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Israel will NGOs an den Pranger stellen

Das kannte man bisher nur aus Putins Russland: Nichtregierungsorganisationen, die mehrheitlich aus dem Ausland finanziert werden, sollen öffentlich als ausländische Agenten gebrandmarkt werden. Genau das will die Rechtskoalition in Israel mit einem neuen Gesetz. Die ohnehin angespannten Beziehungen zu den USA und der EU drohen sich weiter zu verschlechtern.
von Werner Puschra · 15. Januar 2016
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Ende Dezember 2015 verabschiedete der Ministerialausschuss der Regierung einen Gesetzentwurf, der nach Ansicht der Justizministerin Ayelet Shaked die Transparenz der Finanzierung von NGOs in Israel herstellen soll. Die Verwendung des Begriffs „Transparenz“ hört sich zunächst harmlos an und kaum jemand kann dagegen sein. Aber in diesem Fall ist etwas ganz anderes gemeint, nämlich die Beschränkung demokratischer Spielräume für regierungskritische NGOs. Der Gesetzentwurf ist diskriminierend, denn er bezieht sich nur auf die Aktivitäten von NGOs, die zu mehr als 50 Prozent von der Finanzierung durch ausländische öffentliche Mittel von Regierungen und anderen öffentlichen Institutionen abhängen.

NGOs beschmutzen angeblich das Ansehen Israels

Ihnen wird unterstellt, dadurch seien sie „ausländische Agenten“, die durch ihre Aktivitäten das Ansehen Israels im Ausland beschmutzen und zur Delegitimierung Israels beitragen. Die Vorwürfe richten sich konkret gegen circa 70 bis 80 NGOs, die sich zum Beispiel für Menschenrechte, gegen die israelische Besatzung in den Palästinensischen Gebieten, für ein friedliches Zusammenleben von Juden und Arabern in Israel und für eine Zwei-Staaten-Lösung im Nahostkonflikt einsetzen. Darunter sind so bekannte NGOs wie Peace Now, Breaking the Silence, B`tselem und andere.

Der Gesetzentwurf sieht vor, dass solche NGOs in allen öffentlichen Äußerungen deutlich darauf hinweisen müssen, von welcher ausländischen Regierung oder Organisation sie finanzielle Unterstützung bekommen. Wenn sie sich nicht daran halten, droht ihnen eine Strafe von umgerechnet circa 7.000 Euro. Aber er geht noch weiter. Vertreter dieser NGOs müssen bei Besuchen in der Knesset, dem israelischen Parlament, Schilder tragen, auf denen deutlich zu sehen ist, von wem sie aus dem Ausland finanziert werden. Natürlich weckt das sofort Assoziationen an eine Zeit, in der Juden zunächst gekennzeichnet und dann zu Millionen verfolgt wurden.

Heftige Auseinandersetzung um NGOs in Israel

Seit der Bekanntgabe dieses Entwurfs findet eine heftige Auseinandersetzung nicht nur innerhalb Israels zwischen Befürwortern und Gegnern statt, sondern auch zwischen Israel, den USA und der Europäischen Union und ihren Mitgliedsstaaten. Die zahlreichen Kritiker des Gesetzentwurfs weisen darauf hin, dass private Spenden und finanzielle Unterstützungen aus dem Ausland nicht berücksichtigt sind und weiterhin außerhalb des Lichtes der Öffentlichkeit stattfinden. Die Zeitung Haaretz hat erst kürzlich eine Artikelserie veröffentlicht und dargestellt, wie umfangreich private Spenden aus den USA dazu beitragen, die israelische Siedlungspolitik in den besetzten Gebieten zu unterstützen.

