International

Hollande sucht neue Beziehung zu USA

von Lutz Hermann · 21. September 2014

Kein Zweifel, auch wenn noch keine schlüssigen Umfragen in Paris vorliegen: Die Franzosen sprechen sich mehrheitlich für die Wiederwahl von Barack Obama im November aus.

Sein Rivale, der Republikaner Mitt Romney, hat keine gute Presse. Im Land der Trennung von Kirche und Staat (Laizismus) findet der amerikanische Mormone nur wenig, und wenn kritische Aufmerksamkeit. Das war nicht immer so. 

Der Amtsvorgänger von Präsident Francois Hollande, der Konservative Nicolas Sarkozy, hat Obama unverfroren hofiert. Gleich nach der Wahl des Amerikaners 2008 versuchte der Franzose auf allen diplomatischen Ebenen im Weißen Haus empfangen zu werden. Sarkozy hatte die Vorstellung gegenüber Obama eine Sprecherrolle für europäische Angelegenheiten spielen zu können. Sarkozys Berater streuten ganz ungeniert aus, nur Obama und er, der Staatschef in Paris, hätten genügend und weltweiten Einfluss und Macht zur gemeinsamen Regelung der Weltprobleme.
 
Kontakte nur auf Gipfelebene
 
Die ständige Kontaktsuche soll dem Amerikaner auf die Nerven gegangen sein. Obama beließ es bei Begegnungen auf Gipfelebene. Er zeigte Sarkozy die kalte Schulter. Im Elyséepalast drückte Sarkozy seinen Frust mit deftigen Worten aus, der US-Präsident sei nur ein "politischer Amateur", der ein unbedarfter Newcomer sei, während er, Nicolas Sarkozy, welterfahren und international eingeführt, den Durchblick habe. Entsprechend gespannt waren jahrelang die franko-amerikanischen Beziehungen.

Hollande hat bei seinem ersten USA-Besuch vor einigen Monaten ein entspanntes Verhältnis zu Obama herstellen können. Sein Anspruch, ein normaler Präsident zu sein, hat ihm in Washington Vertrauen eingebracht  - obwohl es zwischen den Demokraten von Obama und der sozialistischen Regierungsmehrheit keine organischen Kontakte. Die Beziehungen der Parti socialiste (PS) zur Demokratischen Partei sind weit lockerer als zum Beispiel zur SPD oder zu den Schwesterparteien in Italien und Spanien. Das Scharnier der Kontakte ist die Sozialistische Internationale, der Obamas Leute nicht angehören.
 
Massive Kritik an der US-Umweltpolitik
 
In den französischen Medien werden die beiden US-Präsidentschaftskandidaten distanziert beschrieben. Ausführliche Porträts wechseln mit innen- wie außenpolitischer Analyse. Dass Washington die freie Welt anführt, wird hingenommen, aber auf dem Umweltsektor zum Beispiel, wo die USA keine Anstrengungen im Kampf gegen den Klimawandel machen, wird scharfe Kritik geäußert.

Die USA sind in den Augen der Franzosen die großen Umweltverpester. Experten, die behaupten, die Umweltverschmutzung und die globale Erwärmung nähmen überhaupt nicht zu und seien nur Kopfgeburten von unverantwortlichen Klimawissenschaftlern, vor allem in Europa, haben in Frankreich eine sehr schlechte Presse. Gegeißelt wird eine Arroganz der Klimatologen, die in der Welt die Deutungshoheit behalten möchten. Die USA haben bekanntlich das Klimaschutzprotokoll von Tokio nicht ratifiziert.

Hollande ist andrerseits nicht bereit, außenpolitische Festlegungen der Amerikaner zu akzeptieren. Ein Beispiel ist der Umgang mit den Rebellen in Syrien. Obama fordert von ihnen zunächst eine bessere Organisation ihrer Arbeit, bevor sie eine Übergangsregierung bilden. Hollande hingegen verlangt von den Aufständischen eine Übergangsregierung schon jetzt, die Frankreich anerkennen würde. Sarkozy hätte in dieser Frage einseitig gehandelt. Hollande sucht dagegen den Schulterschluss mit den Amerikanern.

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Lutz Hermann

ist Auslandskorrespondent in Frankreich für verschiedene Tageszeitungen und Autor mehrerer politischer Bücher, u. a. „Willy Brandt – ein politisches Porträt“ (1969).

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