International

Israel nach dem Atom-Deal: In Angst vereint

Das in Wien ausgehandelte Abkommen zum iranischen Atomprogramm gilt als Erfolg. Israel dagegen ist durch den Coup des Iran auf diplomatischem Parkett verängstigt. Die traditionell gespaltene Gesellschaft des Landes ist sich dabei überraschend einig.
von Rafael Seligmann · 24. Juli 2015
Demonstration gegen Atom-Abkommen mit dem Iran
Demonstration gegen Atom-Abkommen mit dem Iran

Eine Angst geht um in Israel, die Angst vor einer iranischen Atombombe. Sie ist keine abstrakte Panik vor Waffen, die ihre fatale Zerstörungskraft 1945 gegen die japanische Zivilbevölkerung bewiesen haben, im Ost-West-Konflikt später jedoch für ein Gleichgewicht des Schreckens sorgte. Doch die Sowjetunion, später Russland beziehungsweise die Vereinigten Staaten akzeptierten trotz ideologischer Gegensätze die Existenz der Gegenseite. Man pflegte diplomatische und wirtschaftliche Beziehungen.

„Auslöschung Israels“ keine leere Drohung

Anders in Nahost. Seit der islamischen Revolution im Jahre 1979 sieht das in Iran herrschende System Israel als Todfeind an, dessen Existenz „von der Landkarte ausgelöscht werden“ müsste wie der ehemalige iranische Präsident Ahmadinedschad und andere verkündeten. Dies ist keine leere Drohung. Jüdische und israelische Einrichtungen wurden weltweit angegriffen, dabei wurden Menschen ermordet. In Nahost unterstützt Iran islamistische Parteien und Terrorgruppen, vor allem die schiitische Hizbollah in Libanon und die sunnitische Hamas im Gazastreifen mit Geld und mit Waffen, etwa mit Raketen. Durch Entführungen und Raketenbeschuss auf israelische Ortschaften und Städte provozierten diese Gruppen eine Eskalation, die in israelischen Kriegshandlungen mündete, die tausende Opfer, vor allem Araber, forderten.

Die ständige Hetze Irans gegen Israel, die Leugnung des Völkermords an den Juden, die konventionelle militärische Aufrüstung, vor allem aber die systematische nukleare Aufrüstung beunruhigt die israelische Bevölkerung, alle jüdischen Parteien und deren Medien. Das soeben in Wien von den Außenministern der fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats sowie Deutschland und Iran unterzeichnete Abkommen soll die nukleare Aufrüstung Irans begrenzen und kontrollieren. Der israelische Ministerpräsident Netanyahu nannte das Ergebnis einen schlechten Deal. Diese Beurteilung wird von Israels Arbeitspartei sowie mehr als 90 Prozent der jüdischen Bevölkerung Israels geteilt.

Seltene Einigkeit in Gesellschaft und Medien

Die etwa 18 Prozent Araber verhalten sich in abwartend. Kritisiert wird, dass die nuklearen Anreicherungsanlagen Irans bestehen bleiben, sodass Teheran jederzeit sein atomares Potenzial hochfahren könne, um Nuklearwaffen zu produzieren. Als entscheidender Mangel aber wird angesehen, dass der Vertrag nur technische Details regelt. Es fehle eine politische Aussage: dass Iran das Existenzrecht aller Staaten und damit zumindest indirekt auch die Lebensgrundlage Israels anerkennt. Diese Forderung wird von allen Bewohnern Israels vermisst, die einen jüdischen Staat befürworten. Aussagen wie die von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD), nun solle Teheran das Existenzrecht Israels anerkennen, werden als Beleg für die Richtigkeit dieses Ansinnens gesehen. Vehement drückt sich diese Position auch in der amerikanischen Politik aus. Nicht nur die Republikaner, auch viele Demokraten, fordern ausdrücklich die Anerkennung Israels durch Iran – als Lackmustest für die Friedensbereitschaft Teherans.

Die israelische Presse ist sich einig in der Forderung nach einer politischen Absicherung des israelischen Existenzrechts, vor allem durch die Vereinigten Staaten und die Mächte Westeuropas. Deutschland nimmt dabei eine Sonderstellung ein – durch den Völkermord der Nazis, aber auch die Bereitschaft Deutschlands, Israel Kriegswaffen zur Verfügung zu stellen. Berlin lässt sich dabei von der Haltung des ehemaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder leiten, Israel bekomme die Waffen, die es zu seiner Verteidigung benötige. Dabei handelt es sich vor allem um deutsche U-Boote, von denen angenommen wird, dass sie, ausgerüstet mit Nuklearwaffen, als Mittel der Abschreckung dienen sollen.

Wirkung des Abkommens nicht absehbar

Zusammengefasst: Die Israelis befürchten keinen iranischen Nuklearangriff. Hier wirkt die Abschreckung. Doch fast alle Experten sind sich einig, dass ein gestärkter Iran fortfahren wird, terroristische, anti-israelische Milizen und Kräfte zu unterstützen, die vor allem durch Raketenangriffe Israels Bevölkerungszentren bedrohen und so den jüdischen Staat zu Gegenschlägen provozieren und dadurch den Nahostkonflikt weiter anheizen würde.

Der national-liberale Ministerpräsident Netanyahu hat in seiner rechtskonservativen Koalition ausdrücklich das Außenministerium nicht besetzt, um die von der Arbeitspartei geführte Zionistische Allianz in sein Regierungsbündnis zu ziehen. Dadurch soll Israel innen- und außenpolitisch angesichts der iranischen Bedrohung geschlossen auftreten. Israelische Kommentatoren hoffen, dass eine einige, möglichst breit aufgestellte Regierung Washington, Berlin und andere Mächte überzeugen könnte, die iranische Führung zu einer Akzeptanz Israels zu bewegen. Nur so komme man dem Frieden näher. Bis dahin herrscht quer durch Israel Angst.

Lesen Sie hier, wer im Iran von dem Atom-Deal profitiert.

Autor*in
Rafael Seligmann

ist ein deutsch-israelischer Schriftsteller, Publizist, Politologe und Zeithistoriker.

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