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Klimakonferenz: Was in Scharm al-Scheich verhandelt wird

Noch bis zum Wochenende wird im ägyptischen Scharm al-Scheich über den weltweiten Klimaschutz verhandelt. SPD-Europapolitikerin Delura Burkhardt ist vor Ort – und sieht Anlass zu Optimismus.
von Kai Doering · 15. November 2022
Weltklimakonferenz im ägyptischen Scharm al-Scheich: In so krisenreichen Zeit wie jetzt ist es wichtig, den Klimaschutz nicht hintenan zu stellen, sagt die SPD-Europaabgeordnete Delara Burkhardt.
Weltklimakonferenz im ägyptischen Scharm al-Scheich: In so krisenreichen Zeit wie jetzt ist es wichtig, den Klimaschutz nicht hintenan zu stellen, sagt die SPD-Europaabgeordnete Delara Burkhardt.

Vor dem Hintergrund des Kriegs in der Ukraine findet im ägyptischen Scharm al-Scheich die 27. Weltklimakonferenz statt. Welchen Einfluss hat der Krieg auf die Beratungen?

Der Krieg hat fraglos Auswirkungen auf die Konferenz. Zum einen müssen wir akute Probleme wie Energieknappheit und die damit verbundenen Sorgen der Menschen mitdenken, zum anderen zeigt uns der Krieg, wie fragil unsere Sicherheit ist. Viele Länder haben jahrelang Abhängigkeiten von fossilen Energieträgern und ihren Lieferanten aufgebaut. Der Krieg zeigt uns jetzt: Wir müssen uns von den Abhängigkeiten von fossilen Energieträgern befreien. Erneuerbare Energien sind unser Garant für Energieunabhängigkeit und für erschwingliche Energie, schließlich sind sie deutlich günstiger als fossile Energieträger wie Erdgas und Kohle. Dieser Groschen scheint in der EU endlich gefallen zu sein. Seit Kriegsausbruch wurden neue Gesetzesvorhaben auf den Tisch gelegt, die den Ausbau der Erneuerbaren deutlich beschleunigen werden. Dafür muss die EU auch auf der Klimakonferenz werben.   

Im Zentrum der Verhandlungen soll auch die praktische Umsetzung des Ausstiegs aus fossilen Energien stehen, der bei der letzten Klimakonferenz 2021 in Glasgow beschlossen wurde. Viele Staaten, auch Deutschland, müssen diese im Moment aber sogar verstärkt nutzen. Wie sehr wirft das die Bemühungen zurück?

In so krisenreichen Zeit wie jetzt ist es wichtig, den Klimaschutz nicht hintenan zu stellen, Konferenzen nicht Abzusagen, sondern an Zusagen festzuhalten und sogar noch nachzulegen – so wir das letztes Jahr in Glasgow versprochen haben. Deutschland und die EU standen im Februar vor einer riesigen Herausforderung: Innerhalb weniger Wochen musste die gesamte Energieversorgung umstrukturiert werden, um von russischen Erdgaslieferungen unabhängig zu werden. Das ist uns gut gelungen. Einige Kräfte haben dabei versucht, die Krise dafür zu nutzen, Ambitionen in der Klimapolitik zurückzudrehen. Solchen Ansätzen trete ich überzeugt entgegen, denn es ist absolut eindeutig, dass kein Krieg, keine Finanz- oder Wirtschaftskrise eine Krise oder sonstiges den Klimawandel aufhalten wird.

Wenn wir jetzt nicht handeln, werden wir in den kommenden Jahren noch mehr Engpässe, Konflikte und Katastrophen erleben. Kurzfristiges Handeln darf unsere mittelfristigen Klimaziele nicht gefährden. Deshalb ist es wichtig, dass die Ampel-Koalition weiter Kurs auf unsere Klimaziele hält und in der EU noch Vorschläge für Nachschärfungen der EU-Klimapolitik vorgelegt wurden, die wir gerade in Brüssel verhandeln. 

Ein weiterer Schwerpunkt der Gespräche in Scharm al-Scheich sind „Loss and Damages“, also Verluste und Schäden durch den Klimawandel, für die es Ausgleichszahlungen geben soll. Wen sehen Sie da in der Verantwortung?

Die Klimakrise lässt sich nur durch internationale Solidarität lösen. Konkret bedeutet das, Regionen der Welt stärker zu unterstützen, die bereits jetzt in großen Ausmaß von Klimaveränderungen betroffen sind. Hier sehe ich die Industrienationen, einschließlich Deutschland, in der Pflicht. Sie müssen endlich ihre internationalen Finanzzusagen einhalten und den Weg frei machen für einen Finanzierungsmechanismus zur Behebung klimabedingter Schäden sowie gegen Verluste der ärmsten und am stärksten vom Klimawandel betroffenen Staaten.

Seit dem Pariser Abkommen von 2015 verfolgt die Staatengemeinschaft das Ziel, die globale Erwärmung auf maximal 1,5 Grad zu begrenzen. Ist das überhaupt noch realistisch?

Sofern wir auf dem aktuellen Kurs bleiben, sind die 1,5 Grad leider nicht mehr greifbar. Seit Paris hat sich viel getan und ich bin zuversichtlich, dass die internationale Staatengemeinschaft noch mehr schaffen wird. Allerdings sehen wir auch, dass unser Tempo und die Maßstäbe in denen wir die Transformation vorantreiben, noch nicht ausreichen. Gerade die EU und ihre Mitgliedsstaaten müssen weiter am Ball bleiben und ihre Klimaziele anheben und Finanzen zur Klimaanpassung und für Klimaschäden bereitstellen. Nur wenn die EU bereit ist, zu führen, werden andere wichtige Emittenten, wie die USA, China oder Indien, folgen. 

Ich habe aber Hoffnung, denn ich sehe hier in Sharm El-Sheik, dass die Klimakonferenz mehr geworden ist als nur Verhandlungen zur Reduktion von Treibhausgasen. Die Klimakrise wird zunehmend ganzheitlich angegangen, Ursachen werden adressiert und nicht nur Folgen abgeschwächt.

Parallel zur COP haben sich das Europaparlament, die EU-Mitgliedsstaaten und die EU-Kommission auf eine rechtsverbindliche Verteilung der Minderung der Treibhausgasemissionen bis 2030 geeinigt. Kann die Lastenverteilungsverordnung ESR ein Vorbild für den globalen Klimaschutz sein?

Die Architektur der EU-Klimapolitik deckt sämtliche Wirtschaftsbereiche ab: Straßen-Verkehr, Kleinindustrie, Teile der Landwirtschaft und Abfall durch die Lastenteilungs-Verordnung, Großindustrie, Energieversorgung und bald hoffentlich auch Flugverkehr durch den europäischen Emissionshandel, oder die Land- und Forstwirtschaft durch die Landnutzungs-Verordnung. 

Für mich sind diese Regelungen auf jeden Fall ein Vorbild, wie Klimaschutz in einer Union wie der EU funktionieren kann. Die Regulierung bewirkt, dass es nicht nur bei Absichtserklärungen der Mitgliedstaaten bleibt, sondern Ziele der Emissionsreduktion rechtlich durchsetzbar und ein Nicht-Einhalten sanktionierbar sind. Gleichzeitig sorgen wir dafür, dass die Transformation sozial gestaltet wird. So soll es zukünftig einen Fonds für soziale Maßnahmen zur Abfederung von Härten der Transformation geben, es wird einen CO2-Grenzausgleich geben, mit dem Importeure aus weniger klimafreundlichen Ländern einen Aufpreis auf ihre Produkte zahlen müssen und so fairer Wettbewerb mit der europäischen Industrie und seinen Arbeitsplätzen geschaffen wird und es gibt europäische Mittel zur Unterstützung eines sozialgerechten Kohleausstiegs in kohleabhängigen Regionen.

Aber auch die Mitgliedsstaaten sind in der Pflicht und müssen die Menschen in der Transformation stärken, z.B. durch faire Löhne und soziale Sicherungssysteme, die gesellschaftliche Teilhabe garantieren, so wie die Ampel-Regierung das in Deutschland mit der Erhöhung des Mindestlohns oder dem Bürgergeld tut. Europa sendet hier ein klares Zeichen – nicht nur trotz, sondern gerade wegen der aktuellen Energiekrise ist es wichtig, auf dem Weg zu bleiben und nicht dem Krisen-Opportunismus der  ewigen Bremser und Befürworter fossiler Brennstoffe nachzugeben.

Was ist für die kommenden Tage der Verhandlungen noch zu erwarten?

Ich habe es schon oft gesagt: Diese COP muss weiter gehen, als sich nur zur Reduzierung der Treibhausgase zu verpflichten. Wir müssen Wege für einen globalen gerechten Übergang finden. Ein starkes Signal hat hier Entwicklungsministerin Svenja Schulze gesetzt. Mit dem „Globalen Schutzschild gegen Klimarisiken“, der von den G7 einstimmig unterstützt wurde, werden die Industrienationen ihrer Klimaverantwortung zunehmend gerecht und zeigen Solidarität mit den Ländern, die besonders vom Klimawandel bedroht sind (V20). Damit wird endlich die Tür geöffnet, um Kompensationen für Klimaschäden auf den Weg zu bringen. Die reichen Industrienationen haben dabei viel zu lange auf der Bremse gestanden.

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Das Interview wurde schriftlich geführt.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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