Klimakonferenz in Paris: „Chapeau vor Laurent Fabius“
Am Mittwoch Nachmittag ist vom UNFCCC-Sekretariat ein neuer Textvorschlag für das Abkommen veröffentlich worden. Was springt Ihnen dabei ins Auge?
Wir haben dafür gekämpft, dass die am stärksten wachsenden Verschmutzer, der internationale Flugverkehr und der Schiffsverkehr in das Abkommen gehören. Da muss ich sagen, ich bin enttäuscht, dass diese Sektoren gar keine Erwähnung finden. Ich weiß nicht, wie wir das 2-Grad-Ziel oder sogar ein 1,5-Grad-Ziel schaffen sollen, wenn sich im Bereich des Flugverkehrs in den nächsten 10 Jahren die Emissionen verdoppeln.Es kann nicht sein, dass sich zwei Sektoren völlig der Verantwortung entziehen.
Wie konnte das geschehen?
Es wurde sehr gut lobbyiert hier von der zivilen Luftffahrtorganisation ICAO und auch von der Internationale Seeschiffahrtsorganisation IMO. Was nicht heißt, dass Lobbyarbeit immer schlecht ist. Es hat mich gefreut, dass sich im Vorfeld der COP21 die Finanzindustrie, also Versicherungsfonds und andere, zu Wort gemeldet haben. Sie sagten, wir investieren nicht mehr in Kohleenergie, sondern in Erneuerbare Energien. Das hat es in dieser Klarheit vor einer Klimakonfernenz noch nie gegeben.
Apropos Kohle.Wie bewerten Sie die Diskussion rund um das Thema in Deutschland?
Man muss sehen, dass man peu a peu aus der Kohle aussteigt. Das geht nicht von heute auf morgen und das kann man auch nicht mit sozialer Kälte und Aggressivität durchführen. Da muss es vernünftige Übergänge geben, dafür sind wir in der Sozialdemokratie. Es gibt keine einfachen Lösungen an der Stelle, aber wir sind da auf einem guten Weg. Die Energiewende ist ein Megaprojekt und ich bin fest davon überzeugt, dass sie gelingen kann.
Zurück zu Paris. Welche Themen werden in den letzten Verhandlungstagen die härtesten Brocken sein?
Es gibt zwei Knackpunkte. Da ist zunächst die Frage der Finanzierung. Vor allem bei der Anpassung an den Klimawandel muss noch nachgebessert werden. Die Staaten, die jetzt schon Klimaanpassungsmaßnahmen durchführen müssen und dafür auf Finanzhilfen angewiesen sind, brauchen das Gefühl der Verlässlichkeit. Es darf nicht immer nur tröpchenweise Geld geben, sondern hier muss eine Verstetigung stattfinden.
Der zweite Knackpunkt ist der Bereich der Transparenz. Es reicht nicht, ambitionierte Ziele zu haben. Diese müssen in der Umsetzung auch nachvollziehbar sein. Wir müssen uns darauf einigen, dass wir identische Mechanismen haben um den Treibhausgasausstoß bzw. entsprechende Einsparungen zu erfassen. Im Flugverkehr und im internationalen Schiffsverkehr haben wir beispielsweise überhaupt keine Erfassungssysteme. Deshalb bin ich sehr dafür, dass mindestens alle fünf Jahre überprüft wird, wo wir eigentlich stehen.
Trotz der heißen Phase, die jetzt begonnen hat, ist die Stimmung hier in Paris aber durchweg positiv.
Das war in den vergangenen Jahren ja nicht immer der Fall.
Die Konferenz ist außerordentlich gut organisiert. Zur Führung durch COP-Präsident Laurent Fabius sage ich: „Chapeau“. Er ist ein cleverer, sehr erfahrener Politiker. Als französischer Außenminister hat er zur Vorbereitung weltweit eine Menge Gespräche geführt und dadurch viele Akteure mit ins Boot geholt. Er war im europäischen Parlament, hat mit der Delegation Rücksprache gehalten und die Staats- und Regierungschefs gleich zu Beginn der Konferenz nach Paris gerufen. Damit hat Laurent Fabius die von uns beschworene Klimadiplomatie von Anfang an konsequent umgesetzt. Die Früchte zeigen sich hier darin, dass der Verhandlungsprozess sehr strukturiert verläuft. Es gibt Arbeitsgruppen, in denen verschiedene Minister den Auftrag haben, Ergebnisse zu entwickeln. Deshalb konnte am Mittwoch auch so kurzfristig ein neuer Textentwurf vorgelegt werden. Ich hoffe natürlich, dass sich diese Vorgehensweise am Ende in einem vernünftigen Ergebnis wiederspiegelt.
Welche Auswirkungen wird das Ergebnis der Klimaverhandlungen auf uns alle haben?
Was auf interationaler Ebene beschlossen wird, wird zu Veränderungen in der Gesellschaft führen. Paris wird erst der Anfang sein. Wir werden im täglichen Handeln ein Umdenken erfahren, ob es jetzt in der Kommune, im Betrieb oder zu Hause ist. Das betrifft zum Beispiel die Art und Weise, wie der Verkehr organisiert ist, ÖPNV, aber auch wie wir wirtschaften und dass wir wieder stärker regional denken. Regionalität wird im Kampf gegen den Klimawandel wichtig werden. Das hat auch etwas mit Lebensstilwandel zu tun und der hat jetzt schon angefangen. Darauf werden wir unsere Strukturpolitik und unsere Kommunalpolitik ausrichten müssen.