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Kein Parteitag der Europäischen Sozialisten in Bukarest

von Silviu Mihai · 21. September 2012

Nach der Rückkehr von Staatspräsident Traian Basescu geht der politische Konflikt in eine neue Runde.

Bukarest – Der für Ende September geplante Parteitag der Europäischen Sozialisten findet nicht mehr in Bukarest, sondern in Brüssel statt. Dies gab die Zentrale in der belgischen Hauptstadt Anfang des Monats bekannt. Die Entscheidung wurde vor dem Hintergrund der andauernden politischen Krise in Rumänien getroffen. Vor allem die deutsche SPD-Delegation habe Bedenken gegen ein Treffen in Bukarest gemeldet, behaupten rumänische Parteikollegen. Das ohnehin beschädigte Image des Ministerpräsidenten Victor Ponta, der gleichzeitig Vorsitzender der rumänischen Sozialdemokraten ist, erlitt damit einen neuen Schlag. „Wir konnten unsere westeuropäischen Kollegen nicht überzeugen, dass ihre Zweifel an unserer rechtsstaatlichen Gesinnung unbegründet sind“, gab Ponta in einem Fernsehinterview zu.

Umstrittenes Referendum
Umstritten ist vor allem das Vorgehen der rumänischen Regierung vor und nach einem landesweiten Referendum für die Absetzung des rechtsliberalen Staatspräsidenten Traian Basescu. Die linksliberale Regierungskoalition um Ministerpräsident Ponta, die das Amtsenthebungsverfahren in Gang setzte, versuchte im Vorfeld des Volksentscheides, die Prozedur zu vereinfachen. Dies wurde von Basescus Anhängern, aber auch von vielen internen und internationalen Beobachtern als eine Art Angriff auf den Rechtsstaat präsentiert. Die EU-Kommission kritisierte ihrerseits den Versuch.

Letztlich musste das linke Lager eine bittere Niederlage einstecken. Knapp 7,5 Millionen Bürger haben sich Ende Juli für eine Absetzung ausgesprochen, das waren rund 88 Prozent der Wahlbeteiligten, doch das war nicht genug. Das Verfassungsgericht hat Ende August den Volksentscheid aufgrund einer zu geringen Wahlbeteiligung von unter 50 Prozent für ungültig erklärt. Damit kehrte Basescu in sein Amt zurück.

Mit dem Erzrivalen Basescu wird es schwierig sein, einen modus vivendi zu finden. Die politische Krise geht in eine neue Runde. „Wir werden die Entscheidung des Verfassungsgerichts respektieren, auch wenn wir sie ungerecht finden. Die Stimmen der überwiegenden Mehrheit können nicht ignoriert werden“, erklärte Interimspräsident Crin Antonescu, der zusammen mit Ponta der regierenden Sozialliberalen Union (USL) vorsteht. „Für uns hat Traian Basescu seine Legitimität endgültig verloren. Wir werden weiter kämpfen“, führte der Politiker fort.

Nicht korrekte Wählerlisten?
Die Gültigkeitsbedingungen für das Referendum – samt juristischen und statistischen Komplexitäten – sind seit drei Monaten zum Hauptthema in den Medien und an vielen Küchentischen geworden. Laut gesetzlichen Bestimmungen ist die Abstimmung gültig, wenn mindestens 50 Prozent der registrierten Wähler an die Urnen gegangen sind. Die USL befürchtete von Anfang an, dass eine so hohe Wahlbeteiligung nicht zu erreichen ist. Angesichts der massiven Migration nach Westeuropa, sowie der Boykottaufrufe des rechten Lagers galt diese Befürchtung in den Augen vieler Analysten als berechtigt. Ein Versuch der USL, die Quorumbedingung abzuschaffen, war an den Protesten der EU und an einem Beschluss des Verfassungsgerichts gescheitert.

Trotz der exemplarischen Mobilisierung der Gegner Basescus wurde die Schwelle laut ursprünglichen Daten des Wahlleiters knapp verfehlt. Nur 47 Prozent der registrierten Wähler gaben ihre Stimme ab. Doch sind die Wählerlisten überhaupt akkurat? „Das ist eine Frage, die keiner in Rumänien mit Sicherheit beantworten kann“, stellt der linke Publizist Costi Rogozanu fest. Nach dem Referendum ließ die Regierung die Listen prüfen und es stellte sich heraus, dass sich knapp 35.000 Einträge auf Personen beziehen, die zum Zeitpunkt der Abstimmung entweder verstorben waren oder kein Wahlrecht besaßen – etwa, weil sie Straftaten begangen hatten. „Die Inkompetenz der chronisch unterfinanzierten rumänischen Verwaltung und die jüngsten Haushaltskürzungen erklären solche Pannen“, glaubt Rogozanu.

Demonstration gegen Basescus und gegen Sparmaßnahmen
Umstritten ist vor allem die Frage der rund drei Millionen Rumänen, die in den letzten zehn Jahren ausgewandert sind und überwiegend in Italien und Spanien leben. Zwar bestreitet niemand, dass sie als rumänische Staatsbürger wählen dürfen. Immerhin machen sie über 15 Prozent der Wahlberechtigten aus. Ihre Geldüberweisungen tragen entscheidend zum Wirtschaftswachstum und zur Stabilität der Währung bei. Das linksliberale Lager behauptet jedoch, dass die Auslandsrumänen keine registrierten Wähler sein können und dementsprechend bei der Quorumfrage nicht zählen sollen. Schließlich besitzen viele „Gastarbeiter“ mittlerweile eine zweite Staatsangehörigkeit und keine gültigen rumänischen Papiere. Sie in den Wählerlisten an ihren uralten Heimatadressen zu behalten, macht wenig Sinn, so das Argument der Linken.

Tatsächlich hält sich das Interesse dieser Kategorie an der Bukarester Politik in sehr engen Grenzen: Trotz der über 300 Wahllokale, die im Ausland organisiert wurden, sind dort unter 75.000 Bürger – nicht einmal drei Prozent – zu den Urnen gegangen. Das Verfassungsgericht lehnte in der vergangenen Woche dieses Argument ab und beteuerte erneut, dass alle Wahlberechtigten bei der Quorumfrage zählen, unabhängig davon, ob sie abgelaufene Personalausweise oder einen Wohnsitz im Ausland haben. Nach der Entscheidung der Richter haben sich mehrere Tausend Menschen auf dem Universitätsplatz versammelt, um gegen die Rückkehr Traian Basescus und seine drastischen Sparmaßnahmen zu protestieren.

Autor*in
Silviu Mihai

ist Osteuropa-Korrespondent.

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