Es geht um politische Demokratie, im Sinne von politischer Willensbildung, Partizipation und Kontrolle von Macht und Gewalt. Und um soziale Demokratie, im Sinne von individueller Freiheit, Gerechtigkeit und Chancengleichheit.
Dieser Kampf für die Demokratie ist ein ergebnisoffener Kampf. Niemand kann voraussagen, ob sich Afghanistan in langer Perspektive zu einer demokratischen Gesellschaft entwickeln wird. Wer aber den Versuch unternehmen will, das Potenzial für den langen Weg der Demokratisierung zu schaffen, muss alles tun, um eine ungeteilte Souveränität im Land herzustellen.
Denn staatliche Souveränität ist die Grundvoraussetzung für jede demokratische Entwicklung, die nachhaltig sein und zu politischer Stabilität führen soll. Souveränität bedeutet die Errichtung eines Gewaltmonopols, nach innen und nach außen, ohne das Demokratie unmöglich ist.
Einfacher gesagt: eine politische Ordnung, die nicht souverän ist, steht vor dem Problem, dass jede gesellschaftliche Gruppe, von der kriminellen Bande bis zu religiösen oder ethnischen Fundamentalisten, immer und überall die geltenden Regeln mit Gewalt in Frage stellen kann. Und Demokratie baut gerade auf diesen Garantien: Rechtssicherheit, Sicherung der Lebensgrundlagen und vor allem dabei auch des alltäglichen, nackten Überlebens. Nur staatliche Souveränität kann diese Sicherheiten garantieren.
Die Herstellung von Souveränität, ist - das zeigt die jüngste Geschichte - in Afghanistan nicht ohne fortgesetzte, auch militärische Intervention möglich. Die junge, höchst fragile politische Ordnung des Landes ist viel zu sehr in religiöse Konflikte und Stammesfehden verstrickt, als dass bereits von einem - in den Worten des Soziologen Max Weber - "Monopol legitimer physischer Gewaltsamkeit" gesprochen werden könnte.
Erst wenn es dieses Monopol gibt, also alle Menschen bereit sind, die erlassenen Gesetze und Verordnungen zu befolgen, sich der Zentralgewalt unterzuordnen und diese zugleich als legitim anzuerkennen, erst dann kann auf eine wirkliche Demokratisierung gehofft werden. Freilich: das Risiko, dass die Herstellung tatsächlicher staatlicher Souveränität auch wieder in ein islamisch-diktatorisches Regime kippen kann, ist wie bei allen Zentralisierungsprozessen groß.
Aber ohne Souveränität gibt es überhaupt keine Chance auf Demokratie. Und - nachdem man sich einmal für diesen Weg entschieden hat - ohne weitere militärische Sicherung dieser Entwicklung
wiederum keine Chance auf Herstellung staatlicher Souveränität. Der Preis, der zu zahlen ist, ist hoch. Er ist aber alternativlos, wenn man die Hoffnung auf einen Demokratisierungsprozess nicht
aufgeben will. Und diese Hoffnung aufzugeben hieße, das Land und seine Menschen der Brutalität und Willkür des radikalen Islam zu überlassen.
PD Dr. Samuel Salzborn ist Vertretungsprofessor für Demokratie- und Demokratisierungsforschung am Institut für Politikwissenschaft der Universität Giessen. Weitere Informationen und
Kontaktmöglichkeit unter
http://www.salzborn.de
PD Dr. Samuel Salzborn ist Vertretungsprofessor für Demokratie- und Demokratisierungsforschung am Institut für Politikwissenschaft der Universität Giessen.