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"Ich bin ein skeptischer Optimist"

von Ramon Schack · 1. Juli 2011
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Der Begriff Charisma stammt aus dem Griechischen. Boris Tadić betont die tiefen historischen Bindungen zwischen Serbien und Griechenland, die große Freundschaft zwischen beiden Völkern. Dabei möchte es der Präsident aber belassen, denn, so Boris Tadić, der Staatshaushalt Serbiens befinde sich in einem viel besseren Zustand als der Griechenlands.

Präsident aller Völker
Boris Tadić, der sich im verflixten siebenten Jahr seiner Amtszeit befindet, wirkt entspannt und ausgeruht. Die Schwere seines Amtes, der permanente Spagat zwischen den Herausforderungen durch die nationalistische Opposition im eigenen Land, den schleppenden Beitrittsverhandlungen mit der EU sowie den Nachbarstaaten, mit denen sich Serbien vor einigen Jahren noch im Kriege befand, sieht man dem sozialdemokratischen Politiker und Vorsitzenden der Demokratischen Partei Serbiens nicht an.

"Ich bin ein skeptischer Optimist", erwidert Tadić darauf angesprochen. Ein Lächeln huscht über sein Gesicht. Tadić, 1958 in der bosnischen Hauptstadt Sarajewo geboren, scheint sich einiges von der damals kosmopolitischen und multiethnischen Atmosphäre seiner Heimatstadt erhalten zu haben.

"Ich betrachte mich als Präsident aller Völker und Religionsgemeinschaften Serbiens!" Den angestrebten EU-Beitritt seines Landes inklusive der Nachbarstaaten wertet er als stabilisierendes Element. Als Möglichkeit, die in den letzten Jahren entstandenen Grenzen sowie die unmittelbaren Folgen von Krieg und Vertreibung zu überwinden.

Die Auslieferung von Ratko Mladic interpretiert Tadić als Chance, die schweren Anschuldigungen gegenüber diesem Mann in einem fairen Prozess aufzuklären. "Es wäre besser gewesen, wenn Serbien Mladic früher ausgeliefert hätte", räumt er ein, verweist aber auf die politischen Verhältnisse in Belgrad vor der demokratischen Revolution im Jahr 2000.

"Wir sind eine junge Demokratie!", gibt der Präsident zu bedenken. Das alte Regime schütze Mladic! Die Kritik von Seiten nationalistischer Kreise in Belgrad an der Auslieferung des mutmaßlichen Kriegsverbrechers goutiert er mit der Bemerkung: "Ich bin Politker, kein Sänger oder Schauspieler. Mir geht es nicht darum beliebt zu sein oder es allen Menschen Recht zu machen. Für mich ist es wichtig, Entscheidungen zu treffen, die Serbiens Zukunft sichern!"

Um die Zukunft Serbiens abzusichern, muss das bisher angespannte Verhältnis gegenüber dem Kosovo geklärt werden, einem Staat, der von Belgrad nicht anerkannt wird, den viele Serben als kulturelle Wiege des Landes betrachten. Tadić stimmt dem zu, schließt aber eine Anerkennung des Kosovos von Seiten Belgrads vorläufig aus, betrachtet dieses auch nicht als eine Grundvoraussetzung für den EU-Beitritt seines Landes.

Das serbische Staatsoberhaupt rückt jetzt näher an die in seine Richtung ausgestreckten Mikrofone. "Immerhin gibt es ja auch EU-Mitgliedsstaaten, die den Kosovo nicht anerkennen", führt er aus. Tadić sieht die Schaffung von Großalbanien, also die Vereinigung des Kosovos mit Albanien als eigentliches Ziel der kosovarischen Politiker. Eine Entwicklung, die er nicht als direkte Gefahr für Serbien einschätzt, wohl aber als existenzbedrohend für Staaten wie Montenegro, vor allem aber Mazedonien. Sollte sich aber dieser Prozess auf Grundlage internationaler Verträge vollziehen, würde auch Serbien damit leben können, stellt er fest.

Wachsende Jugo-Nostalgie
Verständnisvoll äußert sich der gelernte Psychologe über das Phänomen der Jugo-Nostalgie, einer Sehnsucht nach dem untergegangenen Jugoslawien, welche seit einigen Jahren besonders in Bosnien und Mazedonien, aber auch in Teilen Serbiens, Kroatiens und sogar in Slowenien zu beoachten ist.

Der Serbische Präsident betrachtet dies als eine natürliche Entwicklung, verweist auf die kulturelle Nähe zwischen Kroaten, Serben und Bosniaken, vor allem auf die gemeinsame Geschichte. Boris Tadić betont, bei aller Nähe dürfen die Unterschiede nicht vergessen werden. "Das war der Fehler des alten Jugoslawiens, an dem dieser Staat schließlich scheiterte und worauf wir für die gemeinsame europäische Zukunft zu achten habe."

Der Präsident schildert ein Erlebnis aus eigener Erfahrung. "Kürzlich besuchte ich Zadar, an der kroatischen Adriaküste. Kaum hatte ich das Flugzeug verlassen, kamen die Erinnerungen an meine Jugend zurück, als ich dort, damals noch im geeinten Jugoslawien, meinen Urlaub mit meinen Elten verbrachte. Es waren schöne Erinnerungen an eine schöne Zeit. So sind die Menschen, sie erinnern sich gerne an das Gute in der Vergangenheit", gibt Boris Tadic zum Abschluß des Gespräches zu bedenken.

Boris Tadić wurde 1958 in Sarajewo geboren. Der gelernte Psychologe ist seit 1990 politisch in der sozialdemokratisch orientierten Demokratischen Partei Serbiens aktiv. Seit 2004 ist er Präsident Serbiens, 2008 wurde er im Amt bestätigt. Tadic gilt als prowestlich und setzt sich für einen EU-Beitritt Serbiens ein.

Autor*in
Ramon Schack

ist Politologe und Journalist.

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