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Katarina Barley: Kein europäisches Geld an polnische Regierung

Nach dem Urteil des polnischen Verfassungsgerichts, nationales über europäisches Recht zu stellen, fordert Katarina Barley deutliche Konsequenzen der EU. Das Geld aus dem Corona-Wiederaufbaufonds dürfe nicht fließen, sagt Barley.
von Kai Doering · 8. Oktober 2021
„So kann die Europäische Union nicht funktionieren.“ EU-Vizeparlamentspräsidentin Katarina Barley will europäische Gelder für Polen vorerst nicht auszahlen.
„So kann die Europäische Union nicht funktionieren.“ EU-Vizeparlamentspräsidentin Katarina Barley will europäische Gelder für Polen vorerst nicht auszahlen.

„So kann die Europäische Union nicht funktionieren.“ Katarina Barley zeigt sich fassungslos nach dem Urteil des polnischen Verfassungsgerichts. Das hatte am Donnerstag entschieden, dass zentrale Teile der EU-Verträge unvereinbar seien mit der polnischen Verfassung. Das Urteil hatte sich bereits angedeutet, war aber immer wieder verschoben worden. „Durch das Urteil steht Polen mit beiden Beinen außerhalb der europäischen Rechtsordnung“, ist Barley überzeugt.

Und das muss aus Sicht der Vize-Präsidentin des Europäischen Parlaments Konsequenzen haben. „Es ist nicht zur rechtfertigen, in einer solchen Lage europäisches Geld an die polnische Regierung auszuzahlen“, sagt Barley. Auch die Justiz-Zusammenarbeit mit Polen werde mit der Entscheidung des Gerichts in Frage gestellt. Die polnische Regierung hat rund 24 Milliarden Euro aus dem Corona-Wiederaufbaufonds beantragt. Eine erste Rate soll im November überwiesen werden. Hinzu kommen Kredite in Höhe von etwa zwölf Milliarden Euro. Auch bei den sonstigen Mittelzuweisungen ist Polen der mit Abstand größte Profiteur.

„Das von Polens Regierungspartei besetzte Gericht stellt derselben Regierung einen Freifahrtschein aus, Europarecht zu missachten“, kritisiert Katarina Barley. Polen könne sich damit „nach Belieben von den gemeinsam vereinbarten europäischen Regeln verabschieden“. Das Urteil werde „weit über Polen hinaus wirken, wenn sich die EU nicht wehrt“. Neben einem Einfrieren der Wiederaufbau-Gelder könnte die EU-Kommission den seit Anfang des Jahres geltenden Rechtsstaatsmechanismus einsetzen. Dieser ermöglicht den Entzug von EU-Geldern, wenn Rechtsstaatsverletzungen nachgewiesen sind.

Polen ist bereits seit längerem ein Sorgenkind der EU: Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte in den vergangenen Monaten mehrfach Teile der umstrittenen polnischen Justizreform verworfen. Zuletzt hatte der EuGH geurteilt, die sogenannte Disziplinarordnung für Richter*innen verstößt gegen die EU-Rechtstaatlichkeit. Und unlängst hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte Zweifel daran geäußert, dass das Verfassungsgericht, das nun das kritisierte Urteil gefällt hat, überhaupt frei und fair urteilen könne, da es „teilweise illegal“ zusammengesetzt sei.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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