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Hillary Clinton zieht diesmal die Gender-Karte

Anders als bei ihrer Kandidatur 2008 wird Hillary Clinton ihr Geschlecht nun aktiv im Wahlkampf einsetzen. Analysen früherer Wahlen zeigen: Es könnte eine Trumpfkarte sein.
von · 14. April 2015
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„Ich bereite mich auf eine Menge vor“, sagt die junge Frau und strahlt in die Kamera. Schnitt auf eine ältere Frau, die im Garten arbeitet – ihre Tomaten, verkündet sie lachend, seien die besten in der Nachbarschaft. Schnitt zurück auf die junge Frau, die ihre kleine Tochter im Arm hält und mit dem anderen eine Siegergeste macht. Außerdem zu sehen: eine Frau, die nach einer längeren Erziehungspause wieder arbeiten geht, ein Paar, welches sich auf die Geburt seines Babys vorbereitet, eine Studentin, eine ältere Frau, die bald in Rente geht. Dazwischen ein schwules Paar, kleine Kinder und zwei Brüder, die gerade ihr eigenes Geschäft eröffnet haben. Dann Schnitt auf eine Frau in dunkelblauem Blazer: „Ich bereite mich auch auf etwas vor: Ich kandidiere als Präsidentin.“ Es ist Hillary Clinton in ihrem Werbe-Video.

Die Ankündigung kam am Sonntag nach langem Warten und ganz schlicht in Form einer Mail an Unterstützer. Clintons offizieller Twitter-Account wird ab sofort von Kampagnen-Mitarbeitern betrieben. Sollte sie nominiert werden, wäre die ehemalige Senatorin von New York 95 Jahre nach Laura Clay die zweite weibliche Präsidentschaftskandidatin der Demokraten überhaupt. Das von fröhlichen Frauen bevölkerte Video zum Kampagnen-Start zeigt sehr deutlich, dass Hillary Clinton im Gegensatz zum Wahlkampf 2008 ihr Geschlecht gezielt einsetzen wird. Damals verkündete Clinton: „Ich trete nicht als Frau an.“ Ihr Wahlkampf konzentrierte sich deshalb vor allem auf ihre außenpolitische Expertise. Die Botschaft: Hillary kann Präsident, obwohl sie eine Frau ist. Dahinter stand die Angst, Clinton könne zu weich wirken – also sprach die Kandidatin davon, den Iran „auszulöschen“ und kippte Whisky-Shots in Bars.

18 Millionen Risse in der Gläsernen Decke

Dass ihr Geschlecht auch ein Vorteil sein könnte, merkte Clinton zu spät, nämlich erst, nachdem sie die Präsidentschafts-Nominierung gegen Barack Obama verloren hatte. Im National Museum of Women in Washington gestand sie vor Gästen wie der bekannten Feministin Gloria Steinem: „Wenn ich gefragt wurde, was es bedeutet, sich als Frau für die Präsidentschaft zu bewerben, gab ich jedes Mal dieselbe Antwort: dass ich stolz sei, mich als Frau zu bewerben, aber dass ich mich bewarb, weil ich dachte, ich würde der beste Präsident sein. Aber ich bin eine Frau und wie Millionen von Frauen weiß ich, dass es da draußen immer noch Hindernisse und Vorurteile gibt, oft unbewusst.“ Ihre Kampagne, so Clinton, hätte der Gläsernen Decke „18 Millionen Risse hinzugefügt“ – ein Dankeschön an ihre Unterstützerinnen.

