Der abgesetzte ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch sieht sich weiter im Amt und macht den Westen für die Krise verantwortlich. Unterdessen spitzt sich der Konflikt auf der Krim weiter zu. Und im Staatshaushalt fehlen Milliarden.
Die Lage in der Ukraine hat sich zum Wochenende hin dramatisch zugespitzt: Die bis zur Wahl Ende Mai amtierende Übergangsregierung unter Premierminister Arseni Jazenjuk steht vor gewaltigen Problemen. Die Staatskassen sind leer. Das Land braucht dringend eine umfangreiche internationale finanzielle Unterstützung. Die Situation auf der Krim ist denkbar gefährlich und unübersichtlich, nachdem schwer bewaffnete Männer in der Hauptstadt Simferopol am Donnerstag sowohl den Regierungssitz als auch das Parlament besetzt hatten. Die Regierung in Moskau lässt den Stützpunkt der Schwarzmeerflotte in Sewastopol massiv schützen und der nach Russland geflohene Viktor Janukowitsch hat am Freitag in Rostow am Don angedroht: „Ich bin bereit, den Kampf um die Zukunft der Ukraine aufzunehmen gegen Leute, die durch Angst und Terror die Macht an sich gerissen haben.
Erstmals nach seiner Flucht aus der ukrainischen Hauptstadt vor einer Woche äußerte sich der von der Opposition und den Demonstranten auf dem Maidan vertriebene und abgesetzte Präsident öffentlich: „Niemand hat mich abgesetzt. Ich war gezwungen, die Ukraine zu verlassen, wegen unmittelbarer Gefahr für mich und meine Angehörigen.“ Janukowitsch sagte nichts zu dem ihm zur Last gelegten Massenmord, der Korruption und dem Machtmissbrauch. Er sprach aber „von einer nationalistischen und pro-faschistischen Minderheit, die die Macht an sich gerissen“ habe und machte auf der Pressekonferenz den Westen für die Krise in der Ukraine verantwortlich: „ich habe auf den Anstand der westlichen Vermittler vertraut als ich das Abkommen mit der Opposition unterschrieben habe.“ Gesetzlosigkeit, Terror, Anarchie und Chaos seien die Folge, behauptete Janukowitsch, der nach seinen eigenen Worten bei einem Freund in Rostow untergekommen ist.
SPD-Politiker warnt vor “Büchse der Pandorra“
Unterdessen sieht es so aus, dass in Berlin, Brüssel, Washington, Kiew und Moskau ununterbrochen nach einem friedlichen Ausweg aus der Krise in der Ukraine gesucht wird. Der außenpolitische Sprecher der SPD, Niels Annen, sagte dazu im Deutschlandfunk (DLF): „Wir sind ja in permanentem Kontakt. Die Bundesregierung ist im Kontakt mit der russischen Regierung, auch mit der ukrainischen Übergangsregierung. Wir reden im Moment über den zugespitzten Konflikt auf der Halbinsel Krim, und das ist natürlich im Moment das, was im Mittelpunkt steht. Aber die gesamte Ukraine braucht in den nächsten Wochen und Monaten auch massive finanzielle Unterstützung.“ Für Annen dreht es sich dabei um Tage. Er warnte nachdrücklich vor einer Eskalation auf der Krim. Wer an der territorialen Integrität der Ukraine rüttle, der laufe Gefahr, die „Büchse der Pandora“ zu öffnen.
37 Milliarden sollen aus Staatskasse verschwunden sein
Der Übergangsregierung in Kiew droht die Zeit weg zu laufen. Premier Jazenjuk kündigte im Parlament „unpopuläre Entscheidungen“ an: „Die Staatskasse ist leer.“ Mindestens 37 Milliarden Dollar seien schlicht verschwunden. Die Auslandsschulden belaufen sich auf 75 Milliarden Dollar und der Wert der Landeswährung verfällt zusehends. Die Renten können seit mehr als einem Monat nicht mehr vollständig ausgezahlt werden. Die Goldreserven sind geplündert und auf der Krim soll es am ukrainischen Wahltag, dem 25. Mai, ein Referendum zu der Frage geben, ob die Halbinsel im ukrainischen Staatsverbund bleiben soll.
Unbestätigten Berichten zufolge haben unterdessen russische Militärhubschrauber die Grenze der Ukraine gekreuzt und russische Einheiten der Schwarzmeerflotte einen ukrainischen Stützpunkt der Küstenwache in Balaklava umstellt. Nähere Einzelheiten zu beiden Vorfällen sind bisher nicht bekannt. Das Außenministerium in Moskau lehnte Gespräche mit der ukrainischen Übergangsregierung mit dem Hinweis ab, es handele sich um interne Angelegenheiten der Ukraine.
ist Journalist, Gast-Dozent für Fernsehdokumentation und -reportagen an der Berliner Journalistenschule und an der Evangelischen Journalistenschule in Berlin sowie Honorarprofessor im Studiengang Kulturjournalismus an der Berliner Universität der Künste (UdK).