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Impfstart in Tansania: Pandemie bekämpfen statt Corona leugnen

Tansania ist eines von sechs Ländern weltweit, die noch nicht mit Corona-Impfungen begonnen haben. Auch weil der im März verstorbene Ex-Präsident die Pandemie konsequent geleugnet hatte. Seine Nachfolgerin wagt einen Neuanfang.
von Elisabeth Bollrich · 23. Juli 2021
Seit März ist Samia Suluhu Hassan Präsidentin von Tansania.
Seit März ist Samia Suluhu Hassan Präsidentin von Tansania.

Mit der Haltung, die Pandemie im eigenen Land auszuklammern, stand Tansania bis vor kurzem global einigermaßen isoliert da. Als eines von weltweit sechs Ländern, die noch überhaupt nicht mit dem Impfen begonnen haben, fragte Tansania Mitte Juni bei der Covax-Initiative an. Innerhalb von sechs Monaten sollen nun die ersten Impfstoffe im Land eintreffen. Jenseits der großen Frage, wie es um die Impfbereitschaft im Land steht, ist das eine Kehrtwende. Sansibar, der halbautonome Teil der Vereinigten Republik Tansanias, ist allerdings bereits zuvor mit der Zusage vorgeprescht, die Insel werde Impfstoffe für die Haddsch-Pilgerreise zur Verfügung stellen. Dort wird auch seit dieser Woche geimpft.

Impf-Start auf Sansibar

Die neue Präsidentin Samia Suluhu Hassan, die nach dem Tod ihres Vorgängers seit dem 19. März 2021 regiert, warnt fast täglich vor der dritten Covid-19-Welle, wie sie sich in den Nachbarländern zeigt, und betont die komplett neue Situation aufgrund der „weit tödlicheren“ Delta-Variante. Kommunikativ ist das geschickt. Denn zuvor wurde in Tansania Stillschweigen über das Thema bewahrt. Das bedeutet auch, dass das Land in der öffentlichen Debatte nicht vor seiner dritten, sondern vor der ersten Welle steht. Das zeigt sich zum einen im Straßenbild: Verhaltensänderungen im öffentlichen Raum gehen nur sehr langsam vonstatten. Masken findet man dort, wo sich Unternehmen oder Organisationen frühzeitig entschieden hatten, Vorsichtsmaßnahmen zu treffen. Zum anderen sind Des- und Fehlinformationen im Umgang mit dem Coronavirus sowie Gerüchte über negative Impffolgen weit verbreitet.

Den Wunsch, einen wissenschaftsbasierten Ansatz beim Infektionsschutz zu verfolgen, offenbarte die neue Präsidentin direkt nach ihrer Amtsübernahme, indem sie eine Expertenkommission einberief, die Mitte Mai 19 umfassende Empfehlungen zum Umgang mit der damals schon bevorstehenden dritten Welle der Pandemie und zur Impfpriorisierung vorlegte. Behutsam wagt man sich in das neue Terrain vor. Samia Suluhu Hassan selbst ist sich ihrer Vorbildfunktion bewusst und trägt seit einiger Zeit in der Öffentlichkeit Maske. Der Fokus ist, Bewusstsein zu schaffen.

Neuer Kurs durch neue Präsidentin

Gleichwohl lässt sich keine verlässliche Aussage über die Verbreitung des Coronavirus in Tansania treffen. Weiterhin sind die letzten an die WHO gemeldeten – und öffentlich abrufbaren Daten – von Mai 2020. Kurz nach der einmütig positiv beschiedenen 100-Tage-Bilanz der Präsidentin gab Samia Suluhu Hassan selbst Ende Juni erstmals eine Zahl bekannt: Es gebe 100 Fälle in Krankenhäusern, wovon 70 auf Sauerstoff angewiesen seien. Ende letzter Woche wurden von der Gesundheitsministerin 408 neue Covid-19-Fälle vermeldet. Es mehren sich seither Warnungen von Krankenhäusern, dass es nicht genügend Sauerstoff gebe, um alle Patientinnen und Patienten zu versorgen. Gleichzeitig wird gemahnt, die Bevölkerung müsse jetzt alle Vorkehrungen treffen, um eine schlimme Situation im Land zu vermeiden. 

Tansania sucht nun das Vertrauen internationaler Entwicklungspartner und Investoren, auch zur Mobilisierung finanzieller Ressourcen für medizinische Ausrüstung, Training und Impfungen. Auf der anderen Seite darf nicht vergessen werden, dass die globale Impfstoffverteilung im Allgemeinen immense Irritationen hinterlässt. Natürlich möchte kein afrikanisches Land als Bittsteller wahrgenommen werden. Und wer will schon mit Impfkampagnen beginnen, ohne ein Impfangebot machen zu können? Tansania hat hierfür eine eigene Antwort gefunden: Zusammen mit der Ankündigung, dass Covid-19-Impfstoff dank Covax ab Dezember für Impffreiwillige zur Verfügung stünde, wurde mitgeteilt, dass man die lokale Produktion verschiedener Impfstoffe, inklusive eines möglichen Covid-Vakzins, aufnehmen werde.

Erschienen am 15. Juli im IPG-Journal.

Autor*in
Elisabeth Bollrich

Elisabeth Bollrich ist Koordinatorin des Globalisierungsprojekts im Referat Globale Politik und Entwicklung der Friedrich-Ebert-Stiftung. Sie bearbeitet die Themen Globale Ökonomie und Demokratieförderung.

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