Sieben Jahre später hat sich die Lage weiter verändert. In den USA ist Gleichberechtigung mittlerweile ein wichtiges gesellschaftliches Thema: Clinton kann es sich nicht erlauben, Einkommensungleichheit, Mindestlohn oder die Gläserne Decke auszusparen. Viele Frauen in den USA haben wirtschaftliche Schwierigkeiten und Clintons Kampagnen-Video zeigt, dass sie sich als Vorkämpferin für Frauen insbesondere mit niedrigem Einkommen einsetzen wird. Dieser Fokus auf Frauen mag im Vergleich zum Wahlkampf 2008 neu sein, bezogen auf Hillary Clintons politische Karriere ist er es nicht. Schon als First Lady erklärte sie 1995 auf der vierten UN-Weltfrauenkonferenz in Peking Frauenrechte zu Menschenrechten. Als Außenministerin traf sie sich in fast jedem der 112 von ihr besuchten Länder mit wichtigen weiblichen Persönlichkeiten.

Neues Image als weise Großmutter

2015 scheut sich Clinton nun nicht mehr, auf diesen Einsatz für Frauen weltweit zu verweisen: Sie tritt offen als Kämpferin für Frauenrechte auf. Als ersten öffentlichen Auftritt in den USA 2015 wählte Clinton deshalb konsequenterweise eine Technologie-Konferenz im Silicon Valley, wo sie über die Rolle von Frauen für die Demokratie, Einkommensunterschiede und Hindernisse für weibliche Führungskräfte in der Technologie-Branche sprach.

Der nächste Schritt: Hillary Clintons neues Image als Großmutter. Im September 2014 wurde Enkelin Charlotte geboren – angesichts des Zeitpunkts witterten einige Republikaner und konservative Kommentatoren natürlich prompt eine Verschwörung. Leute wie die Clintons schrecken schließlich nicht davor zurück, eine Schwangerschaft strategisch zu planen, oder? So viel Macht über die Biologie dürfte Hillary Clinton nicht haben, das Großmuttersein ist aber eindeutig Teil ihrer Strategie 2016 und wurde mit dem Twitter-Hashtag #grandmotherknowsbest (Oma hat immer recht) schon erfolgreich getestet.

Es ist außerdem wahrscheinlich, dass Chelsea Clinton in diesem Wahlkampf eine aktive Rolle spielen wird. Die britische Tageszeitung Guardian berichtet vom sogenannten „Chelsea-Effekt“ während der Kampagne 2008: In Bundesstaaten, wo Chelsea Clinton sich stark im Wahlkampf engagierte, verringerte sich in Umfragen der Abstand zwischen Clinton und Obama bei den jungen Wählern. Jungmutter Chelsea Clinton, so die Hoffnung, könnte junge Wähler mobilisieren oder sie davon überzeugen, weiterhin die Demokraten zu wählen: 2012 stimmten ganze 67 Prozent der jungen Wähler für Obama (2008 waren es 66 Prozent).

Nachteile für Politikerinnen

Doch auch wenn sie die „Gender-Karte“ spielt: Clintons Geschlecht bleibt in der Politik ein Nachteil, denn laut der US-amerikanischen Barbara Lee Family Foundation existiert immer noch ein Dilemma: Während es bei männlichen Politikern egal ist, ob sie als sympathisch wahrgenommen werden, solange sie stark und entscheidungsfreudig wirken, müssen Frauen beweisen, dass sie sowohl qualifiziert als auch sympathisch sind. Hinzu kommt, dass Frauen Clinton nicht allein deshalb wählen werden, weil sie auch eine Frau ist. Laut einer Gallup-Umfrage von 2007 allerdings bewerten Frauen Clinton im Schnitt positiver als Männer. Und Frauen sind für den Ausgang der Wahl wichtig, wie eine Analyse des Center for American Progress der Wahl 2012 zeigt: Nicht nur stellten Frauen mit 53 Prozent die Mehrheit der Wähler, sie stimmten auch überwiegend für Barack Obama.

Hillary Clinton muss in den kommenden Monaten zeigen, dass sie auf eine ähnliche, bahnbrechende Art „Wandel“ verkörpert, wie es 2008 Barack Obama tat. Nach 43 männlichen Präsidenten ist das Ausspielen der Gender-Karte nicht ihre schlechteste Option.

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