Kommunalwahlen in Ungarn: Orbans erste Niederlage seit neun Jahren
Florian Gaertner/photothek.net
Es war kein Abend zum Feiern für Viktor Orbán. Seit 2010 ist er ungarischer Ministerpräsident. Damals wurde er nach einem erdrutschartigen Sieg mit absoluter Mehrheit ins Amt gewählt. Seitdem endete nahezu jede wichtige Wahl in Ungarn damit, dass sich Orbán in den Abendstunden von seinen jubelnden Anhängern in den Straßen von Budapest feiern ließ. Diesmal war es anders. Statt einer Jubelrude gab es von Orbán nur eine kurze Ansprache. Dafür hatte die Opposition an diesem Abend Grund zum Feiern.
Fidesz ohne Mehrheit im Budapester Stadtrat
Denn in der Hauptstadt Budapest, in der fast 20 Prozent aller Ungarn leben, entschied der oppositionelle Kandidat Gergely Karácsony mit 50,6 Prozent die Oberbürgermeisterwahl knapp für sich. Amtsinhaber Istvan Tarlos, der von Orbáns rechts-nationaler Regierungspartei Fidesz unterstützt wurde, kam nur auf 44,3 Prozent. Dieser Erfolg überrascht auf den ersten Blick nicht, da Budapest den Ruf als linke und weltoffene Stadt genießt. Dennoch war es auch hier der Opposition in den vergangenen Jahren nicht gelungen, nennenswerte Wahlerfolge zu feiern.
Außerdem gewann nicht nur Karácsony, der für die linksliberale Gruppierung „Párbeszéd“ („Dialog“) antrat, die Oberbürgermeisterwahl. Auch in 13 von 23 Budapester Stadtbezirken siegten Kandidaten der Opposition bei den Bürgermeisterwahlen. Zudem verlor Fidesz die Mehrheit im Stadtrat von Budapest. Dort kommt die Opposition künftig auf 18 Sitze, die Partei von Präsident Orbán hat noch 14 Mandate. Dieses Resultat ist das erfolgreiche Ergebnis einer veränderten Strategie der Opposition. Galt sie in den vergangenen Jahren als zerstritten, so einigten sich die Oppositionsparteien im gemeinschaftlichen Wettstreit mit Fidesz auf die jeweils aussichtsreichsten Kandidaten.
Breites Oppositionsbündnis führt zu Erfolg
In Budapest wurde Karácsony beispielsweise nicht nur von seiner eigenen Partei unterstützt. Auch die sozialistische MSZP, die Schwesterpartei der SPD, die grün-liberale LMP, die linksliberale DK des einstigen Ministerpräsidenten Ferencs Gyurcsány setzten sich für den späteren Wahlsieger ein. Auch die noch junge Bewegungspartei Momentum, die bei der Europawahl im Mai vor allem junge Menschen angesprochen und auf Anhieb mehr als zehn Prozent der Stimmen geholt hatte, war Teil dieses Bündnisses. Die Partei Jobbik, einst rechtsextrem ausgerichtet, inzwischen deutlich in die politische Mitte gerückt und mit 22 Sitzen die stärkste Oppositionspartei im ungarischen Parlament, unterstützte Karácsony zwar nicht aktiv, schickte aber auch keinen eigenen Kandidaten ins Rennen.
Diese Kooperationsstrategie führte bei den Kommunalwahlen neben Budapest auch in weiteren großen ungarischen Städten zum Erfolg. So siegten in Pecs, Miskolc, Szombathely und Eger die Kandidaten der Opposition gegen die jeweiligen Fidesz-Amtsinhaber. Auch im traditionell sozialistisch geführten Szeged, der drittgrößten Stadt Ungarns in der Nähe des Dreiländerecks mit Serbien und Rumänien, konnte sich Lajos Botka von der MSZP als Bürgermeister behaupten.
Diese Erfolge sollten jedoch nicht darüber hinweg täuschen, dass Fidesz in der breiten Fläche des Landes immer noch recht erfolgreich war. Die Partei triumphierte in 13 von 23 größeren Städten. Sie gewann zudem alle 19 Landkreise und mehr als die Hälfte aller Kommunen.
Wie geht es weiter bis 2022?
Insofern ist es zunächst fraglich, inwiefern die ungarische Opposition ihren Erfolg bei den Kommunalwahlen dauerhaft nutzen kann. Zwar war vor allem der Sieg bei der Oberbürgermeisterwahl in Budapest ein wichtiger Prestigeerfolg. Erst im Jahr 2022 steht die nächste Parlamentswahl an. Bis dahin verfügt die Fidesz-Partei von Ministerpräsident Viktor Orbán im Parlament über eine komfortable Zwei-Drittel-Mehrheit mit 133 von 199 Sitzen. Darüber hinaus erscheint es unwahrscheinlich, inwiefern es der inhaltlich diversen Opposition gelingt, in den kommenden Jahren ein gemeinsames Programm für einen möglichen Regierungswechsel zu formulieren.
Sich gegen Orbán und seine Fidesz-Partei zu verbünden, hat gereicht, um wichtige Erfolge bei den Kommunalwahlen zu feiern. Insofern war insbesondere der Sieg bei der Oberbürgermeisterwahl in Budapest auch psychologisch wichtig für die ungarische Opposition. Er hat gezeigt: Fidesz ist verwundbar, gar schlagbar. Doch eine nationale Parlamentswahl, bei der es beispielsweise auch um außenpolitische und europapolitische Vorstellungen geht, wird zu einer ganz anderen inhaltlichen Herausforderung für die Opposition. Eins ist seit Sonntag klar: Orbán stürzen kann sie nur, wenn sie Geschlossenheit zeigt.
ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo