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Jemen wird zum nächsten Schlachtfeld für Saudis und Iraner

Der Jemen steuert auf einen Stellvertreterkrieg zwischen Saudi-Arabien und Iran zu. Der Machtkampf um die Vorherrschaft in der arabischen Welt ist gleichzeitig ein religiös aufgeladener Krieg zwischen Sunniten und Schiiten. Doch vor allem birgt er eine weitere Terror-Gefahr für die gesamte Welt.
von Jörg Armbruster · 1. April 2015
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Einst war Präsident Barack Obama angetreten, seine Soldaten aus den Krisengebieten des Nahen Ostens nach Hause zu holen. Die USA hatten keine Lust mehr, dort Ordnungsmacht zu spielen, die Feuerwehr also bei Bränden, die sie häufig genug selber gelegt hatten. Zum Beispiel im Irak, aber auch Libyen muss dazu gerechnet werden, Somalia ohnehin. Beim Brandherd Syrien sind bislang alle Löschversuche des Westens gescheitert. Meist waren sie zu halbherzig. Außerdem ist dieses Schlachtfeld inzwischen zum Schauplatz eines Stellvertreterkriegs zwischen Iran und Saudi-Arabien geworden, genauso wie der Irak. Und was geschieht im Jemen?

Geht es um einen blutigen Streit zweier islamischer Konfessionen, zwischen denen es seit mehr als tausend Jahren Spannungen gibt, manchmal sogar Kriege? Oder stellen zwei Regional-Mächte letztlich auch hier die Machtfrage, die sie zusätzlich auf dem Rücken der jemenitischen Bevölkerung austragen wollen?

Iran gegen Saudi-Arabien

Im arabischen Armenhaus scheint sich genau das anzubahnen, ein weiterer Stellvertreterkrieg zwischen Saudi-Arabien und Iran. Der Machtkampf um die Vorherrschaft in der arabischen Welt ist aber gleichzeitig ein religiös aufgeladener Krieg zwischen Sunniten und Schiiten. Mit Bomben und Raketen versucht die sunnitische Allianz unter Führung des Königshauses in Riad die schiitische Huthi-Miliz zu stoppen, der es in den vergangenen Monaten gelungen war, große Teile des Jemen zu besetzen. Unterstützt werden soll sie vom Iran, auch wenn es zwischen den iranischen Schiiten und den jemenitischen nur wenig religiöse Gemeinsamkeiten gibt. An eine Invasion mit Bodentruppen werde im Augenblick noch nicht gedacht, verkünden die saudischen Befehlshaber, aber ausschließen können und wollen sie eine solche Ausweitung des Krieges nicht. Die US-Amerikaner unterstützen dieses militärische Abenteuer der Saudis mit ungewissem Ausgang. Sie haben sich also entschlossen, im Jemen gegen den Iran zu kämpfen, der im Irak ihr heimlicher Partner ist gegen den IS, der sich in erster Linie aus Sunniten rekrutiert.

Die Geschichte des Konflikts im Jemen

Etwa 40 Prozent der Jemeniten gehören der zaiditischen Richtung des schiitischen Islam an, die sich in den vergangenen 1000 Jahren im Jemen entwickelt hatte. Bis 1962 hatten zaiditische Imame den Nordjemen beherrscht, dann wurde der letzte Herrscher von säkularen Kräften gestürzt, die den Jemen zur Republik umzuformen versuchten. Doch der folgende Bürgerkrieg vertiefte nur die Spaltung des Landes in eine traditionell-religiöse Stammesgesellschaft im Norden und einen eher säkularen Süden, erst kontrolliert von den Briten und nach der Entkolonialisierung von der UDSSR.

Auch nach der  Wiedervereinigung 1990 blieben sich beide Teile fremd. Die Huthis im Norden, ein zaiditischer Stamm, kämpfen schon seit mehr als zehn Jahren um größere politische Beteiligung an der jemenitischen Zentralregierung. Außerdem kämpfen sie für einen Autonomiestatus. Dass sie in den vergangenen Jahren tatsächlich erfolgreich waren und inzwischen sogar bis zum Golf von Aden ganz im Süden vorrücken konnten, dürfte gewiss auch der Unterstützung durch den Iran geschuldet sein.

Die Ziele der iranischen Mullahs

Doch sicherlich planen die Mullahs in Teheran nicht, den Huthi ihre Staatsreligion aufzuzwingen. Sie dürften in erster Linie daran interessiert sein, sich in ein weiteres Land der arabischen Welt auszudehnen. Fassen sie tatsächlich auf Dauer Fuß im Jemen, dann sind sie nicht nur im Irak und in Syrien militärisch präsenter, sondern auch auf dem Südzipfel der arabischen Halbinsel. Mehr können sich die Mullahs kaum wünschen. Für die Saudis, die selber nach der Vormachtstellung in der arabischen Welt streben, muss diese Vorstellung allerdings albtraumhaft sein. Der Erzfeind Iran stände dann nicht nur an der Grenze im Norden, sondern auch noch an der im Süden.

Golfstaaten und USA haben versagt

Ist dieser Bombenkrieg gegen die Huthi also gerechtfertigt? Aus der Sicht der Saudis sicherlich. Sie wollen den Iran zurückdrängen und so einen Jemen nach ihren eigenen Vorstellungen formen, möglichst fundamental-sunnitisch, saudi-hörig, mit marginalisierten Schiiten – ganz wie im eigenen Land. Tatsächlich aber zeigt der Krieg nur ein weiteres Mal das Politikversagen der Golfstaaten und indirekt auch der USA. Denn, wie schon Syrien bewiesen hat, verschärft eine Intervention Konflikte, statt sie zu lösen. Außerdem lässt sich mit Luftangriffen allein der Machtkampf im Jemen nicht entscheiden. Dazu gibt es zu viele Akteure. Versagt hat auch die von der Uno im November 2014 gesponserte Technokraten-Regierung, die es nicht geschafft hat, die Huthis in eine Regierung einzubinden.

Der Jemen ist auf dem Weg, ein zweites Syrien zu werden, eine Kampfarena zweier Erzfeinde. Auf der einen Seite der Frontlinie lässt Saudi-Arabien kämpfen, auf der anderen Seite der Iran. Der Konflikt steuert also auf einen klassischen Stellvertreterkrieg zu, der das ohnehin instabile Land vollends zerstören wird. Nach Syrien wäre der Jemen dann der zweite Schauplatz eines solchen Krieges mit den USA in der fragwürdigen Rolle des Waffenlieferanten und Militärberaters. Eine Rolle, die bisher noch nie zu einem guten Ende geführt hat.   

Solche Kriege erzeugen Terroristen

Waffenlieferungen werden wie Brandbeschleuniger wirken und wie ein Terror-Stimulans. Dieser Tage schrieb die Yemen Times: „Derzeit gibt es elf Splittergruppen im Jemen, auf die sich geschätzt 320.000 Kämpfer verteilen. Und alle bereiten sich auf Krieg vor. Die Mehrheit dieser Kämpfer besteht aus jungen Leuten zwischen 15 und 24 Jahren. Es sind unterernährte, schlecht ausgerüstete und schlecht ausgebildete Halbstarke, die keinen Schimmer davon haben, auf was sie zusteuern. Sie wissen nur eines, Gewalt ist im Anmarsch. Und in so einer Situation wird ihnen ihre Kalaschnikow zum besten Freund und potenziellen Lebensretter, den sie in nächster Zukunft kaum werden schweigen lassen.“

Al-Qaida und IS werden profitieren

Zwei allerdings freuen sich über diese Entwicklung. Die im Südjemen operierenden Terror-Organisationen „Al-Qaida auf der arabischen Halbinsel“ und der sogenannte „Islamische Staat“ (IS). Beide dürften viel Zulauf bekommen in den nächsten Wochen von den „unterernährten, schlecht ausgerüsteten und schlecht ausgebildeten Halbstarken“. Denn je unregierbarer ein Staat wird, desto schneller zerfällt er, je mehr Menschen durch Bomben ums Leben kommen, egal ob durch saudische Kampfflugzeuge, US-amerikanische Drohnen oder iranische Artillerie, desto besser gedeiht der Terrorismus. Sollten Saudi-Arabien mit seinen arabischen Verbündeten und den USA tatsächlich die Huthis zurückschlagen können, dann stehen die nächsten Gegner schon fest, nämlich Al-Qaida und der IS.

Autor*in
Jörg Armbruster am Stand des vorwärts-Verlags auf der Frankfurter Buchmesse.
Jörg Armbruster

war langjähriger ARD-Korrespondent für den Nahen Osten.

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