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Kämpfe im Sudan: Wie realistisch sind Verhandlungen?

Wer ist am Machtkampf im Sudan beteiligt, warum sind russische Wagner-Söldner vor Ort und kann es eine Friedenslösung geben? Dies und mehr beantwortet die Büroleiterin der Friedrich-Ebert-Stiftung im Sudan, Christine-Felice Röhrs, im Interview.
von Nikolaos Gavalakis · 26. April 2023
Rauch über Khartum während der Kämpfe zwischen Armee und Paramilitärs.
Rauch über Khartum während der Kämpfe zwischen Armee und Paramilitärs.

Seit dem Wochenende kommt es im Sudan zwischen Armee und Paramilitärs zu blutigen Straßenschlachten. Hunderte Menschen sind bereits gestorben. Worum geht es in dem Konflikt?

Wir sehen hier den Ausbruch eines bereits seit Langem schwelenden Konflikts zwischen den beiden stärksten bewaffneten Gruppen im Land, dem Militär unter General Burhan und den Milizen der sogenannten Rapid Support Forces (RSF) unter General Dagalo, Spitzname Hemeti.

Die beiden haben in der Vergangenheit kooperiert, wenn es ihren Interessen diente, beispielsweise beim Putsch im Oktober 2021, als sie gemeinsam die zivil-militärische Übergangsregierung in Richtung Demokratie auflösten und alleine die Macht übernahmen. Sie waren aber immer Wettbewerber um militärische Vormacht, wenn nicht sogar Feinde. Nun ging es in den vergangenen Monaten im Sudan um die Möglichkeit, dass das Militär die Macht doch wieder an eine zivile Regierung zurückgeben könnte.

Ein Rahmenabkommen dazu war am 5. Dezember bereits unterschrieben worden. Dazu hatte die Putschallianz sich durchgerungen angesichts der Tatsache, dass die internationale Gemeinschaft alle Mittel für die Übergangsregierung nach dem Putsch eingefroren hatte und sich gleichzeitig die wirtschaftliche und humanitäre Lage im Land enorm verschlechterte.

Durch einen Boykott von zivilen Technokraten konnte das Militär auch keine Regierung von eigenen Gnaden einsetzen. Dazu kamen heftige Proteste in der Bevölkerung, vor allem unter jungen Menschen. Teil dieses Abkommens mit der zivilen, pro-demokratischen Seite wäre auch eine Reform des Sicherheitssektors gewesen, also der Plan, eine einzige nationale Armee zu formen und die RSF dort einzugliedern.

Milizenchef Hemeti passte das natürlich nicht, weil er Befehlsgewalt, Einfluss und Kampfkraft eingebüßt hätte. Es gab in diesen Gesprächen der beiden Streitkräfte unterschiedliche Knackpunkte, unter anderem, was den Zeitplan der Eingliederung anging – das Militär wollte zwei Jahre, die RSF zehn –, aber auch zum Ausmaß der Kommandogewalt. Letztlich bleibt bisher unklar, was genau oder sogar welche Seite die Kampfhandlungen am vergangenen Samstag dann auslöste. Jetzt scheinen diese zum Existenzkampf geworden zu sein. 

Mehrere Versuche, eine Waffenruhe zu etablieren, sind mittlerweile gescheitert. Die Bundeswehr musste eine Rettungsmission für deutsche Staatsbürger abbrechen. Wie ist derzeit die Lage vor Ort?

Die beiden Kriegsparteien kämpfen weiter. Man hört überall in der Stadt die unterschiedlichsten Artilleriegeschosse durch die Luft pfeifen oder einschlagen. Ab und an wird es etwas weniger, aber die Hintergründe bleiben oft undurchsichtig. Die Kriegsparteien veröffentlichen außer Propaganda kaum Informationen, die für die Zivilisten in der Stadt verwertbar wären.

Es geht bei den Kämpfen vor allem um zentrale Einrichtungen wie den Flughafen oder das Militärhauptquartier sowie um die vielen RSF-Camps. Aber all diese Orte liegen mitten in einer dicht besiedelten Millionenstadt. Zivilisten sind damit automatisch betroffen – ohne dass die Kriegsparteien Verantwortungsgefühl erkennen ließen. Wohnhäuser werden getroffen, auch Kliniken, von denen viele mittlerweile ihre Patienten nicht mehr versorgen können. Lebensmittelnachschub ist schwer zu organisieren, weil viele Läden dicht sind und ihre Vorräte nicht aufstocken können.

Es gibt ständig Strom- und Wasserausfälle – bei über 40 Grad im Fastenmonat Ramadan. Nach den Angriffen auf die Basen der RSF laufen nun „entwurzelte“ Kämpfer durch die Stadt und plündern Supermärkte und Privathäuser, um sich mit Lebensmitteln und Wasser zu versorgen. Eine Massenflucht aus der Stadt hat begonnen.

Was ist dran an den Vorwürfen, Russlands Wagner-Söldner würden den Konflikt anheizen?

RSF-Chef Hemeti hat Verbindungen nach Russland, und es gibt Berichte, wonach Wagner und die RSF gemeinsam im Sudan geschürftes Gold außer Landes schaffen, das teils wohl auch für die Finanzierung des Ukrainekriegs verwandt wird. In der Tat ist es grundsätzlich derzeit eine große Sorge, dass regionale Alliierte der beiden Kontrahenten versuchen könnten, in den Konflikt einzugreifen, um „ihrem“ Kandidaten zum Sieg und sich selbst damit zu mehr regionalem Einfluss zu verhelfen.

Der Sudan ist durch seine Lage am Horn von Afrika geostrategisch und auch wegen seiner schieren Größe wichtig für die Anrainer. Aber Gerüchte gibt es zahlreiche, weil es eben viele Ängste gibt und beide Apparate sehr undurchsichtig sind. Ein Gegenargument ist hier sicherlich, dass auch die Anrainer am sowieso schon krisengeplagten Horn nicht noch mehr Konflikte in ihrer Mitte wollen, die dann möglicherweise noch überschwappen durch die ethnisch oft miteinander verbundenen Grenzregionen.

Wie stehen die Chancen auf eine baldige Beendigung der Gewalt? Ist eine Verhandlungslösung realistisch? 

Die beiden Generäle haben sich in eine Hardliner-Rhetorik verstiegen, die es für beide schwierig machen dürfte, ohne signifikante Schlachtfeld-Erfolge zu deeskalieren. Außerdem misstrauen sich die beiden Generäle. Die geplanten Waffenruhen waren unter anderem wohl gescheitert, weil beide voneinander annahmen, dass der jeweils andere dann erst recht losschlagen oder die Pause für mehr Mobilisierung nutzen würde. Sollte sich bald herausstellen, dass einer dem anderen klar unterliegt, erhöhen sich sicherlich die Chancen für Verhandlungen. Solange beide eine Chance sehen, den „Erzfeind“ endlich zu eliminieren, könnte die Lage eher noch eskalieren.

Was kann die internationale Gemeinschaft tun?

Unmittelbar muss es darum gehen, dass das rücksichtslose Schießen in Wohngebieten sowie das Ausplündern – unter anderem von nationalen und internationalen Hilfsorganisationen – aufhört und dass Korridore für Zivilisten aus der Stadt oder in Krankenhäuser gewährleistet werden. Verlässliche Waffenruhen müssen her – regelmäßig. Vertreter der Zivilgesellschaft rufen, wie nach dem Putsch, erneut nach Sanktionen. Auch die mögliche Einmischung regionaler Kräfte müssen deutsche und internationale Politiker und Diplomaten sehr aufmerksam beobachten.

Schon jetzt, in der ersten Woche dieser Kämpfe, müssen sie intensiv Druck machen, einseitige Interventionen anprangern und auf gemeinsamer Deeskalation beharren. Längerfristig müssen Deutschland und die Welt die reformorientierten und pro-demokratischen Kräfte im Sudan weiter stärken. Vor allem viele junge Menschen hatten es mit der Revolution von 2018 geschafft, den Sturz eines Diktators „herbeizuprotestieren“.

Sie sind die Hoffnung für die Zukunft. Ob der schon begonnene politische Dialog um eine zivile, demokratische Regierung je wieder aufnehmbar ist, hängt auch davon ab, wie lange die Kämpfe noch anhalten und wie viele Zivilisten noch getötet werden. Es ist viel Boden verbrannt, viel Vertrauen zerstört. 

Dieser Text ist am 20. April erschienen im IPG-Journal.

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Autor*in
Nikolaos Gavalakis

leitet die Redaktion des IPG-Journals. Zuvor war er Leiter des Regionalbüros „Dialog Osteuropa“ der Friedrich-Ebert-Stiftung in Kiew. Er hat in Mainz und Kalifornien Politikwissenschaft, Jura und Amerikanistik studiert.

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