den Libanon aufzubauen. Der Iran nimmt in diesen Ländern Einfluss, auch mit Waffengewalt. Für das Assad-Regime kämpfen beispielsweise iranische Revolutionsgarden und Söldnertrupps. Gleichzeitig rüstet der Staat die libanesische Hisbollah-Miliz auf, die ebenfalls an der Seite von Baschar al-Assad Krieg führt.
Der Iran und seine Verbündeten stehen damit sozusagen in Israels Vorgarten. Experten vermuten deshalb, dass der Iran mit der Drohne, die am Samstag in israelischen Luftraum eindrang, klar machen wollte, dass sich die Machtverhältnisse verändert haben. Wie schnell die Lage eskalieren kann, zeigte sich kurz darauf. Die israelische Armee reagierte - wie zu erwarten war - hart. Die Drohne wurde vom Himmel geholt, F-16-Düsenjäger griffen laut israelischen Angaben das „iranische Kontrollsystem“ in Syrien an, wobei eine Maschine unter Beschuss geriet. Das Flugzeug schaffte es noch zurück nach Israel, stürzte dort jedoch ab.
Raketen auf Zivilisten
Beide Piloten konnten sich mit dem Schleudersitz retten, allerdings wird der Vorfall in Israel als dramatisch angesehen. Zuletzt wurde ein israelischer Kampfjet vor 36 Jahren abgeschossen. Am Wochenende folgten als Reaktion auf den Abschuss massive israelische Luftschläge, angeblich gegen die syrische Luftabwehr und Stellungen der iranischen Revolutionsgarde. Israel machte im Anschluss selbst zum ersten Mal öffentlich, iranische Ziele in Syrien angegriffen zu haben.
Das Land betont sein Recht auf Souveränität und Selbstverteidigung, auch im jüngsten Fall. Militärisch agiert der Iran jedoch bislang nicht direkt gegen Israel. Besonders bedrohlich dürfte für die Israelis jedoch sein, dass die Mullahs die Hisbollah im Libanon aufrüsten. Das Raketenarsenal der Miliz, das laut Experten zuletzt massiv zugenommen hat, bedroht ganz konkret den Norden Israels. Schon in der Vergangenheit hatten die schiitischen Fundamentalisten Raketen auf die israelische Zivilbevölkerung gefeuert. Inzwischen verfügen sie allerdings über mehr und modernere Geschosse. Das Stärkeverhältnis hat sich verändert, die Bedrohung ist größer geworden.
Ein Dilemma
Israel befindet sich in einer schwierigen Lage. Auf der einen Seite ist ein Krieg mit dem Iran oder der Hisbollah nicht im Interesse des Landes, schließlich müsste es mit Opfern unter der eigenen Zivilbevölkerung rechnen. Auf der anderen Seite kann die Regierung nicht tatenlos zusehen, wie der Einfluss des Irans größer wird und die Hisbollah-Miliz das Waffenarsenal aufstockt. Im Nahen Osten droht eine weitere Eskalation. Es ist wahrscheinlich, dass Benjamin Netanjahu zukünftig noch öfter im Kreml anrufen wird.