Impfkampagne in Brasilien: Bolsonaro gegen Doria, Astrazeneca versus Coronavac
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Brasilien steht kurz vor dem Beginn der Impfkampagne. Allerdings war die Debatte um die Impfungen von Anfang an politisiert, insbesondere durch die Auseinandersetzung zwischen Präsident Jair Bolsonaro und dem Gouverneur von São Paulo, João Doria. Eigentlich liegt die Beschaffung von Impfungen in der Verantwortung der Nationalregierung. Aber parallel zum chaotischen Krisenmanagement der Regierung hat der Bundesstaat São Paulo Millionen Dosen des in China entwickelten Impfstoffs Coronavac gekauft. Bolsonaro tönte zunächst, Brasilien werde keine „China-Impfung“ verwenden. Seine Regierung hat stattdessen auf den Impfstoff der Firma AstraZeneca und der Universität Oxford gesetzt. Sie wurde deutlich dafür kritisiert, dass es lange bei diesem einen bilateralen Abkommen mit einem Impfproduzenten blieb. Die Regierung hat inzwischen eingelenkt und ein Abkommen zur Nutzung von Coronavac unterzeichnet.
Mittlerweile wurden 100 Millionen Impfdosen von Coronavac gekauft. Zusätzlich wurden zwei Millionen Impfdosen von AstraZeneca angeschafft, darüber hinaus sollen über 210 Millionen Dosen der AstraZeneca-Impfung 2021 in Brasilien selbst produziert werden. Des Weiteren ist Brasilien Teil des internationalen Abkommens COVAX, das dem Land das Recht auf 42 Millionen Impfdosen sichert. Von diesen insgesamt 354 Millionen Impfdosen stehen derzeit laut Presseberichten 11 Millionen zur Verfügung.
Coronav: Weniger wirksam, noch WHO-konform
Der Beginn der Impfkampagne steht nun kurz bevor. Jüngst wurden Ergebnisse zur Wirksamkeit von Coronavac präsentiert. Mit 50,4 Prozent ist die Effektivität zwar geringer als zunächst angekündigt, entspricht aber noch der Empfehlung der der WHO. Die Impfung muss noch offiziell von der nationalen Gesundheitsagentur ANVISA zugelassen werden (wie andere Bereiche im Gesundheitswesen hat auch diese Agentur in den letzten Jahren an Mitteln und Mitarbeitern verloren).
Die große Herausforderung besteht in der logistischen Organisation der Impfung, die in allen Bundesstaaten parallel beginnen soll. Geimpft werden sollen in mehreren Stufen zunächst Angestellte im Gesundheitssektor, Indigene und Quilombolas (afro-brasilianische Bewohner von sogenannten Quilombo-Siedlungen, die ursprünglich von entkommenen Sklaven gegründet wurden). Die übrigen Impfungen werden gestaffelt nach Alter vorgenommen. Brasilien verfügt mit dem Programa Nacional de Imunizações (PNI) über lange Erfahrung und gute Voraussetzungen für die Impfung in Massen. Allerdings waren die Transparenz hinsichtlich der Wirksamkeit der Impfungen sowie die Kommunikation der Impfstrategie bisher mangelhaft. Gesundheitsminister Eduardo Pazuello (ein General) hielt bisher eher erratische Pressekonferenzen, die Zweifel an der Impfkampagne der Regierung nährten. Zudem wurde versäumt, Millionen Spritzen und Ampullen für die Impfkampagne zu besorgen; sie müssen nun eilig nachgeordert werden.
Bolsonaro befeuert Impfskepsis gezielt
Die Impfbereitschaft in der Bevölkerung ist derweil gesunken. Im Dezember gaben 22 Prozent der Brasilianerinnen und Brasilianer an, sich nicht impfen lassen zu wollen (im August 2020 waren es lediglich 9 Prozent), und 50 Prozent wollen keine Impfung aus China akzeptieren. Der Oberste Gerichtshof indes hat mittlerweile eine Impfpflicht für zulässig erklärt.
Bolsonaro ist für die Skepsis in der Bevölkerung mitverantwortlich. Er sät Zweifel an dem Impfstoff aus chinesischer Produktion, um so einen vermeintlichen Sieg über seinen Widersacher Doria zu erlangen – Doria wird als aussichtsreicher Kandidat für die Präsidentschaftswahlen 2022 gehandelt. Die Pandemie wurde in Brasilien von Anfang an zur politischen Auseinandersetzung genutzt, und auch jetzt geht es um symbolische Bilder.
Währenddessen befindet sich Brasilien in der zweiten Welle. Die Feiertage und der Sommer haben viele Brasilianerinnen und Brasilianer zu ihren Familien und an die Strände gezogen. Die Fallzahlen steigen rapide an und Krankenhäuser sind teils seit Wochen überlastet. Dramatisch ist die Situation in Manaus. In dortigen Krankenhäusern ist der Sauerstoff ausgegangen – Ärzte mussten entscheiden, wer behandelt werden kann. Es gibt Aufrufe an die Bevölkerung, Sauerstoffzylinder zu spenden.
leitet das Büro der Friedrich-Ebert-Stiftung in Brasilien. Zuvor war er als Referent im Lateinamerika-Referat der Stiftung tätig.