Nach dem Einmarsch russischer Truppen auf der Krim warnt der ukrainische Premier Jazenjuk vor Krieg. Die ukrainische Armee mobilisiert ihr Reservisten. Bundesaußenminister Steinmeier ruft Russland auf, die Souveränität der Ukraine zu respektieren.
Angesichts der sehr gefährlichen Lage auf der Krim sowie der russischen Militärmanöver an der westlichen Grenze zur Ukraine hat die Übergangsregierung in Kiew die NATO um militärischen Beistand gebeten und sämtliche Reservisten mobilisiert. Der Chef des Nationalen Sicherheitsrates, Andrej Parubi, teilte mit, dass sich alle Männer im wehrpflichtigen Alter seit Sonntagmorgen bei den Wehrkreiskommandos melden müssen und Interimspräsident Alexander Turtschinow ordnete wegen „des Akts der Aggressionen“, für den es keine Grundlage gebe, die volle Kampfbereitschaft der ukrainischen Armee an: „Alle Erklärungen über Gefahren für russische Staatsbürger oder russischsprachige Ukrainer sind erdacht.“ Nun ist die Situation zwischen Russland und der Ukraine nicht nur gefährlich, sie ist auch sehr unübersichtlich. In Kiew tagt das Parlament. Auf dem Maidan haben sich etwa 50.000 Menschen versammelt. Sie demonstrieren gegen die russischen Aktionen auf der Krim.
John Kerry, der US-Außenminister, kritisierte in Washington die russische Intervention auf der Halbinsel scharf und drohte Moskau mit Sanktionen im Falle einer weiteren Eskalation. Unter anderem mit dem Verlust seiner G8-Mitgliedschaft. Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier sagte in Berlin: „Wir fordern Russland in aller Eindringlichkeit auf, jeden Vorstoß gegen die Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine zu unterlassen.“ Er warnte vor einer neuen Spaltung Europas und betonte, Russland habe kein Recht, Militär jenseits der Regeln des Pachtvertrages über die russische Schwarzmeerflotte auf ukrainischem Hoheitsgebiet einzusetzen. Die USA, Frankreich, Großbritannien und Kanada sagten ihre Teilnahme am G8-Vorbereitungstreffen in Sotschi ab.
Jazenjuk warnt vor Krieg
Der Krieg der Worte ist in vollem Gang: „Eine Intervention wird der Beginn eines Krieges und das Ende aller Beziehungen sein,“ warnte Ministerpräsident Arseni Jazenjuk. „Die Regierung der Ukraine wird alle Maßnahmen zur Wahrung von Ruhe, Ordnung und Stabilität ergreifen.“ Einen russischen Militäreinsatz werde man nicht hinnehmen. Und der Führer der nationalistischen Partei Swoboda, Oleg Tjagnibok, rief den Ukrainern zu: „Brüder und Schwestern, alles muss jetzt getan werden zum Schutz der Heimat. Wir geben kein einziges Stückchen Erde her. Wir werden siegen.“
Vitali Klitschko rief seine Landsleute dazu auf, keine Aufrufe zum Separatismus, keine Gewalt, keine Anarchie zuzulassen: „Jeder, der sein Land liebt, sollte seinen Patriotismus und die Einheit zeigen.“ Im Laufe des Tages wandte sich die Orthodoxe Kirche an ihre Glaubensbrüder in Moskau mit der Bitte, sich gegen einen Krieg auszusprechen. Schließlich appellierte Julia Timoschenko an die EU einen Gipfel im Livadija-Palast auf der Krim abzuhalten. Dort wurde 1945 auf der Konferenz von Jalta einen neuer Grenzlauf in Europa beschlossen. Nach den Worten des Premierministers Jazenjuk „stehen wir am Rand einer Katastrophe“.
Widersprüchliche Meldungen
Zur Lage vor Ort, soweit die Informationen gesichert sind: Die Ukraine hat ihren Luftraum für Militärflugzeuge gesperrt. Zu Kämpfen ist es auf der Halbinsel im Schwarzen Meer bisher nicht gekommen. Im Übrigen sind viele Nachrichten über das russische wie das ukrainische Militär sehr widersprüchlich. Auch die der russischen Nachrichtenagentur Interfax, wonach russische Soldaten die ukrainische Besatzung einer Radarstation entwaffnet und sie aufgefordert hätten, sich auf die Seite der „rechtmäßigen Führung“ der Krim zu schlagen. Nicht nur der Krieg der Worte, auch der in den Medien beider Länder hat längst begonnen.
ist Journalist, Gast-Dozent für Fernsehdokumentation und -reportagen an der Berliner Journalistenschule und an der Evangelischen Journalistenschule in Berlin sowie Honorarprofessor im Studiengang Kulturjournalismus an der Berliner Universität der Künste (UdK).