Nicht nur betroffene NGOs und ihre Geber kritisieren den Entwurf, auch einflussreiche amerikanische jüdische Organisation wie das American-Jewish Committee und die Anti-Defamation League veröffentlichten Erklärungen, die sich gegen den Entwurf aussprechen. Er würde Israels Ruf als offene und demokratische Gesellschaft im Nahen Osten in Frage stellen und den demokratischen Charakter Israels untergraben. Die existierenden Vorschriften für NGOs seien völlig ausreichend und würden die geforderte Transparenz bereits herstellen. In einem gemeinsamen Brief der Deutsch-Israelischen Parlamentariergruppe wiesen die Vertreter aller Bundestagsfraktionen darauf hin, dass ihr Engagement und Eintreten für Israel durch die Verabschiedung des NGO-Gesetzes nachhaltig und deutlich erschwert würde.

Spaltung der Gesellschaft Israels wird verstärkt

Dieser Gesetzentwurf trägt tatsächlich das Risiko in sich, die Spaltung der israelischen Gesellschaft zwischen nationalistischen und progressiven Kräften  weiter zu vertiefen und das bereits angespannte Verhältnis zu den USA und der EU weiter zu verschlechtern. Dies in einer Zeit, in der die Beziehungen Israels zu den USA und der EU bereits sehr angespannt sind wegen der israelischen Siedlungspolitik und dem Stillstand im Friedensprozess.

Der Gesetzentwurf trägt dazu bei, bestimmte regierungskritische Meinungen aus dem demokratischen und pluralistischen politischen Diskurs auszuschließen und zu delegitimieren. Das beste Beispiel dafür ist die Organisation „Breaking the Silence“, der von der Regierung vorgeworfen wird, sie würde Israel im Ausland verleumden. Sollte es zu der Verabschiedung des Gesetzes kommen, könnte der politische Schaden für Israel größer sein, als der vermeintliche politische Nutzen.

Es geht der Rechtskoalition nur um die NGOs, die sich kritisch mit der Politik der aktuellen Regierung auseinandersetzen. In dieser Koalition haben nationalistische und religiöse Kräfte ein deutliches Übergewicht und bestimmen die politische Tagesordnung und Debatte in Israel. Nach Ansicht politischer Beobachter strebt diese Regierung an, eine national-religiöse Revolution in Israel durchzusetzen mit der Durchdringung aller öffentlichen Institutionen. Israel sei auf dem Weg in einen neuen, national und religiös bestimmten jüdischen Staat, der sich entgegengesetzt zur ursprünglichen Staatsidee von David Ben Gurion und anderen aus der Gründergeneration entwickele.

Israels Linke: „Ein Jude kennzeichnet keinen Juden“

Die israelische Linke ist im öffentlichen Diskurs dadurch ins Hintertreffen geraten und politisch geschwächt. Dennoch ist sie die einzige Kraft, die der Entwicklung Einhalt gebieten könnte. Um ihren Protest gegen das NGO-Gesetz deutlich zu machen, trugen die Abgeordneten der oppositionellen Zionistischen Union (eine Fraktionsgemeinschaft der Arbeitspartei mit Hatnuah) für einen Tag ein gut sichtbares Schild um den Hals mit der Aufschrift „Ein Jude kennzeichnet keinen Juden – ein Jude kennzeichnet keine Menschen“.  Der Bürgermeister von Tel Aviv, Ron Huldai, trug nach dem Beschluss des Ministerialausschusses ein Schild um den Hals mit den Worten „Auch ich bin der Bürger eines Staates, der Finanzierung durch einen fremden Staat erhält.“ Das war seine Antwort auf diesen Beschluss.

Angehörige der Regierungskoalition haben sich in der Öffentlichkeit ebenfalls gegen diesen Entwurf gewandt. Da die Regierung nur über eine Mehrheit von einem Sitz verfügt, würde es ausreichen, den Entwurf in der Knesset zu kippen. In der ersten Januarwoche 2016 sollte die erste Lesung stattfinden, sie wurde aber von der Tagesordnung genommen. Ist das ein Hinweis darauf, dass er doch nicht zur Abstimmung gebracht wird, um eine Niederlage der Koalition zu vermeiden? Die Justizministerin hat den Kampf um ihren Entwurf jedenfalls noch nicht aufgegeben.

    

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Werner Puschra

leitet das Büro der Friedrich-Ebert-Stiftung in Israel.